5 Strand Krimis: Killer, Kohle und Konsorten. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу 5 Strand Krimis: Killer, Kohle und Konsorten - Alfred Bekker страница 34
Sie sah, wie der Motorradhelm sich hob und senkte.
"Ja, richtig."
"Hören Sie, mein Mann hat wirklich nicht vor, Ihnen irgendwie zu schaden! Ihnen oder Ihrem Auftraggeber!"
"Was Sie nicht sagen!"
"Für ihn sind die alten Zeiten vorbei - aus und vergessen. Und er will nichts, als sein Geschäft betreiben und ein ganz normales Leben führen..."
"Ein ganz normales Leben", unterbrach er sie mit einem zynischen Unterton. "Schön haben Sie das gesagt! Wirklich schön!"
Carola hob die Arme und beugte sich erneut etwas vor, worauf der Mann mit dem Helm diesmal allerdings nicht weiter reagierte.
"Sie müssen mir glauben!", rief sie.
Wieder ein heiseres Lachen.
"Ich kann mir gut vorstellen, dass er die alten Zeiten gerne vergessen würde. Oder vielleicht sogar schon vergessen hat."
Carola begriff nicht.
"Na, dann ist doch alles in Ordnung oder?", meinte sie. "Er verlangt auch kein Geld oder so..."
Jetzt war er es, der sich vorbeugte. Er nahm den Fuß vom Tisch und auf einmal war ein seltsames Vibrieren in seiner Stimme.
"Hören Sie, Ihr Mann mag alles vergessen haben, aber ich, ich kann es nicht vergessen!", zischte er. "Niemals!"
"Ach, so ist das", murmelte Carola, so als ob sie verstanden hätte, was er meinte.
Er nickte leicht.
"Ja, so ist das!", fauchte er.
Sie nahm einen erneuten Anlauf. Um keinen Preis wollte sie das Gespräch abreißen lassen. Aus den Augenwinkeln heraus blickte sie zur Uhr. Ihr Mann musste jeden Moment kommen.
"Sie sind ein Ossi, nicht wahr?", fragte sie. "Ich meine, ich wollte sagen, also... Ein Bürger aus den fünf neuen Bundesländern?"
Kopfschütteln.
"Nein. Ich war noch nie dort."
"Was?"
"Ihr Mann scheint Ihnen nicht alles gesagt zu haben."
"Sind Sie kein Ex-Stasi-Mann?"
"Ich?"
"Ja, sicher!"
Er lachte. "Nein, ich bestimmt nicht", murmelte er dann kopfschüttelnd.
Carola war wie vor den Kopf gestoßen.
"Aber..."
"Ich möchte, dass Sie sich folgendes vorstellen!", forderte er und wieder vibrierte seine Stimme. Er atmete schneller, als er leise fortfuhr: "Ein kleiner Junge, vielleicht vier Jahre alt, betritt die Wohnung seiner Eltern. Er kommt vom spielen, den Ball hat er noch unter dem Arm. Er ist hingefallen und hat das Knie blutig und nur deshalb ist er jetzt hier." Er schnappte nach Luft und machte eine Pause. Dann schluckte er. "Können Sie mir folgen?"
"Ja", sagte Carola fast tonlos. "Erzählen Sie mir, wie es weitergeht..."
"Der Junge kommt in die Wohnung. Die Tür steht auf. Er sieht seine Eltern, beide liegen auf dem Boden - tot. Und daneben steht ein großer Mann mit einer sehr langen Pistole. Er sieht den Jungen an und der Junge sieht ihn an. Und dann ist da noch ein zweiter Mann, der gerade den Schreibtisch durchsucht. Er trägt Handschuhe. 'Komm!', sagt der Mann mit der Pistole. Dann gehen sie an dem Jungen vorbei, verlassen die Wohnung und verschwinden."
Das Schweigen, das dann den Raum erfüllte war unangenehm und drückend. Und im Hintergrund ging immer noch die Uhr.
Unablässig ging das Pendel hin und her. Carola dachte unwillkürlich an ein Fallbeil.
"Der Junge - das waren Sie?", fragte sie.
Er nickte.
"Sie dürfen dreimal raten, wer der Mann mit der Pistole war!"
Carola hob die Augenbrauen.
"Martin?
"Ja."
"Und der zweite Mann?"
"Norbert Wolf."
"Sie... Sie täuschen sich bestimmt!"
"Nein, ich täusche mich nicht", erklärte er. "Ich habe Jahre gebraucht, um herauszufinden, was damals geschehen ist. Aber seit es die Mauer nicht mehr gibt, ist alles etwas leichter geworden... Der Mann auf dem ersten Foto, das war der Stasi-Offizier, von dem Ihr Mann seine Aufträge erhielt!"
"Aufträge?", erkundigte sie sich, und ihre Augen wurden schmal dabei.
"Ja, insgesamt sieben", bestätigte er. "Sieben Menschen, die Ihr Mann und Norbert Wolf umgebracht haben. Politische Gegner, die in den Westen geflohen waren, Überläufer, was weiß ich... Missliebige eben."
Carola hatte das Gefühl, einen Schlag vor den Kopf zu bekommen. Alles drehte sich vor ihren Augen. Ein Schwindelgefühl erfasste sie.
"Das wusste ich nicht."
"Sie haben geglaubt, dass Ihr Mann nur ein paar Panzer fotografiert hat, was? Nein, er hatte ganz spezielle Aufgaben. Aber er wird dafür bezahlen!"
"Mein Gott... Können wir uns nicht irgendwie einigen? Ich meine..."
Der Helm hob sich ein wenig. Carola blickte in ihr eigenes Spiegelbild.
"Einigen?", fragte er höhnisch.
"Geld, vielleicht. Unsere Firma geht gut, da..."
"Vergessen Sie's!"
"Wie, bitte?"
"So etwas lässt sich nicht mit Geld regeln. Das ist ausgeschlossen. Ich sehe jede Nacht diesen Mann vor mir, mit seiner Pistole... Können Sie sich vorstellen, wie das ist? Können Sie das?"
"Wahrscheinlich nicht", gab Carola zu und dachte gleichzeitig fieberhaft nach. "Wenn Sie so sehr von der Schuld meines Mannes überzeugt sind - weshalb gehen Sie dann nicht zur Polizei, anstatt hier mit einer Pistole aufzutauchen."
Er schüttelte den Kopf.
Sein Ton wurde bitter.
"Das ich nicht lache! Wissen Sie, wie viel man auf die Erinnerung eines Vierjährigen gibt? Nein, das würde nur im Sande verlaufen. Ihr Mann war Profi. Er hat seine Sache gut gemacht. Es dürfte schwer sein, heute noch Beweise beizubringen, die ein Gericht akzeptieren könnte!" Er machte eine Pause. Dann fragte er unvermittelt: "Ist Ihr Mann eigentlich bewaffnet?"
"Nein", sagte Carola.
"Soll ich das glauben?"
"Glauben Sie, was Sie wollen!