Baltrumer Maskerade. Ulrike Barow

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Baltrumer Maskerade - Ulrike Barow

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Aber er brauchte eben eine gewisse Zeit, bis sein Verstand vom Schlaf- in den Hellwach-Modus umschaltete.

      »Polizeistation Baltrum. Röder.« Es war gar nicht so einfach, gleichzeitig eine Jacke anzuziehen und zu telefonieren. »Was sagst du? Am Strand? Wir sind unterwegs.« Röder stöhnte. Seit vier Nächten das gleiche Theater. Irgendwelche Rowdys, die den Hals nicht vollkriegen konnten, machten in den Strandkörben die Nacht zum Tage und hinterließen oftmals einen Scherbenhaufen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

      Er rief seinen Kollegen Geerd Ulferts an, der in der Dienstwohnung nebenan wohnte, und wiederholte, was Jan Immel, der Leiter des Jugendclubs, ihm gerade erbost erzählt hatte.

      »Ich bin sofort bei dir«, sagte sein Kollege knapp.

      Es dauerte nicht lange, da saßen sie auf ihren Rädern und fuhren gen Osten am Schwimmbad und weiter am Kiefernwäldchen vorbei. Hin und wieder überholten sie ein paar wenige Urlauber und wichen Kaninchen aus, die, vom Licht ihrer Fahrradlampen aufgeschreckt, planlos über die Straße hoppelten. Vor dem Wasserwerk bogen die beiden Polizisten links ab zum Strand. Schon von weitem hörten sie das Gegröle.

      Bei Starks Strandladen, hinter dem sich der Jugendclub befand, wartete bereits Jan auf sie. »Die haben den Vollschuss!«, sagte er aufgebracht. »Sollte mich nicht wundern, wenn die gleich ein Feuerchen machen. Wegen der Gemütlichkeit …«

      »Wir schauen uns die Sache mal an«, erwiderte Michael Röder knapp.

      Nach ein paar Metern hatten sie den Strand erreicht. Röder und Ulferts knipsten ihre Taschenlampen an. Immer lauter werdende Stimmen führten sie schnell zu einer Strandburg, in der ein paar Jugendliche feierten. Jede Menge Bier- und eine leere Bacardiflasche lagen neben ihnen im Sand.

      »Was gibt das hier?«, fragte Ulferts.

      »Paadddy!«, war die verschwommene Antwort.

      »Ich fordere euch dringend auf, diesen Platz zu verlassen und nach Hause zu gehen. Schlaft euren Rausch aus. Dann werde ich mich nicht erinnern, heute Nacht hier gewesen zu sein«, bot Röder ebenso freundlich wie nachdrücklich an.

      Vergeblich. Das war ihm vorher klar gewesen. Aber er wollte sich nicht nachsagen lassen, dass er es nicht im Guten versucht hätte. »Eure Ausweise bitte! Und zügig, meine Herrschaften!«

      »Menno. Jede Nacht das gleiche Elend. Wir wollen einfach nur feiern«, maulte einer der Jungs.

      »Klar«, sagte Ulferts. »Habe ich Verständnis für. Aber nicht auf Kosten anderer.« Sein Blick fiel auf ein kleines Häufchen Holzstöcke. »Wenn ich das richtig sehe, war das hier zum Beispiel mal ein Strandkorbgitter. Nicht billig, die Dinger. Sollte mich nicht wundern, wenn es genau zu diesem Korb gehörte.« Er zeigte auf einen Korb, in dem ein Pärchen eng umschlungen vor sich hin kuschelte. »Und ganz ehrlich gesagt habe ich nicht mehr die geringste Lust, nachts aus dem Schlaf geholt zu werden, nur weil eine Horde Bekloppter mit der Zeit nichts Besseres anzufangen weiß, als hier Randale zu veranstalten. Also los jetzt. Ausweise.« Seine Stimme war energischer geworden.

      »Hab meinen nicht mit.« – »Ich auch nicht.«

      Röder langte es. Immer das gleiche Theater. »So, meine Herrschaften. Es reicht. Wir gehen jetzt zur Wache und dann wollen wir mal sehen, ob wir nicht herausfinden, wer eure Eltern sind.«

      Schallendes Gelächter war die Antwort. Eines der Mädchen rief: »Wie wollt ihr es zu zweit hinkriegen, uns mitzunehmen? Das möchte ich echt mal erleben. Wir bleiben hier sitzen und fertig.« Sie griff nach einer Flasche Bier, öffnete sie mit einem Feuerzeug und nahm einen tiefen Zug.

      »Das dürfte kein Thema sein.« Er nahm sein Handy aus der Tasche. »Spätestens in zehn Minuten habe ich Amtshilfe von der Feuerwehr. Und glaubt mir: Die Jungs haben genau so wenig Bock, sich mit euch zu befassen, wie wir. Das könnte echt unangenehm werden.«

      Plötzlich entstand Bewegung in der Runde. Die jungen Leute rappelten sich murrend auf. Es waren die altbekannten Gesichter, die er in den Nächten zuvor schon auseinandergescheucht hatte.

      Bis auf eines. Der Mann schien um einiges älter zu sein, soweit Röder es im Licht seiner Taschenlampe erkennen konnte. Ehe er sich versah, hatte der Mann sich umgedreht, war mit einem Satz aus der Strandburg gesprungen und zwischen den Strandkörben in der Dunkelheit verschwunden. Geerd Ulferts schaute seinen Kollegen an, doch Röder winkte ab. »Den kriegst du sowieso nicht. Aber ich habe mir sein Gesicht gemerkt. Der läuft uns bestimmt noch mal über den Weg.« Er wandte sich an die Gruppe. »Wer war das? Kanntet ihr den?«

      Die Jugendlichen schüttelten die Köpfe. »Der ist keiner von uns.« – »Der hat sich einfach dazugesetzt.«

      »Der war total komisch. Aber er hat den Bacardi mitgebracht. Wenigstens das«, erklärte einer der Jungs.

      »Also, meine Herrschaften«, mahnte Ulferts, »ich hätte gerne die Identitätsnachweise und Anschrift auf der Insel. Aber zügig bitte.« Nach und nach rückten die Jugendlichen ihre Ausweise raus. Er machte sich ein paar Notizen. »Ihr könnt euch die Papiere morgen auf der Wache abholen. Dann reden wir auch über Sachbeschädigung. Alkohol bei Jugendlichen und so weiter. Entweder ihr kommt zusammen oder einzeln. Das ist uns egal.«

      Und Michael Röder fügte hinzu: »Natürlich dürft ihr gerne eure Eltern mitbringen. Wäre vielleicht sogar ganz angebracht.«

      »Worauf du dich verlassen kannst«, rief einer der Jungs und spuckte vor Röder in den Sand. »Meine Mutter ist Anwältin. Wir wohnen hier in der Strandvilla. Wenn die das mitbekommt, was hier abläuft, dann könnt ihr sowas von was erleben …!«

      »So, jetzt reicht’s.« Röder nahm den Arm des Jungen. »Ihr anderen macht, dass ihr wegkommt. Aber erst wird aufgeräumt. Nehmt euren Kram gefälligst wieder mit. Und du …«

      Ulferts hielt die Taschenlampe auf die Ausweise. »Marc Weber.«

      »Und du, Marc, wirst tatsächlich heute noch in die liebevollen Arme deiner Eltern zurückgebracht. Netterweise hast du uns eben verraten, wo ihr wohnt. Solltest du gelogen haben, werden wir dich natürlich gerne in unserer Zelle unterbringen, bis dir die richtige Ferienadresse einfällt.«

      »Das dürft ihr gar nicht. Ich bin minderjährig!«, brüllte der Junge zurück.

      »Schon mal was von Gefahr im Verzuge gehört? Nun mach hier nicht so einen Aufstand.« Röder schob den Jungen aus der Strandburg und auf den hölzernen Bohlen­weg. Nach ein paar Metern hielt er an. Der Junge war immer langsamer geworden. Dann riss er sich plötzlich los, wankte nach rechts und ließ sich in den Sand fallen. Der Inselpolizist hörte nichts als Würgen.

      »Wir sollten die Eltern hierher holen«, überlegte Ulferts­. »Das kann Stunden dauern, bis wir den in der Strandvilla haben. Außerdem – wenn der so weitermacht, müssen wir unter Umständen den Rettungsdienst alarmieren. Für den Fall, dass der uns wegklappt.«

      Michael Röder nickte. Manchmal hasste er seinen Job. Da musste er seine kostbare Schlafenszeit damit vergeuden, kotzende Jugendliche wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Für nichts und wieder nichts. Morgen Nacht würde er dieselben Typen genau so besoffen wieder vom Strand scheuchen. Und oftmals war es nicht nur eine Truppe, sondern gleich mehrere, die nachts am Strand feierten und Scherben zerbrochener Bierflaschen, Müll und Reste nächtlicher Lagerfeuer zurückließen.

      »Na, geht’s wieder?«, fragte er den Jungen und strich ihm leicht über die Haare.

      »Scheiße!«,

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