Buchreihe:Respekt - Wirtschaft -. Joe Martin

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Buchreihe:Respekt - Wirtschaft - - Joe Martin

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Wie dem auch sei, um Kosten zu sparen, wendet Tönnies gezielt Maßnahmen an, die die Haltung des für ihn arbeitenden Tiers der Gattung Mensch optimiert. Leider ist die Sklavenhaltung in Deutschland verboten. Ärgerlicherweise gibt es zudem noch eine Menge Arbeitsschutzgesetze und eine umfangreiche Sozialgesetzgebung, damit der Staat entsprechende Einnahmen zum Wohle aller einnimmt. Deshalb hat man sich bei Tönnies ein sehr perfides System ausgedacht, wie man, zum Zwecke der Gewinnmaximierung, die Arbeiter behandelt.

      Arbeitsschutz, Krankenversicherung und Anspruch auf Urlaub

       Wenn ein Unternehmen Menschen beschäftigt, greifen zahlreiche Gesetze, die zum Schutz der Arbeitnehmer über Jahrhunderte entstanden sind. Für Urlaub, Krankenversicherung, für den 8-Stunden-Tag und die Rentenversicherung haben Gewerkschaften, Arbeitnehmerverbände und einzelne Parteien seit über 100 Jahren gekämpft. Damit soziale Standards gesetzlich verankert werden, die Arbeitnehmern ein einigermaßen gutes Leben ermöglichen.

       Tönnies und viele andere Unternehmer, Manager und Unternehmen überlegen natürlich ständig, wie sie diese Maßnahmen aushebeln können und dadurch ihren Gewinn maximieren können. Dabei ist es nicht so, dass sie grob gegen geltende Gesetze verstoßen würden. In aller Regel bewegen sie sich innerhalb der Gesetze, wenn auch an den äußeren Rändern. Das ist aus rechtlicher Sicht in Ordnung, aus Respekt vor Menschen und dem Tierwohl sicher nicht, aber Respekt in diesem Sinne ist ja (noch) nicht gesetzlich festgelegt.

       Aber genau wie Tönnies und Konsorten, die innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen handeln, haben auch die Sklavenhändler innerhalb des damaligen gesetzlichen Rahmens gehandelt. Zumindest unterstelle ich das einmal, auch wenn Sklavenhalter und Sklavenhändler den gesetzlichen Rahmen ihrer Zeit wahrscheinlich eher als Empfehlung sahen und Übertritte sicher häufiger an der Tagesordnung waren als heute.

       Die heutigen Ausbeuter gehen subtiler vor und bleiben innerhalb der Regeln. Es liegt also an den Regeln, die offensichtlich Lücken aufweisen. Diese Lücken werden von Managern und ihren findigen Anwälten auf der ganzen Welt gesucht, gefunden und ausgenutzt. So auch bei Tönnies.

      Sub-sub-sub-Unternehmen

       In den Großschlachtereien wurden die Arbeitsleistungen und die Anstellungsverhältnisse der Arbeiter zur Vermeidung von Sozialabgaben und anderen Unannehmlichkeiten für den Arbeitgeber an externe Firmen ausgelagert. Das heißt, das Unternehmen stellt die Leute nicht selbst an, sondern beauftragt ein anderes Unternehmen mit dem Erbringen der Leistung. Soweit so gut.

       Jetzt ist es aber nicht so, dass dieses andere Unternehmen ein deutsches Unternehmen sein muss, welches die Arbeiter anstellt und entsprechende Sozialabgaben an den deutschen Staat zahlt. Nein, dieses andere Unternehmen beauftragt wiederum ein weiteres Unternehmen und dieses vielleicht sogar noch ein oder zwei weitere. Damit entsteht ein Netzwerk von Sub-sub-sub-Unternehmen und die Haftung für Sozialabgaben, Urlaubsregelung, Arbeitsschutz und so weiter rückt mehrere Lagen von Tönnies und anderen ab. Bis zu 80 % der Belegschaft bei Tönnies waren Werkvertragsarbeiter. Angestellt waren oder sind sie bei windigen Subunternehmern.

       Diese Subunternehmer kümmern sich um die meist osteuropäischen Arbeiter mit Rundum-Sorglos-Paketen. Sie rekrutieren die Arbeiter in ihren Heimatländern, sie transportieren sie an den Arbeitsplatz, sie stellen Werkzeuge zur Verfügung und auch eine Wohnung. Hört sich doch sehr gut an oder nicht?

       Im Prinzip ja, aber … Der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil fand, dass die Wohnungen heruntergekommene Sammelunterkünfte oder Verschläge waren. Winzige Löcher, die im Schichtbetrieb von Menschen „bewohnt“ wurden. In der sich mehrere ein Bett teilten und schlafen konnten, wenn der jeweilige „Mitbewohner“ des Betts gerade arbeitete.

       Natürlich müssen die Arbeiter für die Verschläge und die Schlafmöglichkeit zahlen. Es wurden Fälle bei einem anderen Unternehmen gefunden, in denen ganze 150 Euro für die „Wohnung“ von dem kargen Lohn von 1.000 Euro abgezogen wurden. Weiterhin werden in der Regel Abzüge für das zur Verfügung gestellte Werkzeug, also zum Beispiel Messer, und natürlich für den Transport vorgenommen. Übrig bleibt zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben.

      1.900 „mittlere und gravierende Mängel“

       Eine Untersuchung der Behörden Ende Mai 2020 deckte die Vorwürfe, die schon länger bekannt waren, auf. In einem Bericht wurden die Ergebnisse von Kontrollen in 650 Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften zusammengefasst. Die Prüfer monieren demnach insgesamt 1.900 „mittlere und gravierende Mängel“. Die Beanstandungen reichten von „fehlenden Hygienemaßnahmen wie fehlendem Desinfektionsmittel“ bis hin zu „Schimmelpilzbefall, Einsturzgefahr, undichten Dächern, katastrophalen Sanitäreinrichtungen, Ungezieferbefall und Brandschutzmängeln“, zitiert die Zeitung aus dem Bericht. Vier Wohnungen hätten wegen Bau- und Hygienemängeln umgehend geräumt werden müssen.13

       Allgemein bekannt wurden diese Umstände im Juni 2020 nach einem schlimmen Coronavirusausbruch in der Fleischfabrik von Clemens Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. Wegen der ,Massentierhaltung‘ – und ich rede hier von dem Tier Mensch, also den Arbeitern, welche unter diesen verheerenden Umständen ,gehalten‘ wurden – mussten 7.000 Mitarbeiter auf eine Coronainfektion getestet werden und am Ende wurde die Fabrik geschlossen.

       Die Zahl der Infizierten im Landkreis Gütersloh sprengte die Obergrenzen und es kam zu einem zeitweiligen Lockdown. Die Menschen mussten zu Hause bleiben und einige, die an der Küste im Urlaub waren, wurden von den dortigen Vermietern gebeten nach Hause zu fahren. Wer aus dem Großraum Gütersloh kam, wurde stigmatisiert und zum Ausgestoßenen.

       Ändern muss sich etwas, so der einhellige Tenor fast aller Parteien und Politiker im Sommer 2020, nachdem die Missstände der Allgemeinheit bekannt wurden. Insider wussten das schon lange und zu diesen Insidern gehörten auch zahlreiche Politiker, die aber Vogel Strauß spielten. Kopf in den Sand stecken und alles weiterlaufen lassen, wie es war.

       Aber das war nun vorbei und die Welle der Empörung, die durch das Land zog, sollte mit einem Gesetz gegen diese Leiharbeit und Werkverträge schnell gestoppt werden.

       Den Gesetzentwurf zum Verbot der Werk- und Leiharbeitsverträge in industriellen Schlachtbetrieben hatte der Bundestag eigentlich Ende Oktober verabschieden wollen. Nach den Plänen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollte es zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Doch am 23. Oktober verschwand es plötzlich von der Tagesordnung. Der Grund: Die Union hatte „noch Gesprächsbedarf“.14

      Schuld sind immer andere

       Tönnies stritt natürlich von Anfang an, in guter alter kapitalistischer Manier, alles ab und war an nichts schuld. Mit Schreiben an Spitzenpolitiker gelobte man Besserung und versprach, dass man alles tun würde, um die unfairen Werkverträge fair zu gestalten.

       Wer weiß, was hinter geschlossenen Türen noch alles versucht und verhandelt wurde, um die Lage zu retten. Nicht um den Infizierten oder den Einwohnern der betroffenen Landkreise zu helfen, nein, alles wurde versucht, um das Unternehmen zu retten, denn es geht immerhin um ein Unternehmen mit über 6 Milliarden Umsatz. Da kann man schon ganz schön viel Geld verlieren, wenn die Auflagen für Arbeitsschutz und Sozialleistungen zu groß werden. Das ist doch nachvollziehbar.

       Verstanden hatte es unter anderen der ehemalige SPD-Vorsitzende (2009–2017) Sigmar Gabriel. Clemens Tönnies, der Chef der Wurstfabrik, arbeitete mit ihm direkt zusammen.

       Wie würde es dir gefallen, wenn für deine Belange der ehemalige Bundesminister eintritt? Er war der Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (von November 2005 bis Oktober 2009), dann Bundesminister für Wirtschaft und Energie (von Dezember 2013 bis Januar 2017 ) und schließlich auch noch von Januar 2017 bis März 2018

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