Folgen einer Landpartie. Bernhard Spring

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Folgen einer Landpartie - Bernhard Spring

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die Enge der oft mit Grasnarben bewachsenen Gassen, vor allem aber der neblige Dunst, der aus den Salzkoten im Tal aufstieg und sich mit seiner Bitterkeit weit über die Ränder der Stadt als übler und widerlicher Gestank ausbreitete. Dazu kam der Wirrwarr der jungen Universität, an der die Größen der Zeit lehrten und die Sprosse zahlreicher Adelsfamilien studierten, all die verschiedenen Burschenschaften mit ihren Farben und Trachten, ihren Ansichten und Parolen. Kurz, die Stadt war ein fantastisches Durcheinander von Sinneseindrücken, die Eichendorff aufwühlten, sodass er sich nur allzu bewusst war, dass das Bild, das er sich von Undine ausmalte, wesentlich aus Illusionen und Fantasterei bestand. Aber gerade dies machte ihn so neugierig auf die Wirklichkeit hinter der Maske aus seinen Gespinsten und ihrer reservierten Höflichkeit.

      Ein frischer Wind fuhr dem in seine trüben Gedanken versunkenen Mann durch die Kleider und er begann zu frösteln. Es würde Zeit für den Heimweg werden, wollte er sich hier draußen nicht verkühlen. Als er zwischen den Grabsteinen umherging, dem Tor, durch das er den Gottesacker betreten hatte, entgegen, dachte er an den jüngst verstorbenen Dichter Novalis und dessen sehnsüchtige Verse, die er seit einigen Jahren immer wieder gern las. Wie langsam würde die Zeit bis zum Sonnabend vergehen, fragte sich der junge Mann. Ihm war trotz oder vielleicht gerade wegen der fortgeschrittenen Stunde an diesem morbiden, beinah schaurigen Ort unerwartet musisch zumute und mit halblauter Stimme reihte er spielerisch die Worte aneinander, die ihm gerade einfielen. Diesen Zeitvertreib hatte er schon oft betrieben, auch wenn ihm keine dieser Reime erhalten geblieben waren. Doch als er in dieser Nacht das hallische Stadttor erreichte, hatte er den Vierzeiler bereits fest im Gedächtnis:

      In der stillen Pracht

      In allen frischen Büschen und Bäumen

      Flüstert’s wie Träumen

      Die ganze Nacht.

      Plötzlich konnten sie frei auf das Dörfchen blicken. Gerade noch hatte es versteckt hinter einer niedrigen Hügelkuppe gelegen, bis Eichendorff eine Biegung des Weges, die letzte große, hinter sich gebracht hatte und nun den Flecken vor sich sah. Das also war Geusau.

      Der Ort befand sich mehr als vier Stunden zu Pferd von Halle entfernt, und wenn er nicht eine Rast in Merseburg genutzt hätte, um Kraft zu sammeln, wäre er wohl sehr zerschlagen auf dem Gut angekommen. Zum Glück hatte Eichendorff Jakob bei sich, der ihm auf seine ganz spezielle Art während dieser Reise die Zeit vertrieb. Sie debattierten Fragen, die trotz ihrer großen Bedeutung doch nie den Horizont des Dieners bezwangen, der über einen erstaunlichen Verstand verfügte. Eichendorff konnte, obwohl er wesentlich gebildeter war, selten anders, als Jakob, der ihm seit der gemeinsam verlebten Kindheit der beste Freund war, zuzustimmen, und wenn er doch hin und wieder Bedenken einräumte, so gelang es Jakob spielend und mit teils amüsanter Logik, diese im Rahmen seines überschaubaren Weltbildes zu zerstreuen.

      So waren sie auf den Papst Pius VII. zu sprechen gekommen, den Antichristen, der einen gewöhnlichen Korsen ohne Herkunft namens Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Christenheit gesalbt hatte. Dabei war der Kaisertitel doch nur einer wahrhaft würdigen Majestät vorbehalten und diese stammte seit Generationen aus dem deutschen Hause Habsburg. Doch Franz II. setzte bereits zum Gegenschlag an. Eichendorff und Jakob waren sich einig darin, dass es Österreich mithilfe des Zaren Alexander ganz sicher gelingen musste, diesen impertinenten Franzosen zurechtzuweisen und die alte Ordnung wiederherzustellen. Mit derartigem Geplauder hatten sie den eintönigen Weg hinter sich gebracht, waren durch Weiler und an gewellten Feldern vorübergeritten, bis sie den kleinen Ort nun also sahen.

      Die nicht mehr als dreißig Höfe Geusaus lagen halb verdeckt zwischen dunklen Bäumen, die aus dem Sumpfland emporwuchsen. Nur hier und da hob sich der Boden genug aus dem Wasser heraus, um von den Bauern bewirtschaftet werden zu können. Das erste grüne Getreide wucherte über die Grasnarben, Wildenten und Reiher schrien aus den umliegenden Weilern und nur wenige Menschen zeigten sich auf dem Weg, dem Eichendorff und sein Diener folgten. Vielleicht hatte ein Markttag den Großteil der Bewohner in eine der umliegenden Ortschaften gelockt, vielleicht befanden sie sich auch auf möglicherweise ertragreicheren Äckern weiter außerhalb, hinter den welligen Hügeln am Horizont, die doch kaum hoch genug aus dem feuchten Boden herausragten, um als Hügel bezeichnet zu werden.

      Wenn die einfachen Leute die beiden Reiter erblickten, blieben sie am Wegrand stehen und neigten ihre Köpfe zum Gruß. Eichendorff erwiderte mit einem leichten Nicken diese Aufmerksamkeit, fühlte sich aber zunehmend unwohl unter den neugierigen Blicken, die er im Nacken spürte. Offensichtlich verirrten sich selten Besucher in diese Gegend. Nur ein junger Gänsehirte schien ihn nicht zu bemerken. Der kleine Fratz trieb die schnappenden Tiere mit einer Gerte aus dem Schilf, um dort ungestört Kolben abreißen zu können. Wahrscheinlich würde er versuchen, sie anzuzünden, dachte Eichendorff und musste lächeln. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit hatte auch er Rohrbomben geraucht und sich mit dem scharfen Qualm mörderisch den Hals verbrannt.

      Das Gut derer von Botfeld konnte nicht verfehlt werden, denn der Weg, den die beiden Reiter in Merseburg eingeschlagen hatten, war der einzige im Ort. Kleineren Abzweigungen war deutlich anzusehen, dass sie sich entweder zwischen den einzelnen Höfen verliefen, abrupt vor größeren Toren endeten oder gemächlich in Feldwege übergingen. Je näher Eichendorff und Jakob der über den Baumkronen sichtbaren Kirchturmspitze kamen, umso dichter standen die Häuser am Wegrand. Da befand sich auch schon das Gut, südlich des Weges gelegen, der eine Biegung vollzog und so zwischen dem im Westen gelegenen Zugang zum Gut und der Kirche verlief, um irgendwo weiter im Süden aus dem Dorf zu führen.

      Hier wuchsen Linden von beachtlicher Höhe und gaben dem verwitternden Mauerwerk ein malerisches Aussehen, als die Sonnenstrahlen ein heiteres Gemisch aus Licht und Schatten auf den kleinen Vorplatz zauberten. Jakob stieg von seinem Pferd, führte es an den Zügeln zu dem Tor und klopfte, um seinen Herrn zu melden. Kurz darauf wurde das schwere Holztor geöffnet und Eichendorff ritt in einen Wirtschaftshof ein, der ihn sehr an das elterliche Gut erinnerte: im Süden die Ställe mit dem Viehtor, im Norden die niedrigen Gesindestuben und im Osten, dem Tor gegenüber, das von Kanalarmen umgebene Herrenhaus.

      Auf dem Hof herrschte das bedächtige Treiben weniger Personen, die ihren alltäglichen Arbeiten nachgingen. Mägde trugen vor sich hin schatzend Wäschekörbe, Gemüsestiegen und Gerätschaften über den unebenen Hof, drei Knechte machten sich an einem Gatter zu schaffen, dessen Sprossen sie erneuerten. Bevor Eichendorff intensiver das Werken des Gesindes beobachten konnte, hörte er seinen Namen rufen und erblickte Botfeld, der mit schnellen Schritten vom Herrenhaus auf ihn zukam. Dieser empfing ihn ganz offensichtlich in bester Stimmung.

      »Mein lieber Freund!«, rief er aus und hielt die Zügel des Pferdes, während Eichendorff abstieg. »Haben Sie sie gefunden, unsere kleine Zurückgezogenheit?«

      Die beiden jungen Männer gaben sich die Hand und bekundeten sich gegenseitig ihre Freude über das Wiedersehen.

      »Die Entenjagd habe ich für den späten Nachmittag angesetzt«, erklärte Botfeld. »Ich nehme an, dass Sie sich erst einmal ein wenig erfrischen wollen, und hier kommen die Enten so zahlreich vor, dass die Tageszeit wirklich keine Rolle spielt. Vielleicht wollen Sie auch eine kleine Erfrischung zu sich nehmen, bevor wir uns auf die Pirsch begeben?«

      Eichendorff lehnte höflich ab. Obwohl er sich nie besonders für die Jagd interessiert hatte und auch möglichst schnell erfahren wollte, ob Undine derzeit auf Geusau weilte, zog es ihn doch in die melancholische Auenlandschaft, die den Ort umgab.

      »Aber zumindest die Kleider würde ich gern wechseln, da sie mir doch zu staubig geworden sind und außerdem für die Jagd weniger taugen.«

      Botfeld klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Ich werde Ihnen sofort Ihr Zimmer zeigen, wo Sie sich in aller Ruhe herrichten können. In der Zwischenzeit werden wohl

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