Baltrumer Maskerade. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Baltrumer Maskerade - Ulrike Barow страница 7
Es war noch hell, als sie den Anleger erreichte. Das Schiff schob genau in diesem Moment seinen weißen, platten Bug um die Hafenmole. Bald darauf lag es fest an der Pier. Ein Mitglied der Besatzung ließ die breite Gangway am Heck herunter, bevor er anfing, die Fahrkarten zu kontrollieren.
Ein Passagier nach dem anderen verließ das Schiff, doch von Jörg keine Spur. Petra schaute sich um. Fast alle Vermieter hatten ihre Gäste bereits gefunden. Langsam leerte sich die Baltrum I. Gäste und Insulaner sammelten sich vor dem Metallgitter, das sie von den Containern mit dem Gepäck trennte. Dann, einige Minuten nachdem der letzte Gast das Schiff verlassen hatte, sah sie, wie sich die Tür der Herrentoilette öffnete, Jörg herauskam und langsam die Treppe zum Ausgang hochstieg.
»Jetzt wird es aber Zeit«, hörte Petra eine energische Stimme vom Oberdeck. »Die Fahrkarte bitte.«
Es wurde wirklich Zeit, wollte sich ihr Zukünftiger nicht einen einfangen, der sich gewaschen hatte, stimmte Petra dem Mann innerlich zu.
Gleich nachdem Jörg die Gangway verlassen hatte, wurde sie eingefahren.
»Hallo, Schatz, sei gegrüßt.« Er lächelte verhalten und stellte seine Tasche ab.
Als er ihr einen Kuss geben wollte, wich sie zurück. Erst einmal hätte sie gern eine Erklärung gehabt, warum sie bei der Ankunft der Nachmittagsfähre vergeblich auf ihn hatte warten müssen. Warum er ausgerechnet als Letzter diese Fähre verlassen hatte. Und warum er den ganzen Tag nicht ans Telefon gegangen war.
»Ich bin mir nicht sicher, ob du im Hotel noch etwas zu essen bekommst«, sagte sie, als sie endlich auch Jörgs Koffer in den Handwagen umgeladen hatten, den sie sich bei Frau Ahlers ausgeborgt hatte.
Jörg schüttelte den Kopf, als er ihr den Griff der Wippe aus der Hand nahm. »Ich möchte nichts essen. Ich habe mir an Bord eine Bockwurst gekauft.«
»Ich dagegen habe mit meiner Mutter das Hochzeitsessen probiert. Zumindest das, was an Zutaten im Hotel bereits vorhanden war. Soll ich dir erzählen, wie es geschmeckt hat?« Petra merkte, wie ihr bei diesem Thema schon wieder die Galle hochstieg.
»Lass mich doch erst einmal ankommen«, bat Jörg und atmete tief durch.
Okay. Das konnte er haben. Würde sie eben warten, bis sie auf dem Zimmer waren.
»Möchtest du gar nicht wissen, wie meine Vorstellungen waren?«, fragte er nach einer kurzen Pause.
»Und – wie waren sie?«
»Richtig schön. Die Kinder waren wieder einmal großartig. Wir haben gemeinsam die Welt erforscht und alle Probleme ganz einfach gelöst.« In Jörgs Stimme lag große Freude.
Petra war hin- und hergerissen. Auf der einen Seite hätte sie ihm am liebsten seine kindliche Welt um die Ohren gehauen, auf der anderen Seite liebte sie ihn genau dafür. Bei ihm zu sein, hieß eine Auszeit zu nehmen aus der irrealen Welt der Computer, den realen Staus auf den Straße, wenn sie ihre Kunden besuchte, und den Schlangen vor Supermarktkassen, wenn sie nur eine Kleinigkeit zum Frühstück brauchte. Bei ihm zu sein, hieß, sich selber nicht so wichtig zu nehmen, andere Blickwinkel auf das Leben zu erfahren und zu lachen.
Es hieß aber auch, selber einen Nagel in die Wand zu hauen, wenn man ein Bild aufhängen wollte. Oder das Auto zum TÜV zu fahren. Dafür war er nämlich ganz und gar ungeeignet.
Sie stimmte in sein Lachen ein. »So hast du also wieder einmal viel Glück verbreitet.«
»Ich denke schon«, überlegte er. »Da war ein kleiner blonder Stups in Bennis Abenteuerland …«
»Warte, bis wir auf dem Zimmer sind. Ich habe eine Flasche Wein oben. Dann können wir es uns gemütlich machen«, schlug sie vor, als sie die Wippe vor dem Hoteleingang abstellten. »Ich habe ebenfalls viel zu erzählen. Schließlich heiraten wir in einer knappen Woche.«
Petra hob einen von Jörgs Koffern aus der Wippe und merkte nicht, dass sich sein Gesicht für einen Moment verdüsterte. Gleich darauf lachte Jörg freundlich, als Henning Ahlers, der Chef des Hotels, ihm seine Hand zur Begrüßung entgegenstreckte.
»Wo steckt Hedda eigentlich?«, erkundigte sich Jörg, nachdem sie seine Sachen im Zimmer verstaut und den ersten Schluck Rotwein genommen hatten.
»Ich denke, auf ihrem eigenen Zimmer. Beim Abendbrot machte sie mir einen etwas fahrigen Eindruck. Allerdings behauptete sie steif und fest, alles sei in Ordnung. Ich habe es darauf beruhen lassen und mich auf das Essen konzentriert. Es war übrigens recht gut, falls es dich interessiert«, erklärte Petra.
»Hast du nach ihr geschaut, bevor du zum Hafen gegangen bist?«, fragte Jörg.
Die Unruhe in seiner Stimme nervte sie. Sie wollte diesen Abend zu zweit verbringen und nicht zu dritt. »Nein. Warum sollte ich? Wenn sie krank ist, soll sie es sagen.« Petra stand auf und nahm ein Päckchen Kekse aus dem Nachtschrank. »Hier. Probier mal. Die sind echt lecker.«
Doch Jörg reagierte nicht. Fast regungslos saß er auf dem Sofa und starrte auf etwas, das wohl nur er an der Wand sah.
»Ich kann gleich mal nach ihr schauen, wenn dir das lieber ist«, sagte Petra versöhnlich, »aber erst bekommst du von mir meinen Tagesablauf.« Sie berichtete ihm ausführlich, was sie alles organisiert hatte. Den Teil mit den Haaren ließ sie allerdings aus und war heilfroh, dass er überhaupt nicht gemerkt hatte, dass ihre Haarfarbe um einiges heller geworden war, seit sie ihn am Festland zurückgelassen hatte. Typisch Mann. »Und morgen geht es weiter mit der Planung. Dann zu zweit.« Entschlossen schaute sie ihn an.
»Nachmittags habe ich aber eine Vorstellung im Kinderspielhaus. Da komme ich nicht drum herum.« Es fühlte sich warm an, als Jörg ihre Hand nahm und streichelte. »Und abends eine für Erwachsene.«
Tja, leider. Den Termin hatte er im Winter bereits mit der Kurverwaltung abgesprochen. Da war von Hochzeit überhaupt noch keine Rede gewesen. »Ich weiß«, seufzte sie, »das Plakat mit der Ankündigung hängt in allen Schaukästen. Aber dann geht es nur noch um mich und dich.« Eigentlich hätte sie zu gern gewusst, warum er einfach nicht ans Telefon gegangen war. Aber sie mochte die gemütliche Stimmung nicht kaputtmachen. »Prost, mein Schatz«, sagte sie und hob ihr Glas.
»Auf uns«, antwortete Jörg und lächelte.
*
Michael Röder war verwirrt. Das Klingeln hörte nicht auf. Er tastete nach seinem Wecker, drückte ein zweites Mal energisch auf die AUS-Taste, doch es half nichts. Es klingelte einfach weiter.
»Dein Handy«, murmelte Sandra undeutlich.
Verdammt. Es war nicht schön, wenn sie aufwachte, weil er nachts raus musste. Er hatte ihr neulich sogar angeboten, im Sommer im Gästezimmer zu übernachten, aber sie hatte nur gelacht.
»Wenn ich dich nicht jedes Mal wecken würde, wenn es klingelt, würdest du so ziemlich jeden Einsatz verschlafen«, hatte sie geantwortet.
Da meinte man es schon mal gut …
Wo war dies verdammte Handy?
Er stolperte