Baltrumer Maskerade. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Baltrumer Maskerade - Ulrike Barow страница 4
»Meinst du nicht, der Mann sollte sich versuchsweise schon mal mit deinen Haaren beschäftigen?« Hedda wusste, dass das so üblich war, seit sie neulich eine dieser Frauenzeitschriften gelesen hatte.
Petra lachte verächtlich. »Ich heiße nicht Amelie und mache aus der Hochzeit keinen gesellschaftlichen Höhepunkt. Ich werde auch kein Krönchen im Haar tragen oder sonst etwas. Er soll sie nur vernünftig frisieren und das wird er wohl können. Außerdem will ich die Kutsche bestellen. Dann den Brautstrauß mit der Floristin besprechen. Kutsche und Brautstrauß kann ich Gott sei Dank im Ostdorf fast auf einem Weg erledigen.«
Es lag Hedda auf der Zunge, zu fragen, ob der Brautstrauß nicht Sache des Bräutigams sei, aber sie hielt sich zurück. Sollte ihre Tochter man machen.
»Um vier kommt Jörg. Da muss ich natürlich am Hafen sein.«
Natürlich. Wäre komisch, wenn die Braut ihren Bräutigam bereits vor der Hochzeit allein am Hafen stehen lassen würde.
»Darum ziehe ich jetzt mal los. Lass dir das Frühstück schmecken.«
So schnell konnte Hedda Bramlage gar nicht antworten, geschweige denn fragen, ob sie helfen könne, wie ihre Tochter verschwunden war. Dann eben nicht. Genüsslich biss sie in ihr Marmeladenbrötchen.
Auch sie hatte etwas vor. Nämlich ihre Bekanntschaft mit Eberhard erneuern.
*
Als Hedda eine knappe Stunde später etwas atemlos die Bänke auf dem großen Platz vor dem Rathaus erreichte, saß Eberhard bereits da. Mit Erstaunen bemerkte sie, dass ihr Herz plötzlich ziemlich unruhig schlug. War sie zu schnell gelaufen? Oder sollte die Unruhe einen anderen Grund haben?
Er griente, als sie sich neben ihm auf die Bank fallen ließ. »Na, auch nicht mehr die Jüngste!«
Empört schaute sie ihn an, musste dann lachen. Er hatte nicht unrecht. Man gut, dass er ebenfalls die sechzig überschritten hatte. Er sah einfach unwiderstehlich aus mit seinem braun gebrannten Gesicht, umrahmt von einem grauen Dreitagebart, seinen blauen Augen, die beim Lachen unglaublich leuchteten, und der Figur, der man die Jahre keinen Zentimeter ansah.
»Wie ist es, gilt dein Versprechen noch, mich mit ins Watt zu nehmen?«
»Ein Insulaner hält, was er verspricht«, antwortete er und stand auf.
Eberhard nahm sein Fahrrad und stapfte energisch los. Sie hatte ein wenig Mühe, ihm zu folgen. Als er es bemerkte, verlangsamte er seine Schritte.
»Warst du schon im Museum?« Er deutete mit dem Kopf auf ein altes Haus, das sich hinter dem Süddeich versteckte.
»Nein, ich bin erst seit drei Tagen hier. Und die habe ich damit verbracht, meiner Tochter zu helfen. Soweit sie es zugelassen hat. Zwischendurch habe ich die Insel erkundet. Und gestern habe ich einen neuen Bekannten im Cobigolf geschlagen.« Sie schmunzelte.
»Tja, so schnell kann’s kommen«, überlegte Eberhard. »Da macht man seine übliche Runde mit dem Fahrrad, und was ist? Da fällt einem glatt eine Frau vor die Füße.«
Das war wirklich ein Schreck gewesen. Sie hatte sich beim Fellinis ein Eis gekauft. Sehr zum Entzücken einer mächtigen Silbermöwe. Als Hedda dem Angriff des imposanten Tieres ausweichen wollte, hatte sie nicht auf den Fahrradfahrer geachtet, der sie gleich unterhalb des Eisladens bei Mindermann überholte. Ihr erstes Zusammentreffen mit Eberhard Mettjes war ein wenig schmerzhaft gewesen.
»Ist sonst nicht meine Art, vor den Männern in die Knie zu gehen«, erklärte sie. »Aber in diesem besonderen Fall blieb mir nichts anderes übrig.«
»So habe ich dich von Anfang an nicht eingeschätzt«, antwortete Eberhard mit einer Wärme in der Stimme, die ihr Inneres beinahe völlig aus dem Ruder laufen ließ.
Sie rief sich zur Ordnung. Du kannst dich in deinem abgeklärten Alter nicht Hals über Kopf in einen wildfremden Mann verknallen, schalt sie sich. Sie wusste es besser: Sie konnte.
Am Hafen angekommen bogen sie links ab, am Häuschen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und am Bootshafen vorbei.
»Du solltest deine Hose hochkrempeln und die Schuhe ausziehen.« Eberhard zeigte auf seine bloßen Füße. »Du kannst alles hier liegen lassen, das klaut keiner.«
Sie zögerte einen Moment, dann zog sie entschlossen ihre Lieblingssandalen aus und stellte sie im Gras neben dem Weg ab.
»Auf geht’s.« Er nahm einen Wanderstock, der an seinem Hinterrad festgeklemmt war, und lief los.
Sie folgte ihm und schon bald lag die Weite des Wattenmeeres vor ihr. In der Ferne sah sie viele Menschen wie winzige Punkte knapp über dem Wattboden.
»Das sind alles Gruppen, die mit dem Schiff heute Morgen nach Baltrum gekommen sind und nun wieder mit einem erfahrenen Wattführer rüberlaufen nach Neßmersiel.«
»Wie lange …?«
»Gut zweieinhalb bis drei Stunden sind die unterwegs. Je nachdem, wie viel der Wattführer erklärt, wie der Wasserstand ist und so weiter.«
Ganz schön mutig, dachte Hedda. Sie war froh, dass die Silhouette der Insel noch zum Greifen nah war, obwohl sie schon eine ganze Weile keinen Bodenbewuchs mehr gesehen hatte. Stattdessen spürte sie feuchten, riffeligen Sand unter ihren Fußsohlen.
Eberhard bückte sich und strich mit den Fingern über den Boden. Dann grub er etwas aus. »Schau mal, eine Wattschnecke. Davon gibt es an die tausend pro Quadratmeter. Sie dienen vor allem den Wasservögeln als Nahrung.«
»Du kennst dich wirklich gut aus«, wunderte sie sich. »Wissen alle Insulaner so gut Bescheid im Wattenmeer?«
Eberhard lachte. »Nein, das wohl nicht. Ich war viele Jahre Wattführer. Aber dann hat mich die Arthrose erwischt. In den Knien. Mein Arzt hat gesagt, ich solle mir das mit dem Wattwandern gut überlegen. Offene Wanderungen sind für mich Vergangenheit. Ich gehe nur noch mit Gruppen, die sich bei mir anmelden. Nur noch wenige Male im Jahr. Übermorgen laufe ich mit dem Gartenbauverein Ennigerloh. Wenn du mitwillst …«
Hedda schaute ihn prüfend an. »Warum bist du mit mir hier, wenn es eigentlich nicht gut für deine Gelenke ist?«
»Weil ich nun mal gerne im Watt bin. Es ist eine faszinierende Landschaft, die ich dir gerne zeigen möchte. Außerdem macht meinen Knien so ein kleiner Exkurs nichts aus.« Eberhard nahm eine Muschel in die Hand. »Hier, siehst du? Eine Herzmuschel. Sie ist – warte mal – sieben Jahre alt.«
»Woran erkennst du das?«, fragte sie erstaunt. Sie konnte kaum glauben, dass so ein kleines Tier bereits so viele Jahre seinen Feinden hatte entkommen können.
»Du musst nur die Ringe zählen. Es sind Jahresringe. Genau wie bei Bäumen.«
Tatsächlich. Die einzelnen Abschnitte waren klar zu sehen.
»Ich setze sie wieder auf die Erde. Schau, was passiert.«
Hedda traute ihren Augen kaum. Die Muschel buddelte sich mit ihrem Grabefuß in kürzester Zeit wieder in den feuchten Sand. Da hatte natürlich eine Möwe keine Aussicht auf Erfolg. Zumindest