„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“. Richard A. Huthmacher
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Читать онлайн книгу „… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“ - Richard A. Huthmacher страница 10
Und das Fehlen von Herrschaft (anderer über sie) macht den meisten Menschen Angst. Weil sie diesen Zustand nicht kennen. Möglicherweise mit Chaos assoziieren. Auf jeden Fall aber mit (einer wie auch immer gearteten) Bedrohung verbinden.
Und so strebten sie, die Bürger der (Noch-)DDR, vom Regen in die Traufe. Vom Pseudo-Sozialismus in den höchst realen Kapitalismus. Der ein immer neo-liberaleres Angesicht annahm.
Suum cuique möchte man sarkastisch anmerken: Wer sich die Freiheit (die ihm im Wendejahr auf silbernem Tablett angeboten wurde) nicht erobert, hat sie auch nicht verdient.
Wie dem auch sei: „Die Geschichte des Anarchismus in Deutschland durchlebte verschiedenste Phasen und organisatorische Ansätze – von anarchistischen Bombenanschlägen und der ´Propaganda der Tat´ über anarchistische Gruppen innerhalb der ArbeiterInnenbewegung (ab 1918 repräsentiert in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsbewegung / der FAUD) bis hin zu alternativen Lebenswegen und Siedlungsprojekten nach den Ideen von Gustav Landauer u.a.
In der bayrischen Räterepublik kurz nach dem Ersten Weltkrieg waren anarchistische Ideen ebenso präsent wie 1968 und in der Alternativbewegung der 70er- und 80er-Jahre“ (Anarchistische Texte [Deutschland], https://www.anarchismus.at/geschichte-des-anarchismus/deutschland, abgerufen am 05.10.2019).
Ich bin überzeugt, dass kaum einer derjenigen, die im kurzen langen Jahr der sog. Wende die Anarchie – jeder auf seine Art – probten, sich der langen und wechselvollen Geschichte des (deutschen) Anarchismus bewusst war. Aber die Menschen in der Noch-DDR probten sie, die Anarchie. Wenn auch nur für einige, für einige wenige Monate.
Wollten frei sein von Unterdrückung, von der Herrschaft des Menschen über den Menschen.
Und liefer(te)n uns Erfahrungen, Geschichten, Anekdoten, die Hoffnung geben.
Hoffnung, dass es gerade in Zeiten des Umbruchs, der immer auch ein Aufbruch ist, möglich wird, sich von den alten Herrschaftsstrukturen zu befreien. Seien es die der DDR, eines Staates, der unter falscher Flagge, unter der eines angeblichen Sozialismus´/Kommunismus´ segelte, seinen es die unseres kapitalistisch-neoliberalen Herrschafts-Systems, seinen es die einer (geplanten wie bereits teilweise implementierten) neuen, will meinen: der Neuen Weltordnung.
Indes: Wir brauchen keine neuen Ordnungen, von denen hatten und haben wir genug, wir brauchen vielmehr eine Emanzipation von all diesen Ordnungen, die nur eines im Sinn haben – die Knechtung der Masse, auf dass es einer kleinen Minderheit, den „Herren dieser Welt“ (gleich, in welcher oder über welche gerade aktuelle Gesellschaftsform sie herrschen) wohl ergehe.
„Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren der Stagnation, der geistigen, wirtschaftlichen, politischen, [nach all] den Jahren von Dumpfheit und Mief, von Phrasengewäsch und bürokratischer Willkür, von amtlicher Blindheit und Taubheit.“ So Stefan Heym in seiner Rede am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz. Und weiterhin:
„Welche Wandlung!
Vor noch nicht vier Wochen: Die schön gezimmerte Tribüne hier um die Ecke, mit dem Vorbeimarsch, dem bestellten, vor den Erhabenen!
Und heute? Heute Ihr! Die Ihr Euch aus eigenem freien Willen versammelt habt, für Freiheit und Demokratie und für einen Sozialismus, der des Namens wert ist …
´Wir haben in diesen letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit überwunden und sind jetzt dabei, den aufrechten Gang zu erlernen.´ Und das, Freunde, in Deutschland, wo bisher sämtliche Revolutionen danebengegangen, und wo die Leute immer gekuscht haben, unter dem Kaiser, unter den Nazis, und später auch.
Aber sprechen, frei sprechen, gehen, aufrecht gehen, das ist nicht genug. Laßt uns auch lernen zu regieren.
Die Macht gehört nicht in die Hände eines einzelnen oder ein paar weniger oder eines Apparates oder einer Partei. Alle müssen teilhaben an dieser Macht.
Und wer immer sie ausübt und wo immer, muß unterworfen sein der Kontrolle der Bürger, denn Macht korrumpiert. Und absolute Macht, das können wir heute noch sehen, korrumpiert absolut.
Der Sozialismus – nicht der Stalinsche, der richtige –, den wir endlich erbauen wollen, zu unserem Nutzen und zum Nutzen ganz Deutschlands, dieser Sozialismus ist nicht denkbar ohne Demokratie. Demokratie aber, ein griechisches Wort, heißt Herrschaft des Volkes.“
Eine solche Demokratie – nicht eine Karikatur wie unsere sogenannte repräsentative Demokratie, in welcher die so genannten Repräsentanten das machen, was das Volk nicht will, mithin das, wofür es, das Volk, sie, die Repräsentanten, nicht gewählt hat, und in der jene, die fälschlicherweise Volksvertreter genannt werden, eben nicht die Interessen des Volkes vertreten, sondern die Belange derer, die sie gut für ihre Dienste bezahlen, manchmal auch erpressen mit gar mancher Schweinerei, die ihnen, den angeblichen Vertretern, den vermeintlichen Repräsentanten, nur deshalb zugestanden wurde, um sie erpressbar zu machen –, eine solche Demokratie im Sinne Heyms, des Alterspräsidenten des zweiten gesamtdeutschen Bundestages, wünsche ich mir, auch Anarchie im Sinne der freien Entfaltung des je Einzelnen, jedenfalls Demokratie wie Anarchie auf Grundlage eines freien Geistes im Sinne von Nietzsche.
Mithin: Den aufrechten Gang im Heym´schen Sinne müssen wir lernen: Ob wir ihn letztlich als Anarchisten, Sozialisten, Kommunisten oder Demokraten gehen ist oft und vielerorts beliebig (will meinen: dem Belieben des je Einzelnen anheim gestellt). Denn die, welche ihn, den aufrechten Gang üben, wollen nicht über andere herrschen; sie wollen nur Mensch sein unter Menschen.
Die Zeit der Wende zeigt, dass es viele Arten des aufrechten Ganges gibt. Und dass viel versucht haben, diesen Gang zu gehen.
Es war ihnen nur für kurze Zeit vergönnt – die „realpolitischen“ Verhältnisse haben sie schnell, allzu schnell wieder eingeholt.
Aber sie werden diese Zeit nie vergessen. Weil sie plötzlich eine Ahnung hatten, wie sich Freiheit anfühlt.
Wenn sie in diesem Sinne Anarchisten bleiben, wird die Saat, die vor 30 Jahren gesät wurde, bei der so dringend notwendigen nächsten gesellschaftlichen Wende aufgehen.
Auf dass wir das Joch derer abwerfen, die uns von angeblicher Demokratie und den Segnungen des (neoliberalen) Kapitalismus´ künden. Und doch nur eines im Sinn haben: Uns ungleich mehr noch als bisher unter ihre Knute zu zwingen.
Deshalb mein Motto ist: Ich will nicht Herr sein. Auch nicht Knecht. Ich bin und bleibe Anarchist.
Jedoch: Den, der von den Mühen der Niederungen, der Ebenen kündet, hört man nicht gern. Den, der von Solidarität spricht, hört man nicht gern. Den, der vom Ausgleich redet, namentlich von dem zwischen arm und reich, hört man nicht gern.
In der Tat, „wahre“ Kommunisten hört man nicht gern. Ebenso wenig Anarchisten. Jedenfalls solche, die sich nicht nur (oder gar fälschlicherweise wie die „Anarcho“-Kapitalisten) ein entsprechendes Etikett auf die Stirn kleben: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. In der Tat. Insofern möge der werte Leser immer (auch) an Etikettenschwindel denken. Nicht nur, wenn er von Anarchisten (und ihren angeblichen Taten) hört.
Zugegeben: Die Begrifflichkeiten „Anarchist“, „Anarchie“ und „Anarchismus“ sind aus der Mode gekommen. Heutzutage spricht man von Terroristen und Islamisten, wenn man – vermeintliche oder tatsächliche – Untaten (die ja keine Un-Taten, vielmehr Misse-Taten sind) anprangert. Oder man