Benoni. Hermann Moser
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Freitag, 10. November 2017
Christian wartete vor dem Büro von Oberst Ernst Stockhammer auf die beiden Karate-Kämpfer und feilte an seiner Argumentation. Als er Nyoko und Ernst kommen sah, bezweifelte Christian, dass seine Frau die besprochene Strategie umgesetzt hatte. „Ernst, was hat Nyoko mit dir angestellt? Ich bin jetzt über ein Jahr mit ihr verheiratet, aber ein blaues Auge hatte ich noch nie.“
„Das war es wert!“, rief der Polizeioffizier stolz. „Ich habe es geschafft! 14 Sekunden! Nur bin ich dann etwas unaufmerksam geworden und genau in den Gegenangriff gelaufen. Das wird das beste Mittagessen meiner Berufslaufbahn. Was habt ihr auf dem Herzen, dass ihr mich zu zweit bearbeiten wollt?“
Sie gingen ins Büro und setzten sich. Nyoko richtete sich einen abgerutschten Träger ihres ärmellosen Shirts, setzte eine professionelle Mine auf und öffnete ihren Laptop. „Wir haben eine interessante Anfrage bekommen. Kannst du dich noch an die Geschichte des Einheitsfindelkindes erinnern? Der junge Mann hat erst jetzt erfahren, dass er ein adoptiertes Findelkind ist und uns gebeten, ihm bei der Suche nach seinen leiblichen Eltern zu helfen. Wir möchten den Fall übernehmen.“
Der Oberst hielt sich eine kalte Kompresse auf das Auge. „Einheitsfindelkind? Das war vor 28 Jahren. Habt ihr nichts Wichtigeres zu tun? Wie heißt denn der Mann?“
„Friedrich Michael Laurent.“
„Ist das nicht der Freund deiner Tochter?“
„Seit gestern der Verlobte.“
„Gratuliere! Aber sei mir nicht böse, eine Privatermittlung kann ich euch wirklich nicht gestatten. Ich habe so schon ständig Probleme, weil ihr mehr Narrenfreiheit als jeder andere Beamte in diesem Land genießt.“
Christian fand es an der Zeit, den Oberst von einer zweiten Seite zu bearbeiten. „Wir sind als Keystone Cops auch für Fälle von besonderem öffentlichen Interesse zuständig. Der Minister würde uns anfordern, wenn jemand einem Prominenten in den Garten pinkelt. Friedrich ist einer der besten Schachspieler Wiens, man könnte ihn doch als bekannte Persönlichkeit betrachten. Seine Geburt hat auch etwas Aufsehen erregt. Die damalige Untersuchung der Kindesweglegung war nicht erfolgreich, also ist der Fall noch offen. Wir machen nichts Privates, sondern nehmen einen Cold Case von besonderem Interesse wieder auf.“
Ernst Stockhammer holte verzweifelt tief Luft. „Deine Chefin hat dich anscheinend als Experten für Hintertüren mitgenommen. Fehlt nur noch, dass sie mir die 14 Sekunden geschenkt hat, um mich gnädig zu stimmen. Zur Strafe verlegen wir das Mittagessen von der Kantine in das Gasthaus nebenan. Wir können das trotzdem nicht machen.“ Er stockte kurz nachdenklich. „Hast du gesagt, dass Friedrich ein talentierter Schachspieler ist?“
„Er feiert einen Turniersieg nach dem anderen.“
„Ich nehme an, dass ihr schon eine DNA-Probe genommen habt.“
Christian nahm das Röhrchen aus seiner Sakkotasche und zeigte es Ernst.
Der Oberst dachte kurz nach. „Schaut euch die Geschichte an. Sagt mir sofort, wenn ihr etwas gefunden habt, und erzählt bitte niemandem, dass es euer zukünftiger Schwiegersohn ist.“
Die übrigen Keystone Cops saßen im Büro auf der gemütlichen Eckcouch, die als Besprechungsbereich diente, und warteten auf Nyoko und Christian.
Der Tatort-Analyst Klaus Zimmermann, der mit seinen rötlichen abstehenden Haaren wie ein Clown aussah und diesen Eindruck mit einer Fliege und einem knallroten Sakko verstärkte, blätterte in einem Oldtimer-Magazin. Er sah auf die Uhr. „Wieso will sie eigentlich eine Morgenbesprechung machen, wenn sie doch immer zu spät kommt?“
Johann Sturmaier improvisierte auf seiner Kontragitarre. Das ursprünglich schwarze T-Shirt des Fünfzigjährigen war ähnlich wie die zusammengebundenen Haare in einen ausgewaschenen Grauton übergegangen, nur der buschige Schnauzer und der kleine Kinnbart im Stil von Frank Zappa waren noch schwarz. „Heute hat sie Christian zu Ernst mitgenommen. Ich bin gespannt, was die beiden wieder aushecken.“
Der Jüngste, Paul Falke, saß in seinem Rollstuhl, tippte auf seinem Laptop, und sagte nichts.
Johann schrieb ein paar Noten auf und versah sie mit der Überschrift „Warteschleifen-Polka“, als Nyoko und Christian kamen. Christian, der auch im Winter sommerliche Anzüge bevorzugte, hängte sein Leinensakko an den Haken, während seine Frau ihre Pistole und die Handschellen vom Gürtel ihrer engen Jeans nahm. Sie setzte sich und eröffnete die Besprechung. „Hallo zusammen! Heute sind wir das erste Mal seit einer Woche wieder vollzählig, nachdem Christian wieder einmal bei der Soko J’arrive mitarbeiten musste, weil der Kletterer seine Fahne auf den Turm des Stephansdoms gehängt hat. Willst du unseren Kollegen etwas darüber erzählen, bevor wir zu unserem neuen Fall kommen?“
J’arrive war ein Urban Climber, der schon seit mehr als einem Jahrzehnt seine Fahne bei öffentlichen Gebäuden an Stellen, die nach menschlichem Ermessen nicht erreichbar waren, aufhängte. Christian berichtete von seinem letzten Streich auf dem Kirchturm des Wiener Wahrzeichens. „Unglaublich!“, schloss er seinen Bericht mit glänzenden Augen. „J’arrive schoss hübsche Panorama-Fotos von oben, die ein Renner im Internet sind.“
Nyoko schaute ihn streng an. „Christian, du darfst ihn nicht so bewundern! Wenn er Fans in der Soko hat, werdet ihr ihn nie finden.“
„Gib zu, dass du als Bergsteigerin diese Leistung auch anerkennst. Interessanter ist aber ein anderer Aspekt. Der Name ‚J’arrive‘ klingt für nicht sprachenkundige Menschen arabisch. Daher löst jede Aktion Terrorängste aus, obwohl es der Titel eines französischen Chansons ist. Der Innenminister verstärkt das, wenn er wütende Pressekonferenzen gibt und ihn als Terroristen bezeichnet, um strengere Gesetze zu fordern.“
„Was ist, wenn die Aktionen doch Drohungen sind? Oder das Auskundschaften von passenden Anschlagsorten? Ein Turm weckt schreckliche Erinnerungen.“
„Niemand droht länger als ein Jahrzehnt, wenn er tatsächlich etwas Schlimmes vorhat. J‘arrive zeigt uns aber, wo man die Sicherheitsvorkehrungen verbessern kann. Er kam in den Dom mit seinen wertvollen Kunstschätzen und brach in den Raum mit der Steuerung des Glockengeläutes ein. Dort befindet sich auch die Zentrale der Alarmanlage. Dabei zerstörte er nichts, nicht einmal Kratzer befinden sich an den Schlössern.“
„Wollen wir hoffen, dass du recht behältst. Männer! Es ist höchste Zeit, dass wir wieder etwas gemeinsam bearbeiten. Wir haben einen neuen Fall. Könnt ihr euch noch an die Geschichte des Einheitsfindelkindes erinnern? Das Kind ist Friedrich Michael Laurent. Er hat uns gebeten, dass wir seine Eltern ausforschen.“
Johann legte seine Gitarre zur Seite. „Sayos Freund? Ich habe gar nicht gewusst, dass er adoptiert ist.“
„Das hat er selbst erst gestern erfahren.“
Klaus spielte mit seiner Lupe, die sein ständiger Begleiter war. Falls er sie nicht benötigte, war sie ein Spielzeug, das seine Hände beschäftigte. „Wie habt ihr es geschafft, dass Ernst der Privatermittlung zustimmt?“
„Zuerst war er strikt dagegen. Als Christian erwähnt hat, dass Friedrich Schachspieler ist, hat er seine Meinung schlagartig geändert. Sein Gesichtsausdruck war eigenartig. Er vermutet irgendetwas.“
Christian überreichte Klaus das Röhrchen mit dem Wattestäbchen. Nyoko füllte ein Beweismittel-Formular aus. „Das ist Friedrichs DNA. Macht