Der Hungerturm. Michael Thumser

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Der Hungerturm - Michael Thumser

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erlaube mal, sagte Güges aufgebracht.

      Ich mach dir keinen Vorwurf, beruhigte ihn Christian. Aber ich brauche das Bild. Ruth ist vollkommen am Ende.

      Du hast es mir damals aus der Hand genommen. Ich weiß nicht, wohin du es gelegt haben könntest. Vielleicht hast du es eingesteckt.

      Ich bitte dich.

      Wofür hältst du mich, Christian, sagte Güges unwillig. Dann wies er auf die Glastür. Wir sehen uns am Mittwoch um sechs, vor der Vernissage.

      Er sagt, er habe es nicht.

      Sie schrie: Er lügt dich an.

      Unsinn. Ich glaube ihm.

      Er sagt dir kein wahres Wort.

      Christian ließ sie los. Es hat ja keinen Zweck, maulte er, aber er nahm sich zusammen. Ich brauche ihn. Seit ich bei ihm ausstellen kann, verkaufe ich doppelt so viel wie vorher. In zwei Tagen eröffnet er, du weißt, dass ich noch nie so viele Aufnahmen auf einmal ausstellen konnte.

      Das ist mir gleich.

      Er fuhr sie an: Das sollte es nicht sein. Es ist das erste Mal, dass ich in zwei, vielleicht drei überregionalen Zeitungen besprochen werde. Du wirst dich also am Mittwoch am Riemen reißen und sein, wie du immer warst: freundlich; charmant. Es kommt darauf an.

      Sie aber antwortete, nun ruhiger: Ich glaube, du wirst allein hingehen müssen.

      Er stutzte einen Augenblick. Dann brauste er auf:

      Das kommt gar nicht infrage,

      und warf die Tür ins Schloss.

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      Fast schüchtern trat sie durch die Glastür ein.

      Eine elegante Angestellte kam auf sie zu: Guten Tag.

      Guten Tag.

      Darf ich Ihnen vielleicht …

      Ich muss Herrn Güges selber sprechen.

      Einen Augenblick, bitte. Die Angestellte verschwand durch eine Tür. Gleich darauf erschien Güges.

      Guten Morgen, sagte er herzlich. Ich freue mich.

      Sie entgegnete nichts. Er streckte ihr die Hand hin. Ich glaube, ich habe Sie noch nie als Kundin hier gesehen. Suchen Sie etwas Bestimmtes?

      Sie sah ihn nicht an. Nein nein. Danke. Ich möchte Sie sprechen.

      Bitte. Er ließ ihr den Vortritt ins Nebenzimmer. Nehmen Sie Platz. Etwas zu trinken?

      Nein danke. Sie setzte sich auf die Couch.

      Er nahm zwei Gläser, stellte eines vor sie hin und goss ein. Zum Wohl, sagte er. Aber sie trank nicht. Er sah sie an – freundlich, wie ihr schien, aber aufdringlich. Sie wandte den Blick ab.

      Er ließ sich in einen Sessel nieder. Worum geht es?

      Aber sie musste sich erst überwinden. Geben Sie es mir, sagte sie dann heiser und eine Spur zu leise.

      Bitte?

      Das Foto. Sie räusperte sich. Bitte geben Sie es mir zurück. Es gehört mir.

      Er lachte kurz; aber nicht verlegen, schien ihr: er sah ihr dabei begütigend ins Gesicht. Liebe Frau Daules, Christian war schon hier, und ich habe ihm gesagt …

      Sie fuhr auf: Es ist mir ganz egal, was … Dann bezwang sie sich. Verzeihen Sie. Ich weiß, was Sie Christian gesagt haben. Trotzdem bitte ich Sie: geben Sie es heraus.

      Aber ich habe es doch überhaupt nicht.

      Sie kreischte fast: Es gehört mir. Allein.

      Ich würde ja gerne. Wenn ich es nur hätte.

      Eine Pause entstand, die sie quälte. Sie griff nach dem Glas vor sich und drehte es zwischen den Fingern, ohne daraus zu trinken. Dann sah sie auf ihn und erschrak.

      Mustern Sie mich nicht so!

      Er verstand nicht. Aber ich bitte Sie …

      Ich vertrage das nicht. Sehen Sie mich nicht so an. Nicht so!

      Er war noch immer überrascht. Ich wüsste wirklich nicht, wie … Dann aber legte er seine Hand auf die ihre, die sie sofort zurückzog, als hätte er sie verbrannt.

      Güges sagte ruhig: Christian hat mir berichtet, Sie fühlten sich nicht recht wohl seit dieser … Sache. Er versuchte ihr aufmunternd in die Augen zu sehen. Sie aber starrte erschrocken nach unten. Glauben Sie mir: das Bild kam mir ganz zufällig in die Hände, ich griff gedankenlos danach und sah kaum darauf. Ich gab es Christian sofort zurück, als ich … erfasste, was … Ich hab Sie gar nicht erkannt darauf.

      Sie schüttelte den Kopf und bedeckte das Gesicht mit der Hand. Sie wollte sich noch zwingen, nicht zu weinen. Aber es gelang ihr nicht.

      Er erschrak, verließ seinen Sessel und setzte sich neben sie. Zuckend rückte sie ab. Sacht legte er ihr eine Hand auf die Schulter: Frau Daules …

      Sie aber schrie: Fassen Sie mich nicht an.

      Aber …

      Lassen Sie mich los!

      Ich will Ihnen doch nur … Er zog die Hand zurück. Das Ganze ist eine dumme Geschichte, zugegeben, aber doch nur ein Missverständnis, ein Zufall. Kein Grund jedenfalls, sich das Leben schwer zu …

      Plötzlich sprang sie auf: Lassen Sie mich in Ruhe! Sein Knie hatte an ihrem gelehnt. Sie sind ein … Unsinnige Wut schäumte in ihre Verzweiflung. Dass Sie sich nicht manchmal selbst …

      Dann stürzte sie aus dem Zimmer und rannte durch den Ausstellungsraum. Eine Kundin sah ihr fragend nach.

      Die meisten Gäste kamen zwischen sieben und halb acht. Güges ließ ihnen Sekt mit Orangensaft anbieten und verwies auf die Platten mit belegten Schnitten. Um dreiviertel acht sprach er einige Worte, stellte Christian und zwei andere Künstler, die gleichzeitig ausstellten, vor und redete mit den Leuten von der Presse.

      Dann zog er Christian auf die Seite.

      Mit deiner Frau ist heute kein Staat zu machen.

      Nein, gab Christian zu. Gestern Mittag kam sie ganz aufgelöst nach Hause.

      Du hättest sie erst hier erleben sollen.

      Sie hat mir alles erzählt.

      So. Und was?

      Sie sagte, du hättest sie … angefasst.

      Angefasst. Sagte sie das.

      Es ist natürlich reiner Unsinn.

      Güges grüßte ein Paar, das vorbeiging und ihm zunickte.

      Sie wird sich zusammennehmen,

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