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„Kind des Glücks“. Warum musste er ein Ben-Oni sein?

      Ein Blick auf die Schachuhr brachte ihn zurück ins Geschehen. Die Stellung war katastrophal. Er hatte einen Läufer weniger und Pichler drängte nach vorne. Eigentlich sollte er aufgeben.

      Gab es da nicht doch einen Weg? Friedrichs Gedanken flogen weiter zur Jahrhundertpartie Donald Byrne gegen Bobby Fischer. Mit einigen spektakulären Opfern, als Höhepunkt die Dame, hatte der dreizehnjährige Fischer das Spiel umgedreht und den erfahrenen Meister geschlagen.

      Friedrich dachte an seinen Sohn Benjamin, das Kind des Glücks. Jetzt sah er es genau. Er musste nicht den Vormarsch der Gegnerin stoppen, sondern sie in die Falle locken, und zwar möglichst schnell!

      Das erste Springeropfer sah noch harmlos aus, wie ein Fehler unter Zeitdruck. Pichler nahm an. Friedrich schickte einen Turm an die ungedeckte Front. Raunen im Publikum. Pichlers Dame verließ ihre Verteidigungsstellung, um das Geschenk anzunehmen. Nun hatte Friedrichs Königin den großen Auftritt und zog heldenhaft in die Schlagrichtung eines Läufers. Pichler wurde angesichts des Vorsprungs leichtsinnig. Sie liebte es, wenn sie den Gegner demütigen konnte. Der Läufer schlug zu.

      Pichler ging weiter nach vorne, aber ihr König stand nun ziemlich allein. Friedrich schlug zu und musste seinen Regenten entblößen. Doch er fuhr tief in die Reihen seiner Gegnerin und das mit atemberaubendem Tempo. Nun musste Pichler opfern, da sich eine Mattchance für Friedrich abzeichnete. Benoni führte oft zu heftigen Kämpfen auf dem Damenflügel.

      Es war ein unscheinbarer Bauer aus Friedrichs Armee, dem sich nun eine freie Bahn zur Beförderung öffnete. Pichler konnte nichts dagegen tun. Die kleinste Figur wurde zur größten.

      Pichler gab grundsätzlich nie auf. Nun versuchte sie verzweifelte Opfer im Stile ihres Gegners. Dafür hatte sie zu wenig Figuren. Am Ende war Pichlers König so allein, dass Friedrich sie mit einem Grundlinienmatt, wie es jeder Anfänger als erstes lernt, an die Wand spielte.

      Montag, 13. November 2017

      Nyoko und Christian kamen sehr spät ins Büro. Sie hatte am Vortag ein Turnier der japanischen Schachvariante Shogi in München gewonnen. Nach der Siegerehrung waren sie erst in den frühen Morgenstunden zurückgekommen. Das Büro war mit noch mehr Aktenordnern und Asservatenkartons vollgeräumt als in der vergangenen Woche.

      Klaus nahm einen Beutel mit einem Reiseschach aus einer Schachtel. „Guten Morgen! Dein Strahlen sagt alles. Du bist eine Siegerin.“

      „Hallo! Stimmt. Ich habe gewonnen und auch Friedrich ist der Sieger seiner Vereinsmeisterschaft. Warum sieht es hier aus wie bei einer Umsiedlung der Buchhaltung des Innenministeriums? Gibt es neue Erkenntnisse?“

      „Das kann man wohl sagen. Die DNA hat tatsächlich ein Ergebnis geliefert.“

      Paul schaltete den großen Bildschirm ein und zeigte ein Foto. Nyoko ging zum Monitor. „Das ist doch Garri Kasparow? Was hat die Schachlegende mit Friedrich zu tun?“

      „Alle schauen immer nur auf die großen Meister, wobei ich das zumindest bei dir verstehen kann. In diesem Fall solltest du die Aufmerksamkeit auf den blassen Herrn neben dem Weltmeister richten. Der hatte an diesem Tag seine große Stunde und den damals beinahe Unbesiegbaren geschlagen.“

      Nyoko betrachtete das Bild. „Diese Augen! Genau wie bei Friedrich. Willst du sagen, dass …“

      „Genau! Darf ich vorstellen? Frank Pottersfeld, der Großvater deines Enkels.“

      „Jetzt muss ich mich setzen.“ Sie setzte die Ankündigung um und schüttelte den Kopf. „Und ich wollte Christian den Unsinn mit der DNA-Probe für einen 28 Jahre alten Fall ausreden.“ Der Ehemann grinste breiter als seine Frau am Vortag bei der Siegerehrung. Sie schloss die Augen. „Erzählt mir von ihm.“

      Paul zeigte die Wikipedia-Seite zu Frank Pottersfeld auf dem Bildschirm. „1964. Geboren in Leipzig. Bibliotheksfacharbeiter. Schachspieler. Beste Weltranglistenposition 67. 1989 Kasparow-Sieg. Lebensgefährtin Irene Kupfer. Schwanger. Turnier in Wien. Tot.“ Paul war im vergangenen Jahr in den Kopf geschossen worden und die Ärzte hatten bei der Notoperation auch noch einen Tumor entdeckt. Seither war er wegen spastischer Lähmungen an den Rollstuhl gefesselt und das Sprachzentrum ließ nur noch Satzfragmente heraus. Sein Talent auf dem Computer blieb aber unbeeinträchtigt und er konnte mit einem Sonderstatus als im Dienst verletzter Polizist weiter bei den Keystone Cops arbeiten.

      Johann stellte sich zu den Ordnern. „Frank Pottersfeld hat im November 1989 ein Turnier in Wien gespielt und war auffallend nervös. Dann haben sich Krankheitssymptome eingestellt und er ist während einer Partie kollabiert. Aus dem Koma ist er nicht mehr erwacht und ein paar Tage danach im AKH gestorben. Es hat keinen endgültigen Befund gegeben, der Arzt im Krankenhaus hat den Verdacht auf ein unbekanntes Gift angegeben. Der Pathologe hat auch nichts gefunden. Pottersfelds Lebensgefährtin Irene Kupfer, offensichtlich Friedrichs Mutter, war auch in Wien und ist nach dem Kollaps von Pottersfeld spurlos verschwunden. Sie war damals im neunten Monat.“

      Nyoko streckte den Daumen nach oben. „Männer! Souverän gelöst! Wir kennen Friedrichs Eltern. Schon haben wir einen neuen Fall. Ich will Pottersfelds Mörder fassen! Zu Kupfer stelle ich folgende These auf: Das Paar wird bedroht. Er wird vergiftet und sie taucht unter. Sie bringt das Kind zur Welt und gibt es weg, weil sie Angst vor dem Mörder hat und Friedrich schützen will. Was ist danach passiert? Entweder ist sie gefunden und auch ermordet worden, oder sie lebt irgendwo mit einer neuen Identität und traut sich noch immer nicht aus der Deckung. Was für furchterregende Feinde müssen das heute noch sein? Noch eins: Ernst hat es geahnt, als Christian Schach erwähnt hat. Der Kerl hat nichts gesagt. Ich muss meinen Vorgesetzten besser erziehen.“

      Nicht ahnend, dass Nyoko gerade plante, ihm die Leviten zu lesen, betrat Ernst Stockhammer den Raum. Der Oberst war sichtlich verärgert. „Nyoko! Wir haben ein Problem. Seit ich dich zu meiner Stellvertreterin ernannt habe, obwohl du die jüngste und rangniedrigste meiner Abteilungsleiter bist, wird permanent intrigiert. Neid, Eifersucht und Unverständnis über mein Konzept, euch Narrenfreiheit zu geben, treiben immer neue Blüten. Sie beschweren sich sogar, dass du deinen Mann immer so verliebt anschaust. Die DNA-Analyse für eine private Ermittlung hat sich herumgesprochen. Jetzt wird scharf geschossen. Am liebsten würde ich alle zu einem Karate-Training mit dir verdonnern. Ich brauche dringend etwas, um die DNA zu rechtfertigen, bitte gebt mir irgendetwas.“ Er blickte um sich. „Wie sieht es denn hier aus? Ihr ermittelt den zweiten Arbeitstag eine uralte Kindesweglegung und schon ist euer Büro voll mit Akten und Beweismitteln. Findet ihr wieder einmal Zusammenhänge, die sonst keiner sieht?“

      Erst jetzt sah er das Bild auf dem großen Bildschirm und starrte es mit offenem Mund an. „Also doch. Pottersfeld. Ist er der Vater?“

      Der Oberst setzte sich auf die Besprechungscouch. „Nyoko, schau mich nicht so streng an. Der Gedanke an Pottersfeld ist mir schon am Freitag gekommen. Ich wollte aber sichergehen und euch nicht umsonst Flausen mit der alten Geschichte in den Kopf setzen. Ihr gebt dann ja keine Ruhe, bis ihr es gelöst habt, egal was sonst noch ansteht. Mit der DNA sollte sich das klären. Ich muss wohl nicht nachdenken, ob ich euch den Auftrag für die Wiederaufnahme des Falles gebe. Das sind noch mehr Akten, als ich erwartet hätte.“

      „Wir haben nicht nur Pottersfeld ausfindig gemacht. Die Krankenschwester, die Friedrich gefunden hat, war wahrscheinlich nicht nur Finderin, sondern an der Kindesweglegung beteiligt. Sie ist ein paar Wochen später ermordet worden. Dieser Fall ist auch ungeklärt.“

      „Denkt ihr, dass das alles zusammenhängt? Ihr beginnt bei einer Geburt und findet zwei Morde.“

      Nun

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