Harter Ort. Tim Herden

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Harter Ort - Tim Herden

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      Tränen rannen Nelly übers Gesicht. Malte setzte sich neben sie und legte unbeholfen seinen Arm um ihre Schultern. „Na, Mädchen, du musst ihn dir aus dem Kopf schlagen.“

      „Wenn das so einfach wäre …“

      „Behalt ihn so in Erinnerung, wie er war. Als netten Kerl. Ich vermisse ihn auch, selbst wenn wir zuletzt nicht immer einer Meinung waren. Aber denk mal, was wäre, wenn er aufwacht und nur noch Watte im Kopp hat? Er sollte seinen Frieden finden …“

      Damp war noch einmal ins Revier zurückgekehrt, nachdem er Nelly Blohm abgesetzt hatte. Es zog ihn nicht in seine Wohnung in Neuendorf. Dort wartete nur eine Tiefkühlpizza auf ihn. Nachdem das „Strandcafé“ in Neuendorf geschlossen hatte, war er ohne Stammkneipe. Frust stieg in Damp auf. Er könnte natürlich in die „Fischerklause“ gehen, wo sich die Einwohner von Vitte trafen. Aber er wusste, was passierte. Wenn er die Tür öffnete, würden die Gespräche der Gäste verstummen und sie ihm so zu verstehen geben, dass er nicht erwünscht sei. Die Hiddenseer hatten es nicht so mit der Obrigkeit.

      Ihm ging aber auch das Gespräch mit der Witwe von Martin Dehne nicht aus dem Kopf. Damp hoffte immer noch, dass der Pathologe anrufen und mitteilen würde, dass Dehne eines ganz normalen Todes gestorben sei. Aber was, wenn nicht? Dann hatte er die Blohm weiter am Hacken. Die war fitter als er, gestand er sich ein. Das könnte zum Problem werden. Er schaute wieder auf den Weihnachtsstern. Wenn er ehrlich war, hatte Rieder ihn nie schlecht aussehen lassen gegenüber Polizeidirektor Bökemüller, sich ihre Fahndungserfolge nie allein auf die Fahne geschrieben. Bei Nelly Blohm würde er darauf nicht vertrauen.

      Was hatte Laura Ihlow über Böhnke, den Fuhrunternehmer, gesagt? Er war nicht gekommen? Das war nicht Böhnkes Art. Böhnke war bekannt für seine Zuverlässigkeit. Egal ob Sturm, Regen oder Sonnenschein, stand er mit seiner Kutsche bei einer Reservierung immer pünktlich vor der Tür. Damp hatte es schon öfters erlebt, dass Böhnke Kollegen, ganz gleich ob aus seinem eigenen oder einem anderen Fuhrunternehmen auf der Insel, heftig zur Ordnung rief, wenn sie zu spät am Hafen eintrafen, um Gäste aufzunehmen. Er sollte sich mit Böhnke unterhalten, beschloss Damp. Dabei könnte er auch gleich gut zu Abend essen. Außerdem würde er den Rat seines Psychologen aus der Kurklinik befolgen. Er hatte ihm empfohlen, mehr auf die Menschen auf Hiddensee zuzugehen.

      Barnhöft hatte mit seinem Schneepflug am Abend noch einmal die wichtigsten Straßen auf der Insel geräumt. So konnte Damp zwar langsam, aber ohne große Probleme nach Kloster fahren. Er wollte den Anstieg hinter dem Inselmuseum auf dem Kirchweg meiden und bog deshalb schon vor Kloster nach rechts in den Weißen Weg ein, fuhr durch das alte Klostertor, dann nach links am Supermarkt vorbei zur Inselkirche. Dort war der Kirchweg weniger steil und, wie Damp bemerkte, sogar gestreut. Er parkte am Parkplatz für die Kutschen.

      An den Tischen im „Haus Hiddensee“ saßen ein paar Touristen. Es war noch nicht allzu spät. Die Einheimischen hockten an der Theke. Zu denen zählten in Kloster nicht nur eingeborene Hiddenseer, sondern auch die „Zugereisten“. So bezeichneten die Insulaner jene, die nicht von der Insel stammten, sondern sich hier niedergelassen hatten. Viele von ihnen waren Künstler. Dann gab es aber auch Wissenschaftler und Manager, die sich ein Haus im Ort oder im Hochland gekauft oder gebaut hatten und nun auf der Insel ihren Ruhestand verbrachten. Es gab auch Aussteiger, die sich mehr schlecht als recht auf Hiddensee durchschlugen.

      Damp wurde mit einigem Hallo begrüßt. „Was willst du denn hier? Das ist doch gar nicht dein Revier?“

      „Wenn der Damp jetzt hier einen trinkt, muss er am Ende gegen sich selbst ein Bußgeld verhängen, weil er unter Alkohol gefahren ist.“

      Alle lachten. Damp lächelte. Er setzte sich an einen Tisch. Erst konnte er Böhnke nicht entdecken, obwohl das hier seine Stammkneipe war. Dann kam der Fuhrmann von der Toilette. Damp stand auf und ging auf ihn zu.

      „Hallo, Böhnke, ich müsste Sie mal sprechen.“

      „Mich?“, fragte Böhnke verunsichert.

      „Warum?“

      „Es geht um Martin Dehne.“

      „Der ist doch tot.“

      „Darum geht es ja.“

      Damp bat Böhnke an seinen Tisch.

      „Böhnke, pass auf“, rief einer von der Theke. „Sicher wird Damp gleich deinen Schlitten auf Fahrtüchtigkeit kontrollieren, ob auch die Kufen das richtige Profil haben.“

      Nachdem sie sich gesetzt hatten, bestellte Damp Bismarckhering mit Bratkartoffeln und Remoulade und ein Bier. „Wollen Sie auch ein Bier?“, fragte er Böhnke. Eine Premiere. Damp hatte noch nie jemanden auf der Insel zum Bier eingeladen. Die Gäste an der Theke wie auch Böhnke starrten den Polizisten ungläubig an. „Jo, aber auf deine Rechnung, Damp“, versicherte Böhnke sich noch einmal.

      „Versteht sich. Also für Böhnke noch ein Bier. Ich zahle es dann mit.“

      Als die Kellnerin verschwunden war, fragte Damp: „Warum sind Sie denn in den letzten Tagen mit Ihrem Schlitten nicht mehr für das Hotel ‚Dornbusch‘ gefahren?“

      Böhnke sah Damp an, dann rieb er Daumen und Zeigefinger. „Wenn es hier stimmt, bin ich dabei. Wenn es hier nicht stimmt, bin ich nicht dabei.“

      „Und bei Dehne stimmte es nicht?“

      „Nö.“

      „Also stimmte es doch?“

      „Nö.“

      Damp schaute verdutzt. „Was denn nun? Ja oder nein?“

      Böhnke rieb sich das Kinn. „Nö. Es stimmte nicht.“

      „Ach so. Konnte er Sie nicht bezahlen?“

      „Genau.“

      „Um wie viel handelt es sich denn?“

      Böhnke wiegte den Kopf hin und her. „Geschäftsgeheimnis.“

      „Nun lassen Sie sich doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen“, beschwerte sich Damp.

      Das Bier kam. Die beiden prosteten sich kurz zu und nahmen dann jeder einen tiefen Schluck. Dann saßen sie sich schweigend gegenüber. Damp zermarterte sich das Hirn, wie er Böhnke die Zunge lockern könnte.

      „Ist ja ein sehr intensives Gespräch“, lästerte einer von der Theke. „Damp bringt die Zeugen nicht zum Reden, sondern zum Schweigen.“

      Damp machte einen neuen Versuch. „Wann haben Sie Martin Dehne denn das letzte Mal gesehen?“

      „Silvester.“

      „Früh oder abends?“

      „Vormittags.“

      „Und wo?“

      „Hier.“

      „Hier im ‚Haus Hiddensee‘?“, fragte der Polizist überrascht.

      „Biste blöde?“, antwortete Böhnke ärgerlich. „Mensch, in Kloster!“

      „Und

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