Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
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»Das ist doch wunderbar«, freute sich Michael. »Lena wird begeistert sein.«
Andrea stand auf und wollte sich verabschieden, doch da ertönte lauter Protest. Lena und Sebastian waren eben zurückgekommen. Natürlich hatte sich ein kleines Stieleis in der Kühltruhe angefunden – Sophie Tappert hatte wohlweislich am Morgen eine große Packung beim Herrnbacher gekauft. Als das Madel hörte, daß Andrea schon wieder gehen wollte, legte es energisch Widerspruch ein.
»Bleib’ ruhig noch«, lud Pfarrer Trenker das frischgebackene Kindermädchen ein. »Meine Frau Tappert hat einen Apfelkuchen gebacken, der gerad’ angeschnitten wird.«
Andrea folgte dieser Einladung gerne. Es wurde ein gemütliches Kaffeetrinken, und hinterher spielte sie mit Lena auf dem Rasen des Pfarrgartens.
Michael sah mit Befriedigung, wie prächtig die beiden sich verstanden. Vom ersten Augenblick hatte er das Gefühl, sich darauf verlassen zu können, daß seine Tochter bei Andrea Mahlinger in den besten Händen war. Auch während des Kaffeetrinkens hatte sich dieser Eindruck verstärkt. Das Herz blühte ihm auf, als er sah, wie liebevoll die junge Frau mit Lena umging, und einmal mehr dachte er daran, wie schön es wäre, wenn die Kleine wieder eine Mutter hätte...
Doch dann war da der Gedanke an seinen Vater. Die Sache zwischen ihnen mußte endlich aus der Welt geschafft werden. Vielleicht dann konnte er daran denken, sich wieder zu binden und für sich und die Tochter eine richtige Familie zu schaffen. Allerdings wußte er auch, daß es nicht so leicht sein würde. Die Frau, die Claras Platz an seiner Seite einnehmen wollte, die mußte schon etwas ganz Besonderes sein, und seine Liebe zu der Verstorbenen würde sie niemals streitig machen können.
Natürlich gab es nicht wenige Frauen, die ein Auge auf den attraktiven Witwer geworfen hatten, doch sie alle mußten sich an Clara Lindner messen lassen.
Michael dachte einen flüchtigen Moment auch an Hanna, die sich immer wieder alle Mühe gab, ihn zu umgarnen. Etliche Einladungen hatte er schon ausgeschlagen, ehe er dann doch ein-, zweimal zustimmte. Es waren schöne Abende gewesen, und einen gemeinsamen Ausflug mit Lena hatte es gegeben. Doch immer hatte Michael das Gefühl gehabt, daß genau das fehlte, was zu einer neuen Beziehung fehlte – innige Zuneigung, wirkliche Liebe.
Als er einmal davorstand, Hanna zu küssen, wandte er im letzten Moment den Kopf ab, wohl wissend, daß dieser Kuß für die Frau alles bedeutete. Die Enttäuschung in ihrem Gesicht war unübersehbar gewesen.
Dennoch – Michael wußte, daß auch Hanna nicht die Frau war, mit der er und Lena ihren weiteren Lebensweg gehen würden.
*
Lena war außer sich vor Freude, als sie hörte, daß Andrea sich während der Ferien um sie kümmern würde. Noch während des Spielens auf dem Rasen wurden Pläne geschmiedet, was man alles unternehmen wollte, und gleich für den nächsten Tag wünschte die Kleine sich einen Ausflug an einen See, wo man schwimmen konnte.
»Aber nur wir drei ganz alleine«, sagte sie. »Mein Papa muß immer soviel arbeiten. Jetzt soll er endlich auch mal Spaß haben.«
Michael, der von seinem Platz aus den Satz mitgehört hatte, warf seiner Tochter eine Kußhand zu.
»Wann genau kommt Ihr Vater an?« erkundigte sich Sebastian.
»Das Zimmer im ›Löwen‹ ist ab dem Dreiundzwanzigsten reserviert, hat mir die Frau Steiner verraten.«
»Also jetzt, kommenden Samstag. Na ja, bis dahin haben wir ja noch ein paar Tage Zeit uns etwas zu überlegen. Eine Idee hab’ ich da schon. Allerdings werden wir net umhin können, Andrea einzuweihen.«
»Ich denk’ auch, daß wir das tun sollten«, stimmte Michael zu. »Überhaupt werd’ ich wohl ausführlich mit ihr sprechen müssen. Sie weiß ja noch gar nix über Lena und mich, und wahrscheinlich fragt sie sich, was mit meiner Frau ist. Sie soll’s net von der Kleinen erfahren und dann völlig unvorbereitet sein. Lena geht ja recht unbefangen damit um und erzählt jedem, daß ihre Mama tot ist.«
»Was net schlecht ist«, meinte Sebastian. »Immerhin haben S’ ihr von der Mama erzählt. Viele and’re Kinder in Lenas Alter wissen überhaupt nichts darüber, wenn ein Elternteil verstorben ist.«
Das Gespräch zwischen An-drea und Michael fand am Abend statt. Lena hatte darauf bestanden, daß die junge Frau zum Essen blieb. Sebastian wischte schnell die Bedenken fort, die Andrea hatte.
»Natürlich bleibst’, wenn du keine and’re Verpflichtung hast«, sagte der Geistliche. »Ich würd’ überhaupt vorschlagen, daß du die Mahlzeiten gemeinsam mit uns einnimmst. Es wär’ ja viel zu umständlich, wenn du jedesmal zum Essen nach Haus’ laufen würdest, und meine Frau Tappert freut sich über jeden Esser, der mehr am Tisch sitzt.«
Es verstand sich von selbst, daß Andrea das Madel nach dem Essen ins Bett brachte. Sie war erstaunt, wie gut Lena schon alleine die Zähne putzte, und überhaupt verblüffte das Kind sie immer wieder. Lenas Aussprache war weit über das Maß hinaus, das andere Kinder in ihrem Alter zeigten.
Als Gute-Nacht-Geschichte wünschte sie sich das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen. Andrea las die ersten drei Seiten aus dem dicken Buch, dann bemerkte sie, daß die Kleine schon schlummerte.
Sie deckte sie zu und strich ihr über das Gesicht. Dann löschte Andrea das Licht und ging hinaus. Michael kam eben die Treppe herauf. Das Kindermädchen legte seinen Zeigefinger auf die Lippen.
»Schläft sie etwa schon?« fragte der Witwer überrascht.
»Ja, gerad’ eben.«
»Das ist ein gutes Zeichen«, meinte Michael, während sie wieder hinuntergingen. »Selbst bei uns’rer Nachbarin, wo Lena manchmal bleibt, wenn ich abends Termine hab’, dauerts immer noch eine ganze Weile, ehe sie einschlafen will.«
Es war noch herrlich warm draußen. Sebastian hatte eine Flasche Wein aus dem Keller geholt. Er stellte sie, mit den Gläsern, auf den Gartentisch.
»So, ihr zwei, ich laß euch jetzt allein«, sagte er. »Im Arbeitszimmer liegt noch einiges, was erledigt werden will. Ihr habt ja ohnehin noch was zu besprechen.«
Andrea sah Michael fragend an.
»Ich dacht’, es wär’ alles geklärt...?«
»Das ist’s ja auch«, beruhigte er sie und bat sie, Platz zu nehmen. »Allerdings gibt’s da noch ein bissel was, über das ich mit Ihnen reden möcht’. Natürlich nur, wenn S’ noch Zeit haben, oder werden S’ erwartet?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. Die Eltern wußten, wo sie war, und sonst wartete niemand auf sie. Vor ein paar Wochen hätte sie sich schon geärgert, noch aufgehalten zu werden. Da hatte es einen Mann in ihrem Leben gegeben, mit dem sie am liebsten jede freie Minute verbracht hätte. Aber... Andrea wollte nicht mehr an Hartmut Obermayr denken. Dazu hatte die Angelegenheit zu weh getan...
Sie setzte sich und sah Michael Lindner erwartungsvoll an.
»Tja, wie soll ich eigentlich beginnen?« sagte Michael nachdenklich, nachdem er den Wein eingeschenkt hatte. »Es geht darum, daß ich Ihnen erzählen wollt’, daß Lenas Mutter net mehr lebt...«
Andrea