Benoni. Hermann Moser
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Friedrich betrachtete das Bild. „Das war das Hotelzimmer meines Vaters? Es ist ein eigenartiges Gefühl, das so zu sehen.“ Er nahm ein Blatt Papier, zeichnete ein Schachbrett, übertrug die eindeutig sichtbaren Figuren und setzte die Restlichen mit seinem Schachwissen ein. „Ja, das ist eindeutig eine Benoni-Stellung. Ich habe mir in der Nacht noch alle Partien angeschaut, die ich von meinem Vater in den Datenbanken finden konnte. Er hat nie Benoni gespielt. Es ist seltsam, dass er mit einem so exotischen Buch in das Thema eingestiegen ist.“
Nyoko hatte sich in der Zwischenzeit eine Jacke angezogen. „Christian, ich nehme an, du willst mit deinen weltweiten Freunden telefonieren, um ein Exemplar dieses Buches aufzutreiben. Langsam werde ich auch neugierig darauf. Kannst du das mit einem Kind auf dem Schoß machen?“
Er nickte nur und beschäftigte sich weiter mit dem Buben. Nyoko lächelte zufrieden. „Ich fahre jetzt in die Rudolfstiftung zu Schwester Olivia Pasch, die in der Nacht Dienst mit der Entdeckerin von Friedrich hatte.“
Im Krankenhaus stellte Nyoko fest, dass Paul eine gute Animation erstellt hatte. Sie fand sich im Keller zurecht, als ob sie schon einmal hier gewesen wäre, und sah vor sich, wie sich die Menschen zum Zeitpunkt der Kindesweglegung bewegt hatten.
Olivia Pasch zeigte ihr das Wäschelager. „Hier ist Friedrich gut gebettet in einem Wäschewagen gelegen. Das Kind hatte Glück, dass Stephanie in der Nacht heruntergekommen ist. Gegen 23 Uhr ist der sonst sehr gewissenhaften Kollegin plötzlich eingefallen, dass sie das Wäscheholen in ihrem letzten Dienst vergessen hatte. Ihr Engagement für die Flüchtlinge hat sie wahrscheinlich zu sehr abgelenkt.“
Nyoko wurde hellhörig. „Sie war karitativ tätig?“
„Immer! In jenen Tagen ist die deutsch-deutsche Flüchtlingswelle durch Österreich gezogen. Stephanie war bei sozialen Aktionen stets mit Begeisterung dabei. Man hat sogar gemunkelt, dass sie einigen geholfen hat, die aus Angst vor der Stasi untergetaucht sind. Einige haben die lebenslange Furcht vor dem totalen Überwachungsstaat nicht an der Grenze ablegen können.“
Nun wusste Nyoko, dass sie auf einer wichtigen Spur war. „Dann war der Mauerfall sicher eine Sensation für Frau Kleindienst. Die Ereignisse haben sich während ihres Dienstes überschlagen. War sie da nicht sehr abgelenkt? In den Krankenzimmern gibt es Fernseher und ich denke, dass alle nur eines verfolgt haben.“
„Ja … sie hat … ähm … also …“, stotterte Pasch.
„Sie ist nicht um 20 Uhr zum Dienst gekommen, oder?“, fragte Nyoko vorsichtig.
Pasch dachte kurz nach.
Nyoko war zufrieden. „Es geht hier nicht darum, ob sie mit ihrer Aussage damals eine Kollegin vor Schwierigkeiten bewahren wollten. Wir haben die Identität der Eltern bereits herausgefunden. Der Vater ist ermordet worden, die Mutter spurlos verschwunden, beide stammten aus der DDR. Kurz darauf hat man auch Stephanie Kleindienst erschossen, die DDR-Flüchtlingen geholfen hatte. Wahrscheinlich hängt das alles zusammen. Es gibt auch Hinweise auf mehrere Morde ein paar Jahre später. Die Täter treiben noch immer ihr Unwesen.“
„Aber … Stephanie ist doch bei einem Banküberfall getötet worden.“
„Der war vermutlich inszeniert, um das wahre Motiv für ihre Tötung zu verschleiern. Das sind eiskalte Profis, die wir stoppen müssen. Daher brauche ich Ihre ehrliche Aussage. Wann hat Frau Kleindienst tatsächlich ihren Dienst angetreten? Diese Information bleibt rein informell, ohne Protokoll.“
„Na gut, sie war zu spät. Als sie gekommen ist, hat sie sich sofort an die Bettwäsche erinnert und ist ins Lager gegangen.“
„Danke für Ihre Offenheit. Sie hat also wahrscheinlich das Kind abgelegt und danach ihren Dienst begonnen, um es sofort zu finden. Das hilft uns sehr weiter. Kennen Sie jemanden, der Frau Kleindienst bei ihrem sozialen Engagement geholfen hat?“
„Nein, sie hat diese Dinge immer strikt von der Arbeit getrennt. Niemand von uns hatte privat Kontakt zu ihr.“
Christian beherrschte 25 Sprachen und telefonierte oft mit seinen Freunden in zahlreichen Ländern. Bei seinen Weltreisen besuchte er gerne Polizeistationen und unterhielt daher ein größeres Kollegennetzwerk als Interpol. Das hatte bei internationalen Ermittlungen schon manchen Amtsweg abgekürzt. Diesmal suchte er keinen Verbrecher, sondern ein Schachbuch. Das Original stammte aus Israel und es war in Iwrit, dem modernen Hebräisch, geschrieben. Eine Mitarbeiterin des Verlages in Tel Aviv erzählte ihm, dass längst alle Exemplare eingestampft worden waren. Der Autor war vor einigen Jahren bei einem Unfall gestorben. Es gab aber auch eine deutsche Übersetzung. Christian versuchte mehrmals, den Verlag in Hamburg zu erreichen, allerdings ohne Erfolg. Er rätselte, ob das Personal des Buchhauses womöglich nur aus einem Anrufbeantworter bestand. Seine Ungeduld wurde von Benjamin abgelenkt, der gegen das Telefon um Aufmerksamkeit kämpfte. Nach den Verlagen rief Christian Freunde an. Er hoffte, dass irgendwo in der Diaspora ein Exemplar des hebräischen Buches aufzufinden war. Benjamin verfolgte den Klang von Christians linguistischem Talent und lachte bei jeder neuen Sprache. Melodisches Französisch, temperamentvolles Italienisch, brummendes Russisch. Der Bub bemerkte nicht, dass Christian arbeitete. Der Keystone Cop glitt tatsächlich manchmal ins Privatvergnügen ab. Ein Anruf in Namibia war wohl keine fokussierte Strategie für die Suche nach einem hebräischen Schachbuch. Aber Benjamin hatte großen Spaß mit den Versuchen, die Klick-Laute des Khoekhoegowab zu imitieren. Christian wollte gerade von seiner Aufgabe noch weiter abschweifen und einen Inuit anrufen, um Benjamin die eskimoaleutische Sprache näherzubringen, als sein Telefon läutete und eine Nummer aus Hamburg anzeigte. Es meldete sich eine Mitarbeiterin des Verlages, in dem die deutsche Übersetzung erschienen war. Christian stellte sich vor. Die Frau lachte etwas verwundert. „Ein Anruf der österreichischen Kriminalpolizei ist bei uns etwas sehr Exotisches. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ich bin auf der Suche nach dem Schachbuch ‚Benoni – Schlachten auf dem Damenflügel‘, das in den Achtzigerjahren in Ihrem Verlag erschien. Besitzen Sie eventuell noch ein Exemplar, das Sie mir schicken könnten?“
Sie lachte. „Das haben wir schon vor langer Zeit makuliert. Es war einer der größten Flops unseres Hauses.“
„Das ist schade. Sie scheinen sich sehr lebhaft daran zu erinnern. War es so ein spektakulärer Ladenhüter?“
„Nein, das Bemerkenswerteste an diesem Buch waren die Diskussionen mit den ostdeutschen Behörden.“
Christian fühlte sich wie nach der Infusion von drei Tassen Mokka. „Sie mussten sich mit der DDR plagen? Was war das Problem?“
„Sie haben uns keine Einfuhrgenehmigung erteilt.“
„Das Buch war in der DDR verboten?“
„Nicht direkt verboten, aber auch nicht erlaubt. Sie haben unseren Antrag ewig liegen gelassen. Als wir nachfragten, mussten wir ein neues Formular ausfüllen. Das kam zurück mit einer langen Liste von Ergänzungsforderungen. Als wir die beisammenhatten, wurden wir an ein anderes Amt verwiesen. Das war aber auch nicht zuständig und wir landeten wieder beim Ersten, das wieder monatelang nicht reagierte. In der Zwischenzeit haben wir festgestellt, dass sich sowieso niemand für das Buch interessierte und die Bemühungen aufgegeben. Man kann Bürokratie sehr effizient einsetzen, um etwas zu verhindern. Aber können Sie mir sagen, was in diesem Buch damals die