Benoni. Hermann Moser

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Benoni - Hermann Moser

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ob nicht doch ein Exemplar in Ihrem Keller verstaubt?“

      Während sich Christian verabschiedete, kam Nyoko aus dem Krankenhaus Rudolfstiftung zurück und nahm Christian den Buben ab. „Hallo! Das muss ein interessantes Telefonat gewesen sein. Du siehst aus wie eine Eule, die zum ersten Mal ein Flugzeug sieht.“

      „Und das ist gleich ein Jumbojet. Eine Verlagsmitarbeiterin aus Hamburg erzählte mir eben, dass die DDR-Behörden dem Benoni-Buch die Einfuhr verweigerten. Warum verbietet ein Staat ein Schachbuch?“

      „Du wirst mit deiner hartnäckigen Vorliebe für Skurriles doch nicht schon wieder die richtige Nase bewiesen haben?“

      Nyoko wurde von Christians Telefon unterbrochen. Er wechselte ein paar Sätze mit dem Anrufer und schrieb sich eine Adresse auf. „Ich komme sofort. Bis gleich!“

      Christian holte seine Waffe aus dem Schrank und hängte sich das Schulterholster um. Während er sein Leinensakko anzog, berichtete er Nyoko. „August Unterberger vom LKA hat mich angerufen und um Assistenz gebeten.“

      „Worum geht es? Kinder oder Exoten?“

      „Beides. Ein afrikanisches Ehepaar wurde in der Herbeckstraße ermordet. Das vierjährige Kind klammert sich jetzt an seine tote Mutter und lässt sich nicht von ihr trennen. Wahrscheinlich musste der Junge den Mord an seinen Eltern mitansehen.“

      „Du liebe Güte! Der Multilinguist und Spezialist für Kinderbefragungen in Personalunion. Man könnte fast glauben, der Mörder will unbedingt dich als Ermittler.“

      „Na klar! Die Stasi fand heraus, dass ich das Schachbuch suche, und lockt mich zu einem afrikanischen Tatort. Wenn jetzt auch noch ein J’arrive-Transparent auf dem Haus hängt, schalte ich die Staatspolizei ein.“

      Während Christian in den 19. Bezirk fuhr, herrschte in der Lustoase ungewöhnlicher Hochbetrieb für diese Tageszeit. Auf dem Boden lagen viele Kabel und einige Kameras waren aufgestellt. Scheinwerfer sorgten für grelle Beleuchtung. Komparsinnen bemühten sich, nuttig auszusehen. Ein bekannter TV-Schauspieler stritt mit dem Regisseur. Der Chef des Etablissements, trotz seiner Größe von 162 Zentimetern als „Der große Karl“ bekannt, sah einen unerwarteten Besucher kommen. „Johann Sturmaier! Das ist eine nette Abwechslung zu dem Trubel hier.“

      „Servus Karl! Hast du dein Lokal wieder einmal für einen Filmdreh vermietet?“

      „Die machen einen Fernsehkrimi. Es geht um einen Polizisten, der Unterweltkontakte in einem Puff pflegt, und jetzt kommst du. Stell dir vor, die haben mir gesagt, dass meine Einrichtung nicht authentisch wirkt. So ein Fernsehküken, dessen Mutter schon bei mir gearbeitet haben könnte, will mir erklären, wie ein Bordell auszusehen hat. Ich stelle ihn dir vor. Er meint sicher, dass du nicht wie ein echter Polizist ausschaust.“

      „Dafür fehlt mir die Zeit“, murrte Johann. „Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen.“

      „Ich habe dir doch schon oft gesagt, dass ich nicht schuld bin, wenn meine Gäste außerhalb meiner Räume etwas anstellen. Das ist ein Ort der Liebe.“

      „Warum drehen sie dann hier immer nur Krimis und keine Romantik-Schmonzetten? Inzwischen wird jeder zweite heimische Fernsehkrimi bei dir gedreht. Heute suche ich bei dir ausnahmsweise keine Täter, sondern Opfer. Mir ist aufgefallen, dass bei deinen Gästen die Anzahl der Finger leicht unter dem Durchschnitt liegt. Wie kommt es dazu?“

      Karl versuchte, eine Weinflasche zu öffnen. Er rutschte mit dem Korkenzieher ab und schlug sich eine Wunde in den linken Handrücken.

      „Autsch! Verdammt! Was gehen mich die Verletzungen meiner Kunden an? Du solltest … lass es lieber.“

      „Warum bist du so nervös? Das schaut ja schlimm aus. Brauchst du ein Pflaster?“

      „Nein, danke. Das geht schon.“

      „Also? Was ist nun mit den Fingern? Sind das Betriebsunfälle aufgrund der gefährlichen Berufe deiner Gäste? Gibst du Invaliden Rabatt? Warum?“

      Karl blickte nervös um sich und sprach leise weiter. „Glaube mir, es hat keinen Sinn sich darüber Gedanken zu machen. Lass es einfach gut sein.“

      „Hast du eigentlich den Kerl gekannt, der vor zwanzig Jahren die Frau von Ernst Stockhammer ermordet hat? Er ist ein paar Tage später selbst umgebracht worden. Man hat ihm drei Finger abgeschnitten.“

      „Was willst du mit den alten Geschichten? Damals haben viele gedacht, dass das ein Polizist getan hat.“

      „Du erinnerst dich also an ihn. Waren es dieselben Leute, die auch heute noch deine Gäste verunstalten? Du solltest mir helfen, die auszuschalten.“

      „Nein, vergiss es! Da ist sicher kein Zusammenhang. Ich habe jetzt keine Zeit, die Filmleute brauchen mich.“

      Vor dem Haus in der Herbeckstraße versuchte August Unterberger erfolglos, sein Hemd rundherum in die Hose zu stecken. Als er Christian sah, ging er ihm entgegen.

      „Servus Christian! Danke, dass du sofort gekommen bist. Wir können nichts unternehmen. Der Bub hängt an seiner toten Mutter und schreit, sobald sich ihm jemand nähert. Niemand kann ihn von seinen Eltern trennen. Auch die Winkler vom Jugendamt ist hilflos.“

      „Conny ist auch da? Sehr gut, mit ihr kann man vernünftig arbeiten. Was weißt du über die Familie?“

      Unterberger nahm seinen Notizblock aus der Manteltasche. „Der Vater war Assistenzprofessor Doktor Nguvumali Suluhu, Arzt für Innere Medizin im Allgemeinen Krankenhaus, seine Frau Universitätsassistentin Doktor Diplom-Ingenieur Laryana Suluhu hat am Institut für Lebensmitteltechnologie der Universität für Bodenkultur gearbeitet.“

      Christian sah eine junge Frau auf sich zukommen, deren bunte Kleidung und die knallrote Rasta-Frisur Farbe in den grauen Herbsttag brachten.

      „Hey, bist du der Babysitter vom BKA?“, rief sie zu Christian. „Kannst du dich endlich um den Buben kümmern und nicht mit dem Alten plaudern?“

      „Was haben wir denn da für ein erfrischendes Nachwuchsexemplar?“, fragte Christian lächelnd.

      Unterberger stöhnte. „Darf ich dir Edith Brell vorstellen? Sie hat mich in den paar Monaten bei meiner Gruppe mehr Haare gekostet als alle anderen Kollegen in meinem gesamten Berufsleben. Edi, das ist Christian Humer.“

      Christian reichte ihr die Hand. „Es freut mich, dich kennenzulernen.“

      „Das freut mich auch, wenn du dich bald um das Kind kümmerst. Wir wollen arbeiten.“

      „Bist du mit dem Staatsanwalt verwandt?“

      „Was für eine Plaudertasche! Das Alt-Wiener Fossil ist mein Vater. Können wir?“

      „Das wird das Beste sein, bevor hier jemand explodiert. Die jungen Leute sind so fleißig heutzutage.“

      Christian drehte sich zum Hauseingang, Unterberger hielt ihn zurück. „Du solltest noch wissen, dass wir es hier mit dem Drogenmilieu zu tun haben.“

      Edi machte eine verächtliche Handbewegung. „Vergiss den Blödsinn! Ihr tragt die Polizeiausweise, damit ich euch nicht mit den Leichen verwechsle. Das Kokain war in der Klospülung, so etwas gibt es nur im Fernsehen. Es war frisch angebracht

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