Benoni. Hermann Moser
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HERMANN MOSER
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BENONI
© 2020 Hermann Moser
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: | 978-3-347-15355-4 |
Hardcover: | 978-3-347-15356-1 |
e-Book: | 978-3-347-15357-8 |
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Mephistos Höllenrufe
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Phönix-Schwingen
Donnerstag, 9. November 1989
Wie sieht ein Mann aus, der in Kürze Geschichte macht? Müde. Lustlos. In Ost-Berlin hielt Günter Schabowski, Sekretär des ZK der SED für Informationswesen, eine Pressekonferenz. Seit beinahe einer Stunde quälte er sich vor einem blassgrünen Vorhang durch seine Phrasen. Gähnen im Publikum. „… Und deshalb … äh … haben wir uns dazu entschlossen, heute … äh … eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht … äh …, über Grenzübergangspunkte der DDR … äh … auszureisen.“
Damit hatte nach einer langweiligen Stunde niemand mehr gerechnet. Hatte er gerade die Öffnung der Grenze versprochen? Der Berliner Mauer? Das konnte nicht stimmen.
Im Saal machte sich Unruhe breit. Schabowski wurde nervös. Er versuchte, die Kontrolle über sich selbst und die Veranstaltung zu behalten, und stotterte sich durch verschiedene Passagen aus dem dicken Zettelstoß vor sich. Niemand kannte sich aus, am allerwenigsten Schabowski.
Ein Journalist stellte die wichtigste Frage. „Wann tritt das in Kraft?“ Schabowski blätterte wieder. „Das tritt nach meiner Kenntnis … äh … ist das sofort, unverzüglich …“ Weiteres Blättern. Er fand noch einen Text zum Vorlesen. Die Journalisten begannen zu raunen. „Sie haben nur BRD gesagt, gilt das auch für West-Berlin?“
Das Stammeln des Informationssekretärs wurde immer unverständlicher.
Noch einmal die Frage nach Berlin. Schabowski sah aus, als ob er sich am liebsten hinter einer Mauer verstecken würde. „Also …“ Er suchte verzweifelt nach einer Information in seinem Zettelstoß. „… doch, doch.“ Er las vor. „Die ständige Ausreise kann über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise zu Berlin-West erfolgen.“
Die Unruhe wurde nur noch vom Unglauben der Journalisten im Zaum gehalten. Schabowski verlor völlig den Faden. Die ersten Journalisten machten sich auf den Weg, um die spektakuläre Meldung weiter zu geben. Andere versuchten noch, die Nachricht zu begreifen.
Seit Monaten zog eine Flüchtlingswelle durch Europa, aus der Deutschen Demokratischen Republik über die Tschechoslowakei, Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland. Die Angst reiste mit. Niemand wusste, wo der Einfluss des allmächtigen und allwissenden Ministeriums für Staatssicherheit endete. War der Nachbar ein Spitzel? Diese Frage hatte die Menschen ihr Leben lang begleitet und sie ließ sie auch auf der Flucht nicht allein. Manche tauchten unter.
Während Günther Schabowski mit einer tollpatschigen Pressekonferenz in Berlin die Mauer zum Einsturz brachte, erblickte in einer geheimen Flüchtlingsunterkunft in Wien ein Kind das düstere Licht des Kellers. Stephanie Kleindienst, Flüchtlingshelferin und Krankenschwester, legte den schreienden Neugeborenen seiner Mutter in die Arme. Die nahm ihn etwas ungeschickt. „Niemand darf erfahren, wo das Kind herkommt. Sonst wird es mächtige Feinde haben“, flüsterte sie zu der Helferin.
Eine halbe Stunde später schlich Stephanie Kleindienst mit dem Baby durch die Gänge im Keller des Krankenhauses Rudolfstiftung in Wien. In der Nacht befand sich hier niemand. Nur die Notbeleuchtung war eingeschaltet. Als Krankenschwester kannte sie sich in den Räumen auch bei düsterem Licht aus. Sie ging in das Bettwäschelager und gab mehrere Polster in einen Wäschewagen. Kleindienst bettete das schreiende Baby auf die Polster. Nun musste sie schleunigst ihren Dienst beginnen und hetzte in ihre Station.
Ihre Kollegin Olivia Pasch erwartete sie zornig. „Da bist du ja endlich! Drei Stunden Verspätung! Wo warst du? Warum hast du dich nicht gemeldet?“
„Entschuldigung! Ich bin aufgehalten worden. Ist die Oberschwester sehr böse?“
„Unsere Chefin hat sich freigenommen, weil sie aus Ostdeutschland kommt. Sie ist wahrscheinlich schon auf dem Weg nach Berlin, um die Maueröffnung zu feiern. Ich habe allein Dienst schieben müssen. Was war bei dir los? Hast du dich wieder um deine Flüchtlinge gekümmert?“
„Nein, ich musste zu meiner Mutter. Sie ist krank.“
„Hier auf der Station sind 30 Menschen krank. Ich bin von einer Glocke zur nächsten gehetzt“, murrte Pasch.
„Entschuldige bitte! Wenn du willst, kannst du früher gehen. Die Oberschwester wird es heute wohl nicht merken. Mir fällt gerade ein, dass ich bei meiner letzten Schicht zum Holen der Bettwäsche eingeteilt war. Ich habe es vergessen, hoffentlich hat es noch niemand bemerkt. Ich gehe sie schnell holen.“
Kleindienst wartete nicht auf eine Antwort und lief zum Aufzug. Kaum war sie weg, läutete die nächste Glocke. Eine Viertelstunde musste Pasch sich wieder allein um die Patienten kümmern, bis sie einen Anruf aus der Säuglingsstation bekam. Am Telefon war Stephanie Kleindienst und erzählte ihr, dass sie in der Wäschekammer einen Neugeborenen entdeckt hatte.
In der Säuglingsstation herrschte Hochbetrieb. Das Gerücht über ein Findelkind war schneller als ein Notarzt durch das Krankenhaus geeilt. Ein Kinderarzt untersuchte das Baby. „Der Bub ist vor wenigen Stunden zur Welt gekommen“, diagnostizierte der Doktor. „Es war jemand mit medizinischen Kenntnissen dabei, die Abnabelung ist professionell durchgeführt worden. Er ist kerngesund. Was soll ich für einen Namen in das Formular eintragen? Die Behörde folgt bei der Namensgebung von Findelkindern gerne den Vorschlägen des Finders. Stephanie, wie soll der Bub heißen?“
„An diesem Tag unbedingt Friedrich, und Michael nach dem Mann, der diese Entwicklung ermöglicht hat.“
„Und der Nachname?“
„Nennen wir ihn Einheit.“
„Friedrich Michael Einheit. Stephanie, willst du ihn nehmen? Er braucht jetzt menschliche Wärme. Morgen früh informieren wir das Jugendamt.“
„Hallo Friedrich! Was hast du für einen holprigen Start ins Leben gemacht?