„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“. Richard A. Huthmacher

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„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“ - Richard A. Huthmacher

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       Ausführungen zu Fußnote 6:

      „Am Mittwoch, dem 8. November 1989, versammeln sich 90 Rüterberger in der alten Schule. Sie haben auch ihre Vormünder eingeladen, die Grenztruppen der DDR und den Rat des Kreises Ludwigslust. Rasenberger erhebt sich, um einen Vorschlag zu unterbreiten. Da sein Dorf vollständig umgrenzt sei [das Dorf liegt als Exklave im „Feindesland BRD“], also de facto völlig allein auf der Welt, habe man sich entschlossen, diesen negativen Befund in einen positiven zu verwandeln und endlich das zu tun, was man schon längst hätte tun müssen: Er schlage hiermit die Gründung der autonomen Dorfrepublik Rüterberg vor, und zwar nach dem Vorbild der Schweiz!

      Ihr seid doch nicht die Schweiz, geben die Organe der Macht zu bedenken. Auch waren die eidgenössischen Urkantone 1291 immerhin zu dritt. Uri, Schwyz und Unterwalden … Doch den Rüterbergern ist das egal. Einstimmig beschließen sie am 8. November 1989 ihre Unabhängigkeit.

      Die erste autonome Dorfrepublik auf deutschem Boden hat sich gegründet.“

       Ausführungen zu Fußnote 7:

      Kleines Politisches Wörterbuch, Ost-Berlin 1988, zit. nach: Anarchy in East-Germany. Ohne Umweltblätter und telegraph hätte es die Wende 1989 so nicht gegeben, https://www.graswurzel.net/gwr/2009/06/anarchy-in-east-germany/, veröffentlicht am 01.06.2019 und abgerufen am 29.09.2019:

      „Heute feiern die deutschen Eliten 20 Jahre friedliche Revolution 1989´. Dabei wird die Geschichte des gewaltfreien Widerstands gegen die ostdeutsche Diktatur in den Medien oft verfälscht dargestellt.

      So waren sich die MacherInnen einer im April 2009 ausgestrahlten ARD-Dokumentation über die Rolle der Kirchen in der DDR nicht zu schade, die Ost-Berliner Umweltbibliothek und die dort produzierten Umweltblätter als Teile des ´kirchlichen Widerstands´ darzustellen, ohne zu erwähnen, dass sich diese Graswurzelprojekte als ´anarchistisch verfasst´ verstanden.“

      ANARCHISMUS IN DEUTSCHLAND. VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUM 1. WELTKRIEG

      Liebste M.!

      Auf Deine Anregung hin habe ich mich in letzter Zeit ein wenig mit der Geschichte der Anarchie in Deutschland beschäftigt. Weil deren – der Anarchie – Historie in den gegenständlichen Kontext passt (dem wir uns in unseren nächsten Briefwechseln widmen wollen: Wende, Wendejahr, anarchistische Phänomene und deren Tradition sowohl im ehemaligen sozialistischen Bruderland wie in „Gesamt-Deutschland“), im Folgenden einige Gedanken, Überlegungen und Fakten zu Geschichte und Tradition der Anarchie in Deutschland:

      Es waren, zweifelsohne, Napoleon und seine Usurpationspolitik, die (zunächst) den nationalstaatlichen Gedanken in Deutschland beförderten; selbst Fichte, zuvor alles andere als ein Nationalist, hielt seine „Reden an die deutsche Nation“ 8 9; „Der geschlossene Handelsstaat“ war – folgerichtig – eine seiner Forderungen 10.

      Wenige Jahre später wurden Schriftsteller wie Heinrich Heine und Ludwig Börne dann durch republikanische, sozialistische und anarchistische Ideen (letztere sozusagen als Gegenentwurf zum Nationalstaatsgedanken) beeinflusst (namentlich durch die Saint-Simonisten) 11 12.

      Es war wohl Börne, der sich in Deutschland als erster für die Anarchie (in politischem Sinne aussprach) 13: „Nicht darauf kommt es an, dass die Macht in dieser oder jener Hand sich befinde: die Macht selbst muss vermindert werden, in welcher Hand sie sich auch befinde. Aber noch kein Herrscher hat die Macht, die er besaß, und wenn er sie auch noch so edel gebrauchte, freiwillig schwächen lassen. Die Herrschaft kann nur beschränkt werden, wenn sie herrenlos – Freiheit geht nur aus Anarchie hervor. Von dieser Notwendigkeit der Revolution dürfen wir das Gesicht nicht abwenden, weil sie so traurig ist. Wir müssen als Männer der Gefahr fest ins Auge blicken und dürfen nicht zittern vor dem Messer des Wundarztes. Freiheit geht nur aus Anarchie hervor – das ist unsere Meinung, so haben wir die Lehren der Geschichte verstanden.“

      Zudem, so Börne 14 [der werte Leser s. auch 15]: „Um sich zu schützen, will jede Nation die stärkste sein … Die Lösung liegt [mithin] nicht im unabhängigen Staat; sie kann nur in der Föderation liegen, die den grossen Rahmen für alle darstellt, jedem seine eigene unabhängige Entwicklung gestattend. Von hier aus schreitet man ... zu den vielseitigen Beziehungen untereinander, die alle Tätigkeiten umfassen, die ... Menschen in einer Atmosphäre gesicherten Friedens auf vielen Gebieten des sozialen Lebens verrichten. Die Summe aller Tätigkeiten dieser freien Vereinigung ... ist die Anarchie …“

      Anfangs der 1840-er Jahre begründete Max Stirner mit „Der Einzige und sein Eigentum“ 16 17 und seinem viel zitierten Diktum: „Mir geht nichts über Mich“ 18 den „individuellen Anarchismus“ 19, üblicherweise als Amoralismus 20 oder Ethischer Egoismus 21 22 bezeichnet.

      In der Auseinandersetzung mit Werken von Ludwig Feuerbach 23 („Die zweite Quelle der freiheitlichen Ideen in Deutschland war die Philosophie Ludwig Feuerbachs, welche dem Hegelschen Alpdrücken den Gnadenstoß gab. Diese Philosophie ... war zweifellos nicht anarchistisch. Aber sie stellte die Rolle des Menschen wieder her, welche im Hegelismus ... vernichtet worden war … Es ist der Mensch, welcher Gott geschaffen hat, sagte Feuerbach, und dieser Gedanke gab Bakunin den endgültigen Anstoss zu seiner geistigen Befreiung; und Pi y Margall schreibt in seinem Buch ´Die Reaktion und die Revolution´ [1854]: ... ´Homo tibi deus hat ein deutscher Philosoph gesagt. Der Mensch ist für sich selbst seine Wirklichkeit, sein Recht, seine Welt, sein Gott, sein alles. Es ist die ewige Idee, welche sich vergegenständlicht und aus sich selbst heraus das Bewusstsein erwirbt; sie ist das Wesen aller Wesen, Gesetz und Gesetzgeber, Herrscher und Untertan ...´“ Max Nettlau: Der Anarchismus in Deutschland …., wie zit. zuvor), in der Auseinandersetzung auch mit Friedrich Hegel und Pierre-Joseph Proudhon 24 wurden um die Mitte des 19. Jahrhunderts anarchistische Gedanken entwickelt und systematisiert; es war Proudhon, der mit seinem solidarischen Anarchismus Max Stirner gleichsam kontrapunktierte.

      Beeinflusst durch die Schriften von Karl (Theodor Ferdinand) Grün 25 – eines deutschen Journalisten, Philosophen und Politikers (Mitglied der Preußischen Nationalversammlung nach der 1848-“Revolution“), der (während seines Exils in Paris) eng mit Proudhon zusammenarbeitete und den Nachlass von Ludwig Feuerbach herausgab – publizierte Wilhelm Marr 1844/45 die „Blätter der Gegenwart für soziales Leben“; diese (in der Schweiz herausgegebene) Zeitung gilt als das erste Propaganda-Organ für anarchistische Ideen in der deutschen Arbeiterschaft 26.

      Weitere Verbreiter freiheitlich-anarchistischer Ideen waren beispielsweise der Schriftsteller Arnold Ruge 27 und Richard Wagner 28 29.

      Während die „bürgerlich anarchistischen“ Strömungen in der zweiten Hälfte des (19.) Jahrhunderts nach und nach an Bedeutung verloren, entwickelten sich zunehmend proudhonistische 30 und kollektivistisch-anarchistische 31 Bewegungen; sie waren (auch) eine Folge der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation (1864) 32.

      In Deutschland indes waren anarchistische Ideen zu dieser Zeit nicht sonderlich präsent; erst durch die Schriften Dührings 33 34 35 36 (namentlich durch seinen Kursus der National- und Sozialökonomie [1873] 37 und durch die Verbreitung sozietärer bzw. anti-kratischer Vorstellungen 38, die weitgend mit denen der kollektivistischen Anarchisten ident waren, erst durch die Schriften Dührimgs) fanden anarchistische Vorstellungen, insbesondere unter den Sozialdemokraten, größeren Anklang.

      Ein

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