Die List der Schildkröte. Elisabetta Fortunato
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die List der Schildkröte - Elisabetta Fortunato страница 6
Sie aß das letzte Mozzarellabällchen, leerte das Schälchen mit den getrockneten Tomaten und tupfte mit einem Stück Brot das aromatisierte Öl auf. Sie würde gleich nach Hause gehen und dort auf von Schachts Rückkehr warten, entschied sie. Sie musste sich die apulische Warnung selber anhören, sonst würde sie nicht schlafen können. Giovanna leerte ihr Glas und kramte ihre Sachen zusammen.
Da trat der Barmann an sie heran, in der Hand ein neues Glas Wein. »Mit den besten Empfehlungen vom Herrn an der Bar.«
Ohne große Erwartungen an den sogenannten Herrn an der Bar und ein bisschen belästigt, beugte sich Giovanna über die Theke und schaute geradewegs in das Gesicht des gut aussehenden Afrikaners, der ihr mit seinem Perrier zuprostete. Ein gelber Klunker blitzte bei der Handbewegung einladend auf.
Erschrocken federte sie zurück. Sofort reichte ihr der Keeper eine Visitenkarte nach. Auf der Vorderseite edel gedruckte Buchstaben, auf der Rückseite handgeschrieben auf Englisch: »Sie haben eine sinnliche Art zu essen. Das gefällt mir. Sonny Omowura.«
Langsam stellte sie die Tasche auf die Theke zurück.
Der Professor konnte noch einen Moment warten.
Zufrieden stand Giovanna vor dem Schlafzimmerspiegel und band die noch feuchten Haare zusammen. Sie sah gut aus, trotz der schlaflosen Nacht. Ihre Augen leuchteten wie frisch gewaschene Wäsche und ihre Haut – die robuste der väterlichen Linie – hatte die verräterischen Spuren von männlichen Bartstoppeln schon verschwinden lassen. Auch an diesem Morgen hätte sie die Botox-Blondinen vom Vorabend um Längen geschlagen.
Sie dachte an ihre Trophäe, Sonny Omowura. Allein der Gedanke an seine entdeckungsfreudigen Hände ließ ein lustvolles Schaudern ihren Rücken hochrollen. Leider verwandelte es sich augenblicklich in ein Schaudern des Schreckens. Marias Misstrauen kam ihr wieder in den Sinn. Ihre Putzfrau, eine ficcanaso – eine Schnüfflerin in der besten neapolitanischen Tradition –, würde so lange in der Wohnung suchen, bis sie einen Beweis dafür fand, dass sie richtig gesehen hatte. Jetzt ging es darum, schlauer zu sein als die Neapolitanerin. Diese so weit zu verwirren, dass sie am Ende glaubte, die schwarze Hand nur geträumt zu haben. Also musste sie etwas tun, was sie, seit sie Giovanna Greifenstein hieß, noch nie getan hatte: Sie würde ihr Schlafzimmer selber in Ordnung bringen.
Die Bettwäsche war gewechselt und nun wartete sie bibbernd vor dem geöffneten Fenster, dass frische Luft hereinströmte. Merkwürdigerweise hing im Zimmer der Hauch eines fremden Parfums fest. Es war nicht von Sonny. Seine nackte Haut hatte nur nach ihm gerochen, was ihr gefallen hatte. Wahrscheinlich war der unbekannte Geruch im Verlauf des Abends an ihren Kleidern hängen geblieben und auf diese Weise in die Wohnung gekommen.
Wie ein blinder Passagier, fand Giovanna.
Neugierig schnupperte sie an den schwindenden Duftfetzen und korrigierte sich. Es war eindeutig eine Passagierin. Was nach so vielen Stunden vom Parfüm geblieben war, roch nach einer kleinen, zarten Blume. Schon einmal hatte dieser Duft am Vorabend ihre Nase gestreift, da war sie sich sicher. Nur, wer hatte ihn getragen?
Giovanna schloss das Fenster. Dabei passte sie nicht auf und stieß gegen das Nachttischchen. Einer ihrer Ohrstecker rollte weg, fiel klirrend zu Boden, direkt unter das Bett. Während sie auf die Knie ging und fluchend das Parkett abtastete, fiel ihr auf, dass sie mit einem nigerianischen Diamantenhändler mehr gemeinsam hatte, als nur die Lust auf Sex; sie hatten auch beide Lust auf Fluchen. Giovanna lachte auf. Hatte nicht ihre Oma immer gesagt, dass auch große Lieben mit wenig anfangen konnten?
Da bekam sie etwas zu fassen. Es war nicht der gesuchte Ohrstecker, dafür war der Gegenstand zu groß. Vorsichtig zog sie den Arm unter dem Bett hervor und öffnete die Finger. In ihrer Hand lag einer von Sonnys Ringen.
Auch bei Tageslicht war dieser wunderschön und lag angenehm schwer in der Hand. Der Ring war aus massiver Bronze und auf dem breiten Reif befand sich eine handgeschmiedete Schildkröte. Sie hatte eine spitze Nase, kugelrunde Augen und große Flossenfüße, ihr Panzer war flach und von unregelmäßigen Linien durchzogen. Das Tier glich einem Fabelwesen, das zugleich geheimnisvoll und gefährlich war. Wie sein Träger, der ihr nicht hatte verraten wollen, was die auffällige Schildkröte bedeutete und sie in der Nacht nur abgenommen hatte, als sich deren scharfe Nasenspitze schmerzhaft in ihren Unterarm gebohrt hatte.
Giovanna stellte sich ans Fenster und hielt das Schmuckstück gegen das Tageslicht. Sie hatte auf der Innenseite eine Gravur entdeckt. Sonny, las sie. Sie drehte es nach links und nach rechts, aber es blieb dabei: Sie fand nur seinen Namen. Auf unerklärliche Art erleichtert wollte sie den Ring auf die Kommode legen, dann überlegte sie es sich anders und zog sich den schweren Bronzereif über. Erst am Ringfinger saß er perfekt, gehalten von ihrem Ehering.
Ein Blick auf die Uhr rüttelte sie auf. Sie beschloss, vor der Arbeit zum Professor ins Museum zu fahren. Wenn sie mit ein paar biscotti für Barni, seinen geliebten Hund, auftauchte, ließ er sie sicher bei den Untersuchungen zuschauen. Sorgfältig blickte sie sich noch einmal im Zimmer um und, als sie nichts Verräterisches mehr entdecken konnte, verließ sie das Schlafzimmer und ging in die Küche.
»Kekse her, das ist ein Überfall«, erklang es in ihrem Rücken, gleichzeitig legte sich etwas Schweres auf ihre Schulter.
Giovanna schrie auf und drehte sich zum Treppenhaus um.
Vor ihr stand Tommaso. Ihr Chef sah aus, als wäre er zu Fuß aus Sibirien gekommen. Während er energisch den Schnee von seiner Kleidung klopfte, schimpfte er vor sich hin.
»Wann lasst ihr endlich die Haustür reparieren? Sie ist die reinste Einladung für alle Zigeuner und Diebe dieser Welt, nur der rote Teppich fehlt. Und nimm das Knie herunter, du siehst eindeutig zu viele Action-Filme.«
»Buongiorno«, antwortete sie, ganz außer Atem. Warum war er zu ihr gekommen, sie wollten sich doch später im Verlag treffen? Tommaso war ein geübter Kartenspieler. »Marias biscotti. Ich habe sie schon an der Haustür gerochen.«
»Hier«, sagte Giovanna und hielt ihm die gefüllte Tüte hin. »Auch wenn sie für Karl-Friedrich sind.«
»Du willst einem Diabetiker Kekse bringen? Das nenne ich Rettung in letzter Sekunde.«
Als wäre er der Prüfer des Gambero Rosso persönlich, zog er das größte Exemplar aus der Tüte und schnupperte ausführlich daran. Giovanna ließ sich von dem Theater nicht täuschen, dafür kannte sie ihn zu gut. Ohne ihn weiter zu beachten, rüttelte sie an ihrer Wohnungstür, unsicher, ob sie eingeschnappt war, bevor er sie erschreckt hatte. Dann suchte sie nach dem Schlüssel und wollte abschließen. Da legte Tommaso seine Karten offen.
»Giovà«, fing er an, »eins musst du mir verraten. Wie lange hat der Afrikaner gestern Nacht gebraucht, um das ganze Bling-Bling auszuziehen?«
Giovanna prustete los.
»Komm schon, sag es mir.«
»Halt dich ein bisschen zurück, Tommaso Festa.«
Sie flüchtete die Treppe hinunter. Im Hauseingang blieb sie stehen und zog die Eingangstür auf. Blitzschnell griff ihr Tommaso ans Gelenk, hielt ihre Hand hoch und betrachtete interessiert den Schildkrötenring.
»Das ging aber schnell«, stellte er fest.
Giovanna versuchte, ihm die