„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher

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„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher

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nicht nur über die (aufständischen) Bauern dachte, kommt, Liebste, ebenfalls in seiner Schrift: Ob Kriegsleute in seligem Stande sein können zum Ausdruck:

      „Man darf dem Pöbel nicht zu viel pfeifen, er wird sonst gern toll. Es ist billiger, ihm zehn Ellen abzubrechen, als ihm in einem solchen Falle eine Handbreit, ja, die Breite eines Fingers einzuräumen. Und es ist besser, wenn ihm die Tyrannen hundertmal unrecht tun, als dass sie dem Tyrannen einmal unrecht tun. Denn weil ja das Unrecht gelitten werden muss, so ist vorzuziehen, durch die Obrigkeit zu leiden, als dass die Obrigkeit durch die Untertanen zu leiden hat. Denn der Pöbel besitzt und kennt kein Maß. In jedem einzelnen stecken wohl mehr als fünf Tyrannen, So ist es besser, von einem Tyrannen, d. h. von der Obrigkeit, Unrecht zu leiden als von unzähligen Tyrannen, d. h. vom Pöbel.“

      Mit Recht lässt sich festhalten: „Der deutsche Untertanengeist hat eine lange Tradition. Die ideologische Rechtfertigung findet sich schon bei Luther in seiner ´Zwei-Reiche-Lehre´ … Das … herrschende Recht ist das Recht der Fürsten, die versuchen, flächendeckend einen modernen Territorialstaat mit politisch gleichgeschalteten Untertanen zu formen. Protestantische Geistlichkeit und weltliche Macht ziehen an einem Strick, wenn es um die Respektierung der staatlichen und kirchlichen Ordnung im Sinne der Landesfürsten geht. Räsonierende Untertanen werden nicht gelitten. Kritik ist untersagt, auch gegenüber Tyrannen. Wer widerspricht, ist Pöbel. Er hat es verdient zu leiden.“

      Solcherart fordert Luther eine bedingungslose Unterwerfung unter die weltliche Obrigkeit (seine eigene Aufsässigkeit überkommener kirchlicher Autorität gegenüber konterkarierend; es drängst sich, meine Liebe, der Verdacht auf, dass weltliche Macht – und deren Neuordnung zugunsten der Fürsten – durch Luthers religiös verbrämte Herrschafts-Ideologie gegenüber der kirchlichen Autorität neu etabliert und dass dadurch erstere, die weltliche Macht, von letzterer, der kirchlichen Autorität, befreit werden soll):

      „Aber weil Kaiser Kaiser, Fürst Fürst bleibt, wenn er gleich alle Gebote Gottes überträte, ja ob er gleich ein Heide wäre, so soll er´s auch sein, ob er gleich sein Eide und Pflichten nicht hält … Und Summa, Sünde hebt Obrigkeit und Gehorsam nicht auf, aber die Strafe hebt sie auf, das ist, wenn das Reich und die Kurfürsten einträch-tiglich den Kaiser absetzten, daß er nimmer Kaiser wäre.“

      Eindeutig wird derart die Stellung (des Reiches und) der Fürsten gegenüber dem Kaiser gestärkt; Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, wusste sehr wohl, was er an „seinem“ Luther hatte. Weshalb er, Friedrich, ihn, Luther, schützte. So dass dieser, letzterer, gut brüllen konnte. Nicht in der Art eines Löwen. Vielmehr wie ein Pinscher, der mutig bellt, wenn er sein Herrchen hinter sich weiß.

      Mit Äußerungen wie zuvor und mit einer Vielzahl weiterer Aussagen, die das Morden, Vergewaltigen und Plündern der Herrschenden resp. ihrer Landsknechte als angeblich gottgegeben und als vermeintlich gottgewollt zu legitimieren versuchten, rechtfertigte Luther apodiktisch das Wüten des Adels gegen die Aufständischen; ob – s. Engels – „im Vergleich mit den Rotten der Bauern … die Diener der römischen Sodoma unschuldige Lämmer, sanftmüti-ge Kinder Gottes [waren]“, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

      Resümierend, Liebste, könnte man durchaus behaupten, Luther sei die Geister, die er rief, nicht mehr losgeworden: Das Aufbegehren gegen die (etablierte römisch-katholische) Amtskirche und die theologische Unterfütterung der Umwälzungsprozesse, die man eher als Revolution denn als Reformation bezeichnen muss, will meinen: die Zerschlagung alter und die Implementierung neuer kirchlicher wie weltlicher Strukturen und Autoritäten, diese grundlegende, radikale Umgestaltung der gesamten abendländischen Gesellschaft an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit war von so gewaltiger Dimension, dass es geradezu grotesk erscheint, Luther – und Luther allein – als spiritus rector des Geschehens zu bezeichnen: Er, Luther, war allenfalls das Sprachrohr, das Aushängeschild, vielleicht auch nur Popanz der Interessen, die andere, ungleich Mächtigere hinter der Fassade vertraten, die man heute Reformation nennt!

      [Kann, muss man Ähnliches nicht heutigentags für all die Drosten und Wieler, für eine Merkel, den Spahn postulieren? Auch wenn die Reformation nunmehr als „Großer Neustart“ bezeichnet wird.]

      EXKURS: SOZIALPOLITISCHE VERHÄLTNISSE AN DER ZEITENWENDE VOM MITTELALTER ZUR NEUZEIT

      Mein lieber R.!

      Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund möchte ich wie folgt anmerken: Am Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit (also im 15./16. Jhd.) entstand das moderne (kapitalistische) Welt- (Wirtschafts- und Gesellschafts-) System; es formierte sich – gegen den Widerstand egalitärer Bewegungen, die sich im 14. Jahrhundert überall in Europa ausbreiteten und im Deutschen Bauernkrieg von 1524/25 ihren Höhepunkt fanden – aus dem im Niedergang begriffenen Feudalismus wie aus dessen Relikten und wurde – bis hin zum Neoliberalismus unserer Zeit – zum erfolgreichsten Wirtschafts- und Gesellschaftssys- tem der Geschichte überhaupt (wobei erfolgreich in keiner Weise gerecht, sozial verträglich oder menschenwürdig bedeutet, war und ist dieses System doch untrennbar verbunden mit unzähligen Kriegen, mit Völkermord, mit der Entwurzelung und Vertreibung von Millionen und Abermillionen von Menschen, mit einer tiefen und schier unüberbrückbaren Spaltung in Arm und Reich – heutzutage nicht weniger himmelschreiend als zu Zeiten des mittelalterlichen Feudalismus´ –, nicht zuletzt mit der totalen und globalen Zerstörung unseres Planeten).

      Dieses kapitalistische System, das nach und nach und peu à peu den Feudalismus ablöste, fußt auf der uneingeschränkten Akkumulation von Geldmitteln, die in den Handelshäusern und Banken (resp. Äquivalenten zu dem, was wir heute als Bank bezeichnen) und namentlich in Venedig und Genua, in Augsburg (mit den Fuggern), später in Amsterdam (mit der ersten Gründung einer Aktiengesellschaft 1602) ihren Anfang nahm.

      Auch gilt festzuhalten, dass die Renaissance durchaus mit einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse breiter Bevölkerungskreise verbunden war und wie kaum eine andere durch apokalyptische Endzeiterwartungen geprägt wurde; umherziehende Prediger verkündeten das Ende der Welt, die Angst vor der Hölle erfasste die Menschen geradezu endemisch. „Die Inquisition weitet sich im 16. Jahrhundert massiv aus, Hexenverfolgungen, die im Mittelalter eine eher geringe Rolle spielten, erreichen ihre Höhepunkte in der Zeit von 1550 bis 1700, die Folter sowie extrem brutale Hinrichtungsarten werden systematisch und im großen Maßstab angewendet, vor allem, um gegen dissidente Bewegungen vorzugehen.

      Bereits seit dem 14. Jhd. steckte das Feudalsystem in einer schweren Krise; diese war in erheblichem Maße auf das Ende der mittelalterlichen Warmzeit, auf massive Kälteeinbrüche und damit verbundene Ernteausfälle und Hungersnöte zurückzuführen. „Ganze Landstriche waren ... entvölkert; die Feudalherren hatten nach wie vor Land, aber kaum noch Menschen, um dieses zu bearbeiten.“

      Zudem erstarkten im 14. Jhd. (von Bauern und Handwerkern getragene) soziale Bewegungen, die sich gegen Ausbeutung und Gewalt zur Wehr setzten; die Ursprünge dieser gesellschaftlichen Strömung reichten zurück bis zu den sog. „Armutsbewegungen“ des (12. und) 13. Jhd., die sich auf Franz von Assisi beriefen. In dieser Krise des Feudalismus´ im 14. Jhd. gab es eine Reihe von Aufständen, in denen Bauern und Handwerker und ebenso religiös wie säkular motivierte Sektierer gegen die kirchliche und weltliche Obrigkeit aufbegehrten. Als Bundschuh-Bewegung (so genannt nach dem traditionellen, mit einem langen Riemen gebundenen Schuhwerk der einfachen Landbevölkerung) bezeichnet man die Bauernaufstände um 1500 (1493-1517) in Südwestdeutschland (unter Führung von Joß Fritz); sie gilt gemeinhin als Vorläuferbewegung der Bauernkriege von 1524-1526.

      „Ungefähr fünfzig Jahre nach der Unterdrückung der hussitischen Bewegung zeigten sich die ersten Symptome des aufkeimenden revolutionären Geistes unter den deutschen Bauern. Im Bistum Würzburg, einem durch die Hussitenkriege, ´durch schlechte Regierung, durch vielfältige Steuern, Abgaben, Fehde, Feindschaft, Krieg, Brand, Mord, Gefängnis

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