Wut und Wellen. Peter Gerdes
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Читать онлайн книгу Wut und Wellen - Peter Gerdes страница 14
»Mein Name ist Stahnke, Kripo Leer. Frau Thormählen?«
»Ja?« Fragend, aber nicht zögernd. »Was … wünschen Sie?«
»Können Sie sich das nicht denken?« Eigentlich hasste er solche Spielchen, aber manchmal konnte er einfach nicht anders. Sie schwieg, also schwieg er auch. Was man angefangen hatte, musste man auch durchziehen.
»Waldemar Wallmann«, sagte sie dann. Ihre jugendliche Stimme klang überraschend fest. »Ich habe gehört, dass er tot ist. Und weil ich ja mal … mit ihm befreundet war, dachte ich mir schon, dass Sie irgendwann auf mich zukommen.«
»Von wem haben Sie das denn gehört?«
»Von einem seiner früheren Mitarbeiter. Unter denen ist es schon rum.« Im Hintergrund war lautes Hupen zu hören; sie sprach für einen Moment lauter. »Stand ja auch schon in der Zeitung. Natürlich ohne Namen, aber wer ihn kannte …«
Lautes Hupen? Auf Langeoog? »Wo sind Sie gerade?«, fragte Stahnke.
Sie lachte kurz auf. »In Leer. Multi Süd, genauer gesagt. Auf dem Parkplatz. Wollte eigentlich gerade losfahren, aber weil mein Handy klingelte, bin ich brav stehen geblieben.«
Langeoog-Trip ade, dachte der Hauptkommissar. »Würde es Ihnen dann etwas ausmachen, kurz bei mir in der Polizeiinspektion vorbeizuschauen? Dauert auch nicht lange. Nur ein paar Fragen.«
»Okay, kein Problem. Muss nur noch eben tanken, dauert auch nur ein paar Minuten. Bis gleich dann.« Das Gespräch brach ab.
Eine souveräne Frau, überlegte Stahnke. Fast schon cool. Auf jeden Fall routiniert im Umgang mit Menschen. Und weder erschrocken über den Tod ihres Ex-Lovers noch eingeschüchtert durch den Anruf eines Kriminalpolizisten. Was bedeutete das? Er zuckte die Achseln; das blieb abzuwarten. Der unmittelbare Eindruck war es, der zählte.
Er hatte den Telefonhörer in der Hand behalten. In den wenigen Minuten, bis Alina Thormählen hier sein würde, lohnte es sich nicht, irgendetwas Neues in Angriff zu nehmen. Da konnte er ebenso gut Sina anrufen. Kurz plauschen, Sozialgeräusche absondern, Stimmfühlungslaute aufnehmen. Was alle Verliebten eben so machten. Hauptsache, Kramer belauschte ihn nicht dabei.
Während das Rufzeichen ertönte, kam ihm Marian Godehau in den Sinn. Dass der jetzt auf der Insel arbeitete! Vielleicht konnte man sich bei Gelegenheit ja mal treffen, alte Erinnerungen austauschen, wie zwei alte Kumpel. Obwohl … so ganz unbelastet war ihrer beider Verhältnis ja nicht. Es gab da ein paar Dinge, an die Stahnke nicht unbedingt erinnert werden wollte. Und es gab, natürlich, Marians Zeit mit Sina. Vorbei, vergangen, von Sina beendet. Aber trotzdem. Bei Licht besehen, wollte er Marian doch eher nicht treffen. Marian Godehau, der sich auf Langeoog umtat, während er hier in Leer hockte und nicht weg konnte.
Er spürte einen Stich. Was war denn das jetzt – Eifersucht? Also wirklich. Wie kindisch konnte er denn noch werden?
Eine Frage, die er sich besser nicht stellen sollte. Dazu kannte er sich zu gut.
Das dauerte aber lange, ehe Sina an ihr Handy ging. Hatte sie es womöglich stumm geschaltet? War sie bei der Arbeit und durfte nicht gestört werden? Na ja, gleich musste sich ja die Mailbox … nein, jetzt ging doch noch jemand ran. Hoffentlich hatte er sie nicht …
»Hier Godehau, Inselbote. Hallo?«
Stahnke knallte den Hörer auf die Gabel und starrte entsetzt geradeaus. Kramer, dessen staubgraues Gesicht gerade im Türrahmen auftauchte, starrte verständnislos zurück.
12.
»Weitergehen.« Lüppo Buss verschränkte die Arme und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass seine Unterarmmuskeln hervorquollen wie Schiffstaue. Seine Mundwinkel senkten sich, als wären sie neugierig auf diesen Anblick. »Weitergehen, verdammt!«
Das angeschnauzte Touristenpärchen machte einen synchronen Satz nach hinten und trollte sich, ebenso erschrocken wie verständnislos.
»Mensch, Lüppo, übertreib’s nicht«, zischte Insa Ukena ihm zu, ohne die Lippen zu bewegen. »Das hier ist immer noch eine Urlaubsinsel und kein Kriegsschauplatz.«
»Ach ja? Mehr Bomben gehen an einem Tag in Bagdad auch nicht hoch. Jedenfalls meistens.« Er warf seinen Kopf in den Nacken und reckte das Kinn. Inselpolizist Lüppo Buss bei der Pflichterfüllung, beim weisungsgemäßen Verscheuchen von Schaulustigen. Wieder einmal. Wenn das kein Fotomotiv war! Wo war jetzt dieser Godehau? Immerhin knipsten ein paar Feriengäste. Aus gebührender Entfernung.
»Was meinst du, was los ist, wenn die ihre Handyfilmchen von dir als Kinderschreck direkt an de Beer schicken, verbunden mit einer fetten Dienstaufsichtsbeschwerde?«, warnte Insa Ukena. »So etwas könnte er jetzt am wenigsten brauchen, und das würde er dich auch ganz schön spüren lassen.«
»Dedo de Beer.« Der Inselpolizist spuckte den verhassten Namen förmlich aus, Silbe für Silbe. »Der interessiert sich doch einen Dreck für uns. Vor allem für mich! Guck dir doch an, wie er uns einsetzt. Schon wieder Tatortsicherung! Ist das eine Art? Zeugt das von Respekt? Ganz im Gegenteil, das weißt du doch selber.« Trotzdem ließ Lüppo Buss ein wenig Luft ab und lockerte seine bedrohliche Armschranke. »Sind wir nicht die einzigen Polizeibeamten auf der ganzen Insel, die überhaupt nicht in die Ermittlungen einbezogen werden? Und das, obwohl wir uns hier am besten auskennen? Nach dem zweiten Anschlag in kürzester Zeit steppt hier doch endgültig der Bär. Und de Beer braucht jeden Mann, das heißt, er braucht auch uns! Und was ist? Platzordner dürfen wir spielen. Das sagt doch wohl alles über diesen Mann.«
Insa Ukena fixierte ihren Kollegen und stemmte beide Hände in die Hüften: »In Wahrheit sagt es nur etwas über dich aus! Wenn du dich nicht so stieselig anstellen würdest, wenn du nur etwas kooperativer wärst, dann würde man uns vielleicht auch mehr in eines der Teams einbeziehen. Aber so abweisend, wie du dich aufführst, erscheint das doch von vornherein zwecklos! Also lässt man dich lieber außen vor, lässt dich Tätigkeiten verrichten, bei denen du nicht nerven kannst.« Sie schluckte: »Und mich immer gleich mit. Hast du darüber schon einmal nachgedacht?«
Lüppo Buss öffnete den Mund, aber schloss ihn gleich wieder. Brennende Röte stieg ihm in die Wangen. Hatte seine Kollegin etwa recht? War er, war sein eigenes Benehmen wirklich schuld an seiner momentanen Außenseitersituation? Und hatte er in seiner gedankenlosen Ichbezogenheit wirklich übersehen, dass er seine Kollegin mit in die dienstliche Isolation gezogen hatte? War er, knapp zusammengefasst, wirklich der Stinkstiefel, als den sie ihn soeben bezeichnet hatte, durch die Blume natürlich, aber doch unmissverständlich?
Er schaute Insa an. Auch sie war leicht rot im Gesicht, aber ihre Miene war entschieden. Sie meinte, was sie gesagt hatte.
Lüppo Buss dachte an das Gespräch, das er am Mittag mit diesem Marian Godehau geführt hatte. Informationsgrundlage für das versprochene Porträt. Der Journalist hatte sich im Knurrhahn mit ihm getroffen und während des Essens – zweimal Kutterscholle, sehr lecker – ein paar Notizen auf seinen Block gekritzelt. Dann hatte er noch zwei Fotos geschossen und sich nach einem Handygespräch eilig verabschiedet. Ohne zu bezahlen, wie der Inselpolizist wenig später vom Wirt erfuhr. Zähneknirschend hatte er die Zeche mit übernommen, aus Sorge, Godehau sonst zu verärgern.
Was für eine Meinung hatte der Journalist wohl von ihm? Und was würde morgen über ihn in der Zeitung stehen?
Lüppo Buss wurde bewusst,