„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“. Richard A. Huthmacher

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„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“ - Richard A. Huthmacher

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      Mehr noch: Ist Abwesenheit von Herrschaft schon („die“) Freiheit?

      Zudem: Lehrt uns die Geschichte nicht, dass eine Herrschaft im allgemeinen durch die nächste ersetzt wird – der König ist tot, es lebe der König.

      Und weiterhin: Hass als Reaktion auf Unfreiheit, als Mittel und Zweck zu deren Überwindung ist (nicht selten) destruktiv – wird Freiheit somit (oft, meist gar) aus Hass und Zerstörung geboren?

      In diesem Spannungsfeld von Herrschaft und Unterdrückung einerseits sowie dem Streben nach Befreiung und Freiheit andererseits entstanden Vorstellung und Praxis der An-archie (ἀν-αρχία: ἀρχία, Herrschaft; Alpha privativum als verneinendes Präfix).

      Mit anderen Worten: Theorie und Praxis der Anarchie suchen eine Antwort auf die Frage, wie sich der destruktive Zorn des Aufbegehrens in eine konstruktive, schöpferische Form von Freiheit umsetzten lässt.

      Die, letztere, bunt und widersprüchlich, bizarr und verführerisch die Menschen lockt – seit ihrer, der Menschen, Vertreibung aus dem Paradies. Wie auch immer diese von statten ging. Wie dieses wohl auch ausgesehen hat.

      Ist Anarchie mithin nur ein Traum? Oder doch eine durchaus realisierbare Hoffnung?

      Jedenfalls reichen die Wurzeln der Anarchie in der Geschichte der Menschheit weit zurück; der „moderne Anarchismus“ indes reflektiert die letzten 150/200 Jahre der Neuzeit; er ist ebenso gut dokumentiert wie in breiten Kreisen der Bevölkerung unbekannt.

      Ludwig Börne dürfte der erste (Deutsche) gewesen sein, der sich – auch im politischen Sinn – offen für die Anarchie aussprach (Ludwig Börne: IV. Betrachtungen über den Sinn der Zeitkämpfe, veranlaßt durch die Nouvelles Lettres Provinciales, ou lettres écrites par un provincial à un de ses amis, sur les affairs du temps. Paris, 1825, S. 271. In: Neue allgemeine politische Annalen. Band 20. Cotta´sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen, 1826):

      „Nicht darauf kommt es an, daß die Macht in dieser oder jener Hand sich befinde: die Macht selbst muß vermindert werden, in welcher Hand sie sich auch befinde. Aber noch kein Herrscher hat die Macht die er besaß, und wenn er sie auch noch so edel gebrauchte, freiwillig schwächen lassen. Die Herrschaft kann nur beschränkt werden, wenn sie Herrenlos, – Freyheit geht nur aus Anarchie hervor. Von dieser Nothwendigkeit der Revolutionen dürfen wir das Gesicht nicht abwenden, weil sie so traurig ist. Wir müssen als Männer der Gefahr fest in das Auge blicken und dürfen nicht zittern vor dem Messer des Wundarztes. Freyheit geht nur aus Anarchie hervor – das ist unsere Meinung, so haben wir die Lehren der Geschichte verstanden.“

      (Nicht nur) in diesem Kontext und Konnex ist es von Nöten, ein wenig Aufklärung zu betreiben. Zur deutschen Geschichte. Zu weiten Teilen derselben. Die, obwohl jüngere und jüngste Vergangenheit betreffend, weithin im Dunkel des Mainstreams verborgen werden. Resp. wird.

      Jedenfalls in den Geschichtsbüchern unserer Kinder nicht vorkommt. Denn dort steht zwar alles Mögliche. Nicht aber die Wahrheit: Das, was uns als – vermeintliche, angebliche – Wahrheit vorgegaukelt wird, ist – immer, ausnahmslos – nichts anderes als die Sichtweise der je Herrschenden. Nicht (einmal) ihre eigene. Sondern die, die sie der Masse suggerieren. Zu eigenem Nutzen und Frommen.

      Warum jedoch sind nicht alle Menschen – außer der Handvoll, die sie, die Masse, beherrscht – Anarchisten? Warum streben so wenige nach Freiheit?

      Sicherlich (auch) deshalb, weil ihnen Visionen fehlen. Eine Vorstellung von dem, was könnte sein, was möglich wär. Nicht weniger. Nicht mehr.

      Zu solch „utopischen“ Vorstellungen (im Sinne des Entwurfs von Potentialitäten) leistet „die Anarchie“, auch und namentlich die im Denken, leistet der „freie Geist“ (wie Nietzsche ihn definiert) einen entscheidenden Beitrag.

      Selbst wenn – nach einem Diktum, das Jack London zugeschrieben wird – gelten mag: „Das Wort Utopie allein genügt zur Verurteilung einer Idee.“

      Wie also muss man sich „den Anarchismus“ vorstellen? Und auch „den Anarchisten“?

      Die Konzeptionen anarchistischer Modelle und diesbezüglich konkrete Umsetzungsversuche sind höchst unterschiedlich: Gewerkschafter wie Unternehmer (mit alternativen, Kapitalismus kritischen Geschäftsmodellen), Materialisten und „Esoteriker“, Gläubige (woran auch immer) und Atheisten, Anhänger bedingungsloser Gewaltfreiheit wie Befürworter von Gewalt (für eine revolutionäre Umwälzung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse), sie alle bezeichnen sich ggf. als Anarchisten; für manche ist der Aufbau alternativer sozialer Strukturen und Kommunikationsformen, zuvörderst die Selbstverwaltung das Credo, andere wiederum glauben mehr an Propaganda und – manche mehr, andere weniger – an die Propaganda der Tat.

      Was also haben alle Anarchisten miteinander gemein?

      Sie wollen eine freie Gesellschaft ohne Herrschaft des Menschen über den Menschen.

      Sie wollen, dass die Menschen selbstbestimmt die Art und Weise ihres Zusammenlebens regeln; freie Vereinbarungen und gegenseitige Solidarität sollen Gesetze und die Konkurrenz aller mit allen ersetzen.

      Sie wollen, dass der autoritäre Zentralismus gegenwärtiger Gesellschaften durch den Föderalismus zukünftiger anarchistischer Formen des Zusammenlebens ersetzt wird.

      Sie, die Anarchisten, wollen eine dezentrale Vernetzung kleiner Einheiten. Anstelle immer gigantischerer, Länder und Kontinente übergreifender Formen gesellschaftlicher und ökonomischer Organisation.

      Sie wollen eine Vielzahl wie Vielfalt parallel existierender gesellschaftlicher Zusammenschlüsse anstelle eines einzigen verbindlichen Staatskonstruktes.

      Sie wollen nichts anderes als gleiche Rechte und Pflichten für alle Menschen.

      Zur Verwirklichung benannter anarchistischer Vorstellungen müsste der Staat als Institution und autoritäres Herrschafts-Prinzip weichen.

      Dafür müssten die „tragenden Säulen“ des (autoritären) Staates wie Polizei und Militär, wie Justiz und repressive Verwaltungsstrukturen, wie Kirche und Staats-Ideologie, wie pädagogische Indoktrination im Sinne des je herrschenden Systems weichen. Dafür müsste auch die kapitalistische Wirtschaftsform, die den Reichtum weniger durch die Ausbeutung der Masse ermöglicht, weichen.

      (Anmerkung: Der Einfluss der Kirche auf Gesellschaft und Staat – welcher, der Einfluss, nicht zuletzt auf ihrem, der Kirche, schier unermesslichen Reichtum gründet – wird heutigentags oft unterschätzt; deshalb führte ich auch diesbezüglich einen Briefwechsel mit meiner ermordeten Frau: Der werte Leser sei in diesem Kontext auf den Anhang zu vorliegendem Buch sowie auf Band 3 der Werkausgabe verwiesen, welcher, letzterer, sich mit dem Verbrecher Martin Luther und seinem verhängnisvollen Einfluss auf die abendländische Gesellschaft und Geschichte befasst.)

      Derart (wie zuvor und im Folgenden beschrieben) sind – grosso modo – die gesellschaftliche Utopie der Anarchisten. In deren Vorstellung Anarchie die moralisch höchste Form der Ordnung verkörpert – deshalb, weil Vorschriften, Regeln und Begrenzungen in freiwilliger Übereinkunft gesetzt und nicht durch pure Macht oktroyiert werden.

      Folgerichtig versuch(t)en – namentlich in den letzten zweihundert Jahren – ganze Generationen von Systemlingen (wie Politiker und Pfaffen, Literaten und sonstige Affen, nicht zuletzt sogenannte Wissenschaftler) alles nur Erdenkliche, um den Anarchismus als gesellschaftstheoretisch philosophisches

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