Benoni. Hermann Moser

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Benoni - Hermann Moser страница 7

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Benoni - Hermann Moser

Скачать книгу

diese Hoffnung aber aufgeben. Es ist großartig, wie du dich um ihn kümmerst und ihn integrierst. Dass er bei Klaus wohnen darf, zeigt, dass die Keystone Cops eine Familie sind, die immer zusammenhält. Das sollte aber nicht zur Verzögerung von Personalentscheidungen führen.“

      „Paul ist von einem Mörder verwundet worden, der mich als letztes Ziel hatte. Ich kann ihn doch nicht als Strafe aus der Gruppe drängen. Von welcher Kostenstelle er bezahlt wird, ist mir egal. Er ist ein vollwertiger Keystone Cop.“

      Ernst fuhr sich durch die Haare. „Du hast selbst gesagt, dass sein Wert nicht von der Organisation abhängt. Ich sehe das auch so. Daher ist das Offenhalten der Stelle nicht nötig. Wenn Paul einmal genesen sollte, werden wir das entsprechend organisieren. Ich nehme nicht eine exzellente Kraft aus einem funktionierenden Team, außerdem bekommen die Keystone Cops sowieso immer, was sie wollen. Wer einen skurrilen Gruppennamen und eine DNA-Analyse für ein Familienmitglied erhält, muss sich keine Sorgen machen, irgendetwas nicht zu erreichen. Ein ruhender Pol wäre eine gute Ergänzung. Dafür gibt es zwei ideale Kandidaten. Bitte nimm einen davon oder jemand anderen, aber gib einem Kollegen die Chance, bei den Keystone Cops zur Höchstform aufzusteigen.“

      Christian stammte aus einer reichen Familie mit großer Tradition. Ein Vorfahr hatte in einer Schlacht seinem Kaiser das Leben gerettet, was seine Karriere zum Feldmarschallleutnant und Ritter I. Klasse des Ordens der Eisernen Krone befördert hatte. Seine Nachfahren wurden Unternehmer, doch Christians Leben hatte ihn auf vielen Umwegen zur Polizei geführt.

      In der stattlichen Familienvilla wohnten nun die Nachfahren europäischer Ritter und des japanischen Samurai-Clans Sato aus Hiroshima. Im Viergenerationen-Haus lebte neben dem Polizistenpaar auch Nyokos Mutter Misaki Binder. Für das junge Paar Sayo und Friedrich war ebenso genug Platz. Unangefochtener Mittelpunkt war der kleine Benjamin.

      Das große gemeinsame Wohnzimmer war im Stil der kubanischen Kolonialzeit eingerichtet. Auch Japan fand seinen Platz im karibischen Flair. An der Wand hing normalerweise das Familienschwert der Satos, das allerdings gerade für eine Ausstellung des Weltmuseums verliehen war. Nyokos Urgroßvater - der Mann erfreute sich mit 107 Jahren bester Gesundheit und lebte in Fukushima, wohin die Familie 1945 gezogen war – hat es ihr überreicht, als er von ihrer Lebensgeschichte erfahren und den Kämpfergeist seiner Urenkelin bei einem Shogi-Turnier in Kyoto gesehen hatte. In einem Eck des Wohnzimmers befand sich ein Ahnenschrein, der neben den buddhistischen und shintoistischen auch jüdische und christliche Symbole enthielt.

      Die Familie saß beim Tisch aus dunkelbraun lackiertem Pappelholz. Nyoko nahm ein gerahmtes Bild aus ihrem Rucksack. „Friedrich, sagt dir der Name ‚Frank Pottersfeld‘ etwas?“

      „Das war ein ostdeutscher Schachspieler, der eine legendäre Partie gegen Kasparow gespielt hatte und später in Wien unter mysteriösen Umständen gestorben ist. Was ist mit ihm?“

      Nyoko überreichte ihm das Bild. „Er ist dein Vater.“

      „Pottersfeld? Wirklich? Wie seid ihr darauf gekommen?“

      „Es war die DNA-Probe. Der Tod von deinem Vater war mysteriös, aber höchstwahrscheinlich ein Mord, und ist nie geklärt worden. Wir haben den Fall wiederaufgenommen.“

      Friedrich betrachtete das Bild des Mannes, dessen berühmteste Partie er auswendig kannte. „Was ist mit meiner Mutter?“

      „Deine Mutter Irene Kupfer ist spurlos verschwunden, als dein Vater ins Koma gefallen ist. Damals haben unsere Kollegen vermutet, dass sie auch getötet worden ist, und damit das ungeborene Kind. Wie sie es geschafft hat, dich in die Rudolfstiftung zu bringen, und was ihr weiteres Schicksal war, ist noch völlig unklar. Es gibt da einige Dinge und komplexe Zusammenhänge, die wir nicht verstehen.“

      Christian versuchte ohne Erfolg zu verhindern, dass Benjamin sein Polo-Shirt ansabberte. „Jetzt haben wir auch noch einen Deutschen im Haus, damit sind wir endgültig multikulturell. Du bist doch ein Experte der Benoni-Eröffnung. Kennst du das Buch ‚Benoni – Schlachten auf dem Damenflügel‘?“

      „Davon habe ich noch nie etwas gehört. Warum?“

      „Das ist ein Teil unseres Rätsels. Frank Pottersfeld ist übrigens hier in Wien begraben. Es gab keine Verwandten und die ostdeutschen Behörden waren damals zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich darum zu kümmern. Das Grab wird vom österreichischen Schachbund gepflegt und bezahlt. Wir haben mit der Verwaltung des Zentralfriedhofs gesprochen, ein unbürokratischer Austausch zwischen Beamten. Wenn du heute noch hinfahren willst, lassen sie dich auch nach der Schließung hinein.“

      „Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll. Ich muss aber vorher noch zu meinem Vater – Adoptivvater - in die Hexenküche. Er ist auch sehr gespannt, was bei der Geschichte herauskommt.“ Er stellte das Bild auf den Ahnenschrein und zündete eine Kerze an.

      Lydia Jacobs hatte das Essen dem angekündigten Vortrag von Ernesto Pianomartello angepasst. Es gab Minestrone, Piccata Milanese und als Nachspeise Tiramisu. Neben den Polizisten war auch Wolfgangs Tochter Corinna Zimmermann zu Gast. Die blonde Frau war einen Kopf größer und zehn Jahre jünger als ihr Mann, der Spurensicherer Klaus. Sie beschäftigte sich beruflich im Gegensatz zu ihrem Vater mit lebenden Patienten. Als Haus- und Notärztin aller Keystone Cops samt Familien machte sie sich Sorgen um ihren Patienten Friedrich. „Wie geht es ihm?“

      Nyoko, die ihren überbordenden Energieverbrauch am liebsten mit Süßspeisen ausglich, nahm sich ein zweites Stück Tiramisu. „Er ist stolz, der Sohn eines Kasparow-Bezwingers zu sein. Dieses Match kennt er sogar auswendig. Aber wirklich verdaut hat er das alles noch nicht.“

      „Er gehört zu den Menschen, für die ein Arztbesuch wie der Weg durchs Fegefeuer ist, neigt aber auch zur Psychosomatik. Wenn er Hilfe braucht, führt ihr ihn am besten mit Handschellen zu mir.“

      Christian schaute finster. Nyoko hatte das einmal mit ihm gemacht. Mit seiner hypochondrischen Neigung war er Stammgast bei Corinna, nur nicht, wenn er wirklich krank war. Nyoko hatte ihre Nachspeise verdrückt und war nun bereit für den Fall Pottersfeld. „Leute! Wir helfen Friedrich am meisten, wenn wir alle Unklarheiten um seine Eltern beseitigen. Lasst uns loslegen! Ich schlage vor, dass wir chronologisch erzählen, was wir bisher herausgefunden haben und unsere Veteranen steigen ein, wenn sie zusätzlich etwas beitragen können.“

      Sie gingen ins Wohnzimmer. Paul verband seinen Laptop mit dem Fernseher. Wolfgang öffnete den Safe, der sich nicht sehr originell hinter einem Bild befand, und nahm eine kleine Schachtel heraus, die er vor sich legte.

      Christian begann. „Frank Pottersfeld stammt aus Leipzig. Er ist Bibliotheksfacharbeiter, seine Leidenschaft gehört aber dem Schach. Seine Lebensgefährtin Irene Kupfer hält sich in der Öffentlichkeit völlig im Hintergrund. Wir haben noch nicht einmal ein Bild von ihr gefunden. 1989 wird sie schwanger. Wir haben ein paar Aufnahmen von Pottersfeld bei Schachturnieren aus diesem Jahr. Die kommentiert am besten Nyoko.“

      Die Chefin übernahm das Wort. „Hier im Jänner 1989 ist er etwas unsicher, ängstlich. Er spielt sicher gut, aber der Kampf ist nicht sein Ding. Bei einem Gegner mit dieser Körpersprache weiß ich schon vorher, dass ich gewonnen habe. Im April ist alles anders. Er ist hoch konzentriert, fokussiert und auf Angriff eingestellt. Wenn ich vor einem Spiel solche Augen sehe, stelle ich mich auf eine schwierige Partie ein. Pottersfeld startet eine spektakuläre Siegesserie. Haben ihm die Vaterfreuden Selbstvertrauen gegeben? Oder hat der beginnende politische Aufbruch seinen Geist befreit? Er beginnt, bei Interviews im Ausland leise Systemkritik zu üben. Jetzt sein Meisterstück. Seht euch die zwei Männer an! Testosteron pur! Kontrolliert von hochintelligenten Menschen. Der Grund für Kasparows Niederlage ist nicht eine Formkrise an diesem Tag. Pottersfeld spielt die Partie seines Lebens. Friedrichs Vater verliert danach

Скачать книгу