„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“. Richard A. Huthmacher

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„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“ - Richard A. Huthmacher

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[einander] ´treu´ sein dürften – vorausgesetzt, sie tun dies freiwillig und ohne den erpresserischen Zwang des Eherechts.Vielmehr geht es darum, auch andere Formen zuzulassen und die in normalen Familien übliche Hierarchie zu überwinden: Frauen und Kinder sollen als gleichberechtigte Menschen akzeptiert sein, und die religiös gefärbte Sexualmoral soll einer lustvollen Gleichberechtigung weichen. Das Patriarchat als die bei uns gängige Form der Herrschaft steht damit automatisch im Zielkreuz anarchistischer Kritik.“

       Wichtiges Anliegen ist den Anarchisten auch die Ökologie. Denn eine frei Welt ist nicht in einer zugrunde gehenden Umwelt möglich.

       Libertäre Gesellschaften sind nicht das Paradies; auch in ihnen wird es Ungerechtigkeit, Aggressionen, wohl auch Kriminalität geben. Gleichwohl sollen gesellschaftliche Strukturen entwickelt werden, in denen soziales Fehlverhalten minimiert wird.

      Denn immer stellt sich die Frage: Wer ist Täter? Und wer ist Opfer?

      Auch wenn staatlich-autoritäre Strukturen zum Ziel haben, aus jedem Strafgefangenen einen Dymas zu machen, werden sie doch, immer wieder, einen neuen Gestas hervorbringen. Denn Gewalt erzeugt Gegengewalt. Die wir dann im Knast zu büßen haben und zudem – wie Dimas – durch unsere Unterwerfung bereuen sollen.

      Derart schaffen seit biblischer Zeit die Täter ihre Opfer. Und verzeihen ihnen, den Opfern, wenn sie, die Opfer, bereuen, dass sie durch der Täter Taten zu Opfern wurden. Das nennt man strukturelle Gewalt. Oder auch die Logik der Herrschaft. Dem wollen Anarchisten wehren.

      Und sie, die Anarchisten, wollen, beispielsweise, auch den (-selben Herrschafts-) Strukturen wehren, die Ursache und Anlass für psychiatrische Anstalten bzw. für die Zwangseinweisung von (allein in Deutschland jährlich fast 200.000!) Menschen sind:

      „Psychisch Kranke sind in rechtsstaatlichen Demokratien die einzigen Menschen, denen die Freiheit entzogen werden darf, ohne dass sie eine Straftat begangen haben.“

      Die Psychiatrie hat eine janusköpfige Doppelfunktion: Sie soll nicht nur psychisch leidenden Menschen helfen, sondern und insbesondere auch sozial abweichendes Verhalten kontrollieren sowie auffällige, nicht berechenbare, unerwünschte, kurzum abweichende Handlungsweisen sanktionieren.

      Psychiater sind befugt, Zwang und Gewalt auszuüben, und dies im staatlichen Auftrag; dadurch ist ihre Funktion der ordnungspolitischen Rolle der Polizei vergleichbar und ergänzt die Tätigkeit der Hüter dessen, was nach gesellschaftlichem Konsens (?) für Recht und Ordnung gehalten wird.

      Die Macht der Psychiatrie und der sie ausübenden Psychiater ist mithin gewaltig; sie entziehen Menschen die Freiheit, nötigen ihnen eine „Behandlung“ auf – meist mit Psychopharmaka, nicht selten, auch heute noch, mit (noch schlimmeren) Foltermethoden wie beispielsweise der Elektrokrampftherapie …

      Soweit irgend möglich, wird das, was hinter Psychiatriemauern geschieht, vor der Öffentlichkeit verborgen. Gewalt ist in der Psychiatrie gleichwohl allgegenwärtig, jeder Insasse kann deren Opfer werden, jeder dort Tätige, ob Pfleger oder Arzt, muss bereit sein, sie anzuwenden.

      Eine Zwangseinweisung kann jeden treffen – wenn er den falschen Leuten in die Quere kommt, ist es sehr schnell um seine Bürgerrechte, um seine Freiheit und seine körperliche Unversehrtheit geschehen.

      Jedenfalls: Wer sich nicht biegt wird gebeugt. Wer sich nicht beugt wird gebrochen. In patriarchalischen strukturell gewaltbasierten Gesellschaften. Dem stellen Anarchisten die Vorstellung einer von der Herrschaft des Menschen über den Menschen freien Gesellschaft gegenüber. Der werte Leser möge selbst entscheiden, in welcher dieser Gesellschaften er leben will.

      Mithin, somit: „Die Anarchisten“ sind (nicht nur eine überaus heterogene Bewegung, sondern auch und namentlich) nicht die gemeingefährlichen Attentäter, Bombenleger, Dynamitarden, Kleine-Kinder-Fresser, als die „man“, will meinen: als welche die Herrschenden, diejenigen, die ihre Machtstrukturen durch jede egalitäre Bewegung bedroht sehen, sie mit Vorliebe darstellen. Anarchisten sind vor allem eins: Freiheitsliebende, die jegliche Herrschaft des Menschen (oder eines Systems) über den Menschen ablehnen.

      Anarchisten sind und waren – ob bewusst oder unbewusst sei dahin gestellt, jedenfalls faktisch – ein Kontrapart zu all den Bewegungen, die Menschen unterdrücken oder – oft gefährlicher noch, weil sehr viel schwerer zu erkennen – in eine bestimmte Richtung zu „erziehen“, zu manipulieren versuchen.

      Sie waren und sind ein Gegenentwurf für viele derer, die sich in „geschlossenen“ gesellschaftlichen Systemen (wie z.B. in dem als kommunistisch/sozialistisch bezeichneten der DDR) nicht (mehr) zu Hause fühl(t)en.

      Insofern ist Anarchie – eo ipso – an kein (gesellschaftliches, politisches, religiöses, philosophisches) System gebunden; sie, die Anarchie ist schlichtweg die Suche des Menschen nach sich selbst: in seiner Un-bedingtheit, frei von allem und jedem, nur begrenzt durch die Unverletzlichkeit anderer freier Menschen und der Grenzen, die diese zum Schutz ihrer je eigenen Person setzen.

      Insofern ist Anarchie der Todfeind jeder Ordnung, die auf Herrschaft, Macht und Unterdrückung, auf oben und unten beruht; sie ist letztlich eine Gesellschaft von Freien unter Freien, sie ist die soziale und politische Manifestation von Humanismus und Aufklärung.

      Dies ahnten, fühlten all die „Anarchisten“ im kurzen langen Jahr „der Wende“. In diesem Jahr zwischen 1989 und ´90, wo alles möglich schien. Und tendenziell auch war. Als die Menschen sich selbst ein Stück näher kamen. Als sie erkannten, wer sie sein könnten. Als die große Chance einer wirklichen gesellschaftlichen Erneuerung bestand (ob die „friedliche Revolution“ nun als false flag inszeniert war oder auch nicht); das Volk hatte sich bewegt, und aus dieser Bewegung entstand ein Sog, der nicht nur das Alte hinweg spülte, sondern auch „das Neue“ (dem es Form, Inhalt und Gestalt zu verleihen galt) erst möglich machte.

      Indes: Allzu sehr war die große Mehrheit der DDR-Bürger dem alten (Denken und Fühlen in obrigkeitsstaatlichen Strukturen) verhaftet, als dass, in großer Zahl, neue Formen des Zusammenlebens, mehr noch des (individuellen wie gesellschaftlichen) Seins entstanden wären, entstehen konnten.

      Insofern war 1989/90 nicht das Jahr der Wende, sondern – in vielerlei Hinsicht, was darzustellen (namentlich) in den folgenden Bänden unseres Briefwechsels dezidiertes Ziel ist – das Jahr der vertanen Möglichkeiten. Die sich derart, in unserer Lebenszeit, erneut nicht bieten werden.

      Insofern ist – ex post betrachtet – 1989/90 kein Jahr der Freude (über den Aufbruch), sondern ein Jahr der Trauer (über all die Möglichkeiten, die vertan wurden).

      Vertan – so meine dezidierte Meinung; Akten indes, die meine Sicht der Dinge ultimativ beweisen könnten, werden sicherlich nicht mehr zu meinen Lebzeiten deklassifiziert –, vertan nicht nur, weil (nicht von ungefähr!) eine Adelheid Streidel Oskar Lafontaine den Hals aufschlitzte, weil Karsten Rohwedder – angeblich von einer nicht existenten 3. Generation der RAF – erschossen wurde und weil ein paar Jahre zuvor ein gewisser Michail Gorbatschow bestochen worden war (und hernach, bis dato, weiterhin fleißig und in größtem Stil bestochen wird – was alles käme ans Tageslicht, wenn dieser Mann reden würde), sondern vertan auch und insbesondere, weil die Masse der DDR-Bürger, obrigkeitsstaatlich erzogen, nicht einmal die Möglichkeiten erkannte, die sich ihr in diesem Jahr ´89/´90 boten. (Anm.: Vorangehende Aussagen werden selbstverständlich in diesem und/oder in den Folgebänden des Briefwechsels belegt.)

      Vielleicht auch, weil sie schlichtweg Angst hatten vor der Freiheit. Denn Freiheit ist ein Stück weit auch Anarchie – „altgr. Ἀναρχία anarchía: ´Herrschaftslosigkeit´, von ἀρχία

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