Benoni. Hermann Moser
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Christian mochte es gar nicht, davon zu sprechen. Es erinnerte ihn zu sehr an die geistige Erkrankung seines Vaters. „Es ist wie ein Schachspiel. Jede Figur hat Einfluss auf alle anderen, die eigenen und jene des Gegners. Selbst ein geschlagener Spielstein wirkt durch seine Abwesenheit auf das ganze Feld. Das ist natürlich zu fantastisch, um die gesamte Ermittlung darauf aufzubauen, aber wir sollten zusammenarbeiten. Haltet uns bitte auf dem Laufenden, vor allem wenn ihr neue Zusammenhänge mit Schach, der DDR oder abgetrennten Körperteilen findet. Wir berichten euch, falls uns der Pottersfeld-Fall in eure Richtung führt. Kito wohnt vorerst bei uns. Ich teile es euch natürlich sofort mit, wenn er etwas über die Morde sagt.“
Unterberger nickte. „Ich schlage vor, dass wir Edi als Verbindungsglied einsetzen. Sie könnte in beiden Gruppen mitarbeiten und so deine geheimen Kräfte schnell erkennen. Es wäre auch eine Chance für eine junge Kollegin, zu sehen, wie die Keystone Cops ermitteln.“
Edis Freude hielt sich in Grenzen. „Du liebe Güte, jetzt soll ich neben den Schlaftabletten auch noch bei den Halluzinogenen arbeiten.“
Christian stimmte zu. Nach der Besprechung unterhielt er sich noch allein mit August Unterberger. „Gib es zu, du willst ein paar Stunden Ruhe von der Nervensäge haben.“
„Wäre das schlimm?“
„Ich verstehe dich. Sie ist etwas forsch im Umgangston, scheint aber talentiert zu sein. Bei uns ist Johann für die Einführung neuer Kollegen zuständig. Mit feurigen Temperamenten kennt er sich aus, er hat das sogar bei Nyoko hinbekommen. Edi und Nyoko, das wird ein Spaß. Wir werden Wasserwerfer brauchen.“
Donnerstag, 16. November 2017
Wenn Staatsanwalt Gilbert Brell einen Raum betrat, bekamen die Anwesenden das Gefühl, sich auf einer Zeitreise zu befinden. Der Mann trug seinen buschigen Bart wie Kaiser Franz Josef am Kinn rasiert und kleidete sich stets in einer Wiener Tracht. Er begrüßte Nyoko mit einem Handkuss. „Guten Tag, meine Damen und Herren! Edith? Was machst du denn hier?“
„Hallo Papa! Ich helfe den Kollegen, ein Rätsel zu lösen, das fast so alt ist wie dein Look. Es gibt geheime Anziehungskräfte zu einem Fall von unserer Gruppe, die man nur versteht, wenn man einmal beim CERN gearbeitet hat. Daher laufen wir im Kreis wie dort die Elementarteilchen, und Nyoko versucht, uns auf dieselbe Geschwindigkeit zu beschleunigen.“
„Es ist eine große Ehre, mit diesen erfahrenen Kollegen zusammenzuarbeiten. Ich bin sehr stolz. Versprich mir, dass du dich gut benimmst.“
„Gott, Gütiger! Ich bin 28!“
Brell wandte sich zu Nyoko. „Frau Leutnant, ich habe gehört, dass Sie den Mörder von Herrn Pottersfeld mit einem Schachbuch suchen. Gibt es schon einen Bericht zu diesem Vorgang?“
„Wir konzentrieren uns nicht nur auf das Buch. Es gibt mehrere Fälle, die zusammenhängen könnten. Wenn das stimmt, ergibt die Kombination sicher neue Erkenntnisse. Christian schreibt gerne einen Vorhabensbericht.“
„Herzlichen Dank! Bitte schicken Sie ihn auf Papier. Meine Sekretärin mokiert sich immer, wenn sie alles ausdrucken muss.“
„Selbstverständlich. Bitte nehmen Sie Platz! Sie sind jederzeit ein gern gesehener Gast bei unseren Besprechungen. Leute, wir müssen mehr über Pottersfeld erfahren! Vorschläge!“
Johann meldete sich als Erster. „Ich kann etwas einbringen, das sonst Christians Spezialität ist, nämlich einen Kontakt im Ausland. Ich habe mich beim Polizeimusikfest mit dem Kapellmeister aus Pottersfelds Wohnort Leipzig angefreundet.“
„Sehr gut! Du fährst mit Christian auf eine Dienstreise. Ihr werdet auch das Stasi-Archiv in Berlin besuchen.“
Edi griff sich an den Kopf. „Wenn das so weitergeht, werden wir bald auf dem Mond ermitteln.“
Nyoko schlug mit der Faust auf den Tisch. „Edi! Ich dulde hier nur sachdienliche Witze! Das Teenie-Gemaule bringt uns nicht weiter!“
„Du musst mich nicht gleich anpflaumen!“ Edi lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
Staatsanwalt Brell schämte sich für seine Tochter und versuchte, vom Streit abzulenken. „Wie geht es dem afrikanischen Jungen?“
Nyoko entspannte sich. „Er gewöhnt sich an unsere Familie, aber er ist noch immer sehr still und beschäftigt sich mit seinen Bausteinen. In der Nacht hat er oft geweint.“
„Das arme Kind. Ich sitze im Rat eines Kinderheimes und kann einen Platz für ihn organisieren. Es ist eine schöne Einrichtung und die Angestellten sind sehr engagiert. Eine solide christliche Erziehung würde dem Kind sicher guttun.“
„Das ist ein nettes Angebot, aber er beginnt sich gerade wohlzufühlen. Wir wollen ihn nicht schon wieder aus seiner Umgebung reißen.“
„Da haben Sie wohl recht. Herr Abteilungsinspektor Humer, ich habe gehört, dass Sie das Kartenspiel pflegen. Ein Mitglied meiner Tarock-Runde ist leider erkrankt. Würden Sie uns die Ehre erweisen und einspringen?“
„Papa, Christian ist Zauberkünstler. Du darfst dich nicht wundern, wenn er statt der Karten plötzlich Schachfiguren in der Hand hält.“
Am späten Nachmittag traf neuer Besuch bei den Keystone Cops ein. Johann sah mit erstauntem Gesicht seine sechzehnjährige Tochter an. „Hast du schon wieder eine neue Frisur? Kaum wachsen an der einen Stelle die Haare nach, scherst du eine andere. Du rasierst dich inzwischen öfter als ich.“
Johanna, allgemein Jo genannt, drehte sich einmal wie ein Model. „Spiel nicht den Spießer. Ich weiß genau, dass du lockerer bist.“
Ihre Freundin Elisabeth „El“ Eselsböck war etwas beständiger. Sie trug schon seit Monaten den gleichen Irokesen.
Nyoko kam von einer Abteilungsleiter-Besprechung zurück und freute sich nach der langweiligen Sitzung über die etwas lebendigeren Gesprächspartner. „Hallo, ihr beiden! Wollt ihr meinen Stellvertreter entführen?“
„Wir fahren in ein Musikgeschäft, um neue Saiten zu kaufen.“
„Habt ihr wieder einmal zu wild gespielt?“
„Nein. ‚Jo-El‘ ist Geschichte. In der Punk-Musik haben wir alle Akkorde durch. Die Strings sind für meine Geige und Els Cello. Wir gründen ein Streichquartett, in dem uns kein Erwachsener reinreden darf. Als Erstes machen wir ein Beethoven-Programm.“
„Das ist aber keine typische Jugendmusik“, staunte Nyoko.
Jo verdrehte die Augen. „Ich habe ein etwas entspannteres Verhältnis zum alten Ludwig. Alle Menschen hören von Kindheit an, was er für ein Genie war. Ich habe von ihm zuerst erfahren, dass er gerne Wein getrunken hat. So ist er schon cooler.“
Edi wunderte sich. „Wieso beschäftigt sich ein Kind mit Beethovens Saufgelagen?“
„Wir sind eine uralte Weinbaufamilie und angeblich hat Ludwig van Beethoven einmal unseren Heurigen besucht. Es gibt heute noch eine Plakette auf dem Platz, wo er gesessen sein soll. Aber seit der Betrieb geschlossen ist und wir den Klassiker nicht mehr zur Vermarktung brauchen, glaubt keiner mehr dran.“
Freitag, 17. November 2017
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