Baltrumer Maskerade. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Baltrumer Maskerade - Ulrike Barow страница 3
Hoffentlich hatten die bei Stadtlander überhaupt die passende Haarfarbe. Sonst müsste sie womöglich ans Festland fahren. Und das war das Letzte, was sie sich vor ihrer Hochzeit vorstellen mochte.
In der Drogerie-Abteilung schaute sie sich suchend um. Aber außer Nagelfeilen, Scheren und Hornhautraspeln sah sie nur Frotteehandtücher und andere Dinge, die im Moment überhaupt nicht in ihr Beuteschema passten.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Energisch schüttelte Petra den Kopf. Das würde gerade passen, dass sie der Verkäuferin ihr Problem schilderte! Auf der anderen Seite sparte es Zeit. Und Zeit war genau das, was ihr fehlte. Noch neunzehn Stunden und Jörg würde vor ihr stehen. Es war noch so viel zu tun.
»Ich – ich hätte gerne Haarfarbe«, sagte sie zu der Verkäuferin, die gerade im Begriff war, wieder zu gehen.
»Gerne. Welche Farbe soll es denn sein?«
Petra Bramlage stutzte. »Na, Blond natürlich.«
»Lichtblond, goldblond, hellaschblond oder hellgoldblond?« Die Verkäuferin zeigte auf diverse Packungen.
Nahm das gar kein Ende? Wie sollte sie das wissen? »Es ist für mich. Ein paar graue Strähnen müssen weg«, überwand sie sich. Vielleicht würde dieser Anspruch an das Färbemittel die Suche einschränken.
»Ach, dann nehmen Sie man Super intensiv nordic blond. Das passt zu Ihnen.«
Nordic blond. Das war genau das Richtige für ihre Haare. Ihre dichten, ein wenig verwirbelten hellblonden Haare. Die Jörg als Erstes aufgefallen, als sie in seiner Vorstellung gewesen war. Zumindest hatte er das später immer wieder erzählt.
Sie nahm die Packung und stellte sich an der Kasse an.
*
Dubius: Wie schaut es mit deinen Vorbereitungen aus?
Inselfee: Alles bestens. Habe gerade mit meiner Mutter im Seehund gegessen. Morgen kommt Jörg. Dann geht es in die heiße Phase.
Wessi: Warst du schon am Kite-Strand? Wettertechnisch muss das jetzt klasse sein.
Inselfee: Nein, keine Zeit.
Wessi: Ist Bobo da? Der vom letzten Jahr mit dem lila T-Shirt.
Inselfee: Keine Ahnung. Habe was anderes zu tun.
Wessi: Du wirst doch vor lauter Aufregung deine alten Freunde nicht vergessen.
Inselfee: Muss jetzt schlafen. Bis morgen.
Sonntag
Irritiert tastete Hedda Bramlage nach dem Radiowecker. Es konnte doch wohl nicht sein, dass sie schon aufstehen musste?! Doch ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie hochnötig erst ins Bad und dann in die Klamotten steigen sollte. Sonst durfte sie das Frühstück im Hotel abhaken.
Na ja, ganz so schlimm war es nicht. Sie hatte eine gute Stunde, aber mit Anfang sechzig ging eben manches nicht mehr so schnell. Nicht, dass ihre Knochen nicht mehr mitmachten. Sie hatte nur manchmal das Gefühl, dass sie einfach mehr Zeit brauchte, um die Dinge des täglichen Lebens in einer für sie vernünftigen Reihenfolge abwickeln zu können. Früher, als sie in ihrer alten Firma tagtäglich für die Koordination von Arbeitsabläufen zuständig gewesen war, hatte sie nicht einmal darüber nachgedacht. Sie hatte die Handwerker eingeteilt, Arbeitsmaterial bestellt, und keiner der gestandenen Männer hatte widersprochen, wenn sie morgens ihre Arbeitspläne ausgeteilt hatte.
Jetzt lag sie im Bett und überlegte, ob sie erst ihre Zähne putzen und dann duschen, oder das Ganze eher umgekehrt gestalten sollte. Oder ob sie überhaupt aufstehen sollte. Es war einfach so gemütlich unter der kuscheligen Decke. Doch der Tag wartete.
Gähnend stand sie auf. Die Sonne schien durch die bunte Übergardine. Sie öffnete das Fenster und atmete tief ein. Was für eine klare Luft! Mit einem Aroma von Schlick aus dem Wattenmeer, das sich zwischen den Hellerwiesen und dem Festland mit seinen vielen Windrädern ausbreitete. Das Watt war trocken gefallen. Nur in den Prielen stand ein wenig Wasser. Unendlich viele Möwen, die das Watt als Nahrungsrevier nutzten, erfüllten die Luft mit ihren Schreien.
Der Abend zuvor mit Petra war recht nett gewesen. Obwohl sich ihre sonst so taffe Tochter zurzeit in ein nervliches Wrack zu verwandeln schien – was ihren durchaus vorhandenen guten Charakterzügen nicht zum Durchbruch verhalf –, hatten sie es sich gemütlich gemacht. Hedda hatte sogar vorsichtig anfragen dürfen, wie Petra und Jörg sich das mit der Bezahlung der Zimmer für die anreisende Verwandtschaft vorgestellt hatten. Ihre Tochter war ein wenig blass geworden, hatte einen Moment lang an ihrem Wiener Schnitzel rumgesäbelt und dann gesagt: »Die Zimmer übernehmen wir. Die Überfahrt kann jeder aus der eigenen Tasche bezahlen.«
Hedda hatte ihr schweigend zugestimmt. Diese Hochzeit würde schon teuer genug. Da konnten die Gäste ruhig was dazutun. Aber sie kannte ihre Verwandtschaft. Das würde nicht gut ankommen. Jörgs Familie war da lockerer. Überhaupt – das war eine coole Truppe. Nicht so verbiestert wie die eigene. Wenn sie nur an ihre alte Tante Elli dachte …! Den ganzen Tag am Beten, wenn sie nicht gerade mit dem Feldstecher am Fenster saß und die Nachbarn beobachtete.
Petra ist bestimmt schon mit dem Frühstück durch, überlegte Hedda, als sie aus dem ersten Stock die Treppe zum Frühstücksraum hinunterging. Doch als sie ihren Blick über den Saal mit den hellen Holzmöbeln schweifen ließ, entdeckte sie ihre Tochter ganz hinten in der Ecke, vertieft in eine Zeitung. Eine Wolke von Gemurmel hing über dem Raum, obwohl längst nicht mehr jeder Stuhl besetzt war. Viele Gäste hatten ihr Frühstück wohl schon beendet. Kein Wunder bei dem tollen Wetter. Ab und zu klang Kinderlachen durch, und es schepperte leicht, als ein junger Mann in T-Shirt und kurzer Hose den Deckel von der Pfanne mit dem Rührei nahm und auf dem Buffet absetzte.
»Hallo, Petra. Na, genießt du die Ruhe vor dem Sturm?«
Ihre Tochter nickte. »Gleich geht es weiter. Termin beim Friseur.«
Hedda schaute sie prüfend an. Irgendetwas war ungewohnt. Friseur. Das war das Stichwort. Petras Haare waren anders blond als sonst. Hellblond. Sehr hellblond. Zumindest das, was sich unter dem Kopftuch hervorkräuselte.
»Du brauchst gar nicht so zu gucken. Es ist alles okay. Willst du dir keinen Kaffee bestellen? Frau Ahlers schaut gerade zu uns herüber.«
Noch ehe Hedda etwas sagen konnte, stand die Chefin des Hotels neben ihr. »Ich bringe Ihnen heute höchstpersönlich den Kaffee, Frau Bramlage. Meine Bedienung liegt mit Grippe im Bett.«
»Mit viel Milch, bitte, sonst vertrage ich ihn nicht«, erklärte Hedda, dann wandte sie sich Petra: »Und, was liegt sonst noch an?«
»Da fragst du?«
Hedda sah schon wieder das nervöse Blitzen in Petras Augen. Meine Güte, so eine Hochzeit hätte sie selber früher aber lockerer weggesteckt. Wenn sie denn eine gehabt hätte. Petra