Benoni. Hermann Moser

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Benoni - Hermann Moser

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schaut ein paar Mal nach hinten, so etwas macht nicht einmal ein mittelmäßiger Amateur. Und er hat noch einen neuen Tick. Seht ihr es? Jetzt … und noch einmal … schon wieder … er greift sich an die linke Pobacke. Wolfgang, du schaust auf deine Schachtel. Kann es sein, dass du uns jetzt etwas erzählen willst?“

      Der Gerichtsmediziner nickte anerkennend. „Nicht schlecht! Was ich euch jetzt zeige, sollte unter uns bleiben. Wenn das offiziell wird, ist meine Karriere beendet. Ich war damals Assistent in der Gerichtsmedizin. Der Institutsvorstand war ein Schreibtischmensch, der schon lange keine Obduktion durchgeführt hatte. Nur Pottersfeld wollte er selbst untersuchen und ich durfte nicht einmal dabei sein. Ich habe mich daher in der Nacht davor ins Institut geschlichen und die Leiche untersucht. Dabei habe ich in seiner Gesäßbacke das hier gefunden. Christian, du kennst dich mit Geschichte aus. Willst du uns erklären, was es ist? Du wirst die Lupe von Klaus benötigen.“

      Christian öffnete die Schachtel und betrachtete mit der Sehhilfe das Objekt, eine Kugel mit etwa einem Millimeter Durchmesser, in der sich zwei kleine Löcher gegenüberliegend befanden. „Auch das noch! Das sieht aus wie das Ding, das beim Regenschirm-Attentat verwendet wurde. 1978 tötete der bulgarische Geheimdienst einen Dissidenten, indem er ihm so eine Kugel mit Gift verabreichte. Das geschah mit einer Vorrichtung, die in einen Regenschirm eingebaut war. Der scheinbar harmlose Zusammenstoß mit einem Passanten war ein perfider Mordanschlag.“

      Klaus übernahm das Kügelchen und seine Lupe. „Wird das jetzt eine Geheimdienstverschwörungsgeschichte? Dann können wir aufhören.“

      Christian wandte sich wieder zum Bildschirm. „Das schaut auf den ersten Blick so aus, aber wenn es tatsächlich mit den anderen Fällen zusammenhängt, könnte jemand aus Wien involviert gewesen sein. Beenden wir den Exkurs und kehren zurück zu Pottersfeld. Er kommt nach Wien und kauft sich das Schachbuch ‚Benoni – Schlachten auf dem Damenflügel‘, wird hypernervös, verliert zum ersten Mal seit Längerem wieder Spiele, bekommt diese Geheimdienstkugel in den Hintern und stirbt daran. Klaus, du bist dran.“

      „Der Gerichtsmediziner hat seinen Bericht ohne Befund abgeschlossen, auch der Einstich, wo der Großvater meiner Kinder in seiner nächtlichen Aktion dieses Giftding herausgeholt hat, ist nicht dokumentiert. Es gibt natürlich die Sachen, die er bei sich getragen hat und jene aus dem Hotelzimmer. In einer Jackentasche haben die Kollegen eine Quittung über den Kauf des Schachbuches gefunden, das Christian so fasziniert. Das Buch selbst ist nicht unter den Beweismitteln. Hat er es weggeworfen, weil es so schlecht war? Oder verloren? Hängt es mit dem Fall zusammen? Wir wissen es nicht. Irene Kupfer ist einige Tage nach Pottersfeld angereist. Als sie dann untergetaucht ist, hat sie vorher noch gepackt, es waren keine Sachen von ihr im Hotelzimmer. Damit sind wir bei Nyokos Teil.“

      „Kupfer verschwindet nach dem Anschlag auf Pottersfeld. Sie bringt an einem unbekannten Ort Friedrich zur Welt. Als die Krankenschwester Stephanie Kleindienst den Buben in einem Wäschelager der Rudolfstiftung findet, ist er wenige Stunden alt. Ich gehe aufgrund des zeitlichen Ablaufs davon aus, dass sie den Buben nicht zufällig findet, sondern in die Sache verwickelt ist. Seine Babywäsche war ein westliches Fabrikat, nicht aus der DDR. Kleindienst wird wenige Wochen später als Geisel bei einem Banküberfall erschossen. Der Fall ist ungeklärt.“

      Nyoko übergab mit einem Augenzwinkern an Klaus. „Es waren zwei Schüsse, zuerst ein nicht tödlicher in die Brust und dann die gezielte Hinrichtung mit einem Kopfschuss aus kurzer Distanz. Die Waffe war eine Heckler & Koch MP5. Es wurden keine vergleichbaren Überfälle in dieser Zeit verübt. Die Kamerabilder und die Zeugenaussagen lassen den Schluss zu, dass der Banküberfall nur inszeniert worden ist, um das wahre Motiv für die Tötung von Kleindienst zu verschleiern.“

      Nun war Johann an der Reihe. „Wir springen in das Jahr 1996. Die Wiederaufnahme des Pottersfeld-Falles wird vom Mord an Inge Stockhammer beendet. Sie wird mit einer MP5 erschossen. Die gesamte Kriminalpolizei jagt den Mörder der Frau eines Kollegen und ist erfolgreich. Der Killer wird aber wegen eines Formfehlers aus der Untersuchungshaft entlassen. Einen Tag später werden ihm drei Finger abgeschnitten und er verblutet. Der Täter wird nicht gefasst, in diesem Fall ist die Polizei nicht sehr motiviert. Es gibt sogar Gerüchte, dass es ein Kollege war, auch Ernst wird kurze Zeit verdächtigt. Wichtige Spuren haben wir nicht, aber noch eine interessante Information. Wie ihr wisst, pflege ich ein dichtes Informantennetz und eines der Zentren dieser Kontakte ist die Lustoase, wo sich neben der notgeilen Kundschaft auch Kriminelle treffen. Ich kenne dort einen Menschen, dem ein Finger abgetrennt worden ist und einem fehlt ein Ohr. Sie haben mir nie gesagt, wie das passiert ist, nicht einmal einen Unfall vorgeschoben, einfach nur geschwiegen.“

      Ernst klopfte Nyoko auf die Schulter. „Das alles an einem Tag! Ihr seid jedes graue Haar wert, das ich wegen euch bekomme. Aber ein bisschen abenteuerlich sind die Zusammenhänge schon. Wie sicher seid ihr euch dabei?“

      Nyoko dachte kurz nach und schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht. Wir finden das interessant und schauen es uns noch genau an. Ein Teil könnte rausfallen, ein anderer dazukommen. Wir stehen am Anfang. Wenn das wirklich alles zusammenhängt, ist der Mörder von Friedrichs Vater nicht ein Spion, der einmal kurz nach Wien gekommen ist, um einen Regimekritiker zu töten, sondern jemand, der hier seit Jahrzehnten sein Unwesen treibt und Körperteile abschneidet. Den will ich aus dem Verkehr ziehen, egal ob er etwas mit Pottersfeld zu tun hat. Paul sucht nach weiteren Gemeinsamkeiten. Du hast noch nichts gefunden, oder?“

      „Nein.“

      „Die finden wir schon noch. Ernst, haben wir den Auftrag?“

      „Ich werde Staatsanwalt Brell informieren, dass wir die Fälle wiederaufnehmen, um bisher unbekannte Zusammenhänge zu prüfen.“

      „Männer! Ihr habt es gehört. Es wird stressig. Aber jetzt ist es höchste Zeit für den besten ‚Azzurro‘ von Wien!“

      Am Zentralfriedhof brannte eine einsame Kerze. Friedrich stand am Grab seines Vaters. Sayo hielt seine Hand. In den Grabstein war eine Stellung aus der legendären Partie graviert. Der Moment, in dem Pottersfeld den Weltmeister mit einem verwegenen Angriff ohne Rückendeckung ins Wanken gebracht hatte.

      Das war also sein Vater. Friedrich hatte seine Wurzeln gesucht und überraschend schnell gefunden. Oder doch nicht? Er fühlte sich wie bei einem Blindschach-Spiel, ohne die Stellung zu wissen. Wieso wurde sein Vater ermordet? Von wem? Was ist mit seiner Mutter geschehen?

      Nein, er kannte seine Wurzeln nicht. Er brauchte Halt. Sayo umarmte ihn.

      Dienstag, 14. November 2017

      Der vierjährige Kito Suluhu versteckte sich unter seinem Bett. Seine Eltern weinten. Ein böser Mann bedrohte sie mit einem Gewehr. Kito hielt sich die Ohren zu. Kein Knall ertönte. Nur ein „Plopp“. Die Mutter fiel um und starrte mit unbeweglichen, glasigen Augen zu Kito. Er wollte schreien, doch er traute sich nicht. Plopp. Der Vater fiel neben die Mutter. Der böse Mann hinkte aus der Wohnung. Kito kroch zu den leblosen Körpern seiner Eltern. Er legte sich auf seine Mutter. Sein Leibchen wurde rot von ihrem Blut. Mama! Der Vater lag daneben und rührte sich nicht. Papa!

      Im Büro der Keystone Cops wurde fleißig gearbeitet. Klaus betrachtete DIN A3-Vergrößerungen der Fotos von Frank Pottersfelds Hotelzimmer. Seine Aufmerksamkeit galt dem Reiseschachspiel, das im Hintergrund zu sehen war. Er versuchte, die Stellung zu rekonstruieren, als unerwarteter Besuch eintraf. Sayo kam mit Friedrich und Benjamin. Der Knirps lief sofort zu Christian, der aus seiner Zauberutensilienschublade einen kleinen Ball holte. Bei der Gelegenheit legte er auch die Waffe in einen für das Kind unerreichbaren Schrank.

      Sayo war zufrieden. „Christian ist so ein begabter Stiefopa. Dürfen wir sein Talent nutzen? Wir haben gestern Abend beschlossen, uns heute zur Hochzeit anzumelden. Wäre es möglich, dass ihr inzwischen auf Benjamin aufpasst?“

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