Mami Staffel 11 – Familienroman. Edna Meare

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Mami Staffel 11 – Familienroman - Edna Meare Mami Staffel

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rührte sich nicht. Nur ein leises Schluchzen war zu hören. Da stand er auf und füllte eine Tasse mit dem Kaffee aus der Maschine. Er fügte Zucker und Sahne hinzu und trat wieder zu ihr.

      »Hier, trink einen Schluck. Seit wann hast du heute Dienst? Seit sieben Uhr früh, nicht? Es ist gleich fünf Uhr nachmittags, Astrid. Du gehörst nach Hause ins Bett. Und morgen sieht alles schon wieder anders aus.«

      Mehr fiel ihm nicht ein. Wenn ihm ihr Kummer nicht so nahgegangen wäre, hätte er vielleicht klügere Worte gefunden. Er stellte die Tasse ab und sah sich suchend nach dem Krankenblatt um. Annalena Ossiander, geborene Achtmann, dreiunddreißig Jahre, stand da. Innere Verletzungen. Quetschungen der Milz und Leber… Da wußte er alles.

      »Ich habe jämmerlich versagt«, hörte er Astrid flüstern. »Eine junge, schöne Frau, Mutter einer Tochter, voller Leben, Liebe und Hoffnung.« Sie schluckte. »Sie starb mir unter den Händen weg.«

      »Ich weiß, daß ihr nichts unversucht gelassen habt, Astrid. Das Tages-Team im OP leistet genauso Unmenschliches wie wir im Nachtdienst.«

      »Aber wir hätten… aber es ging nicht. Glaube mir, ich habe nichts unversucht gelassen. Es war zu spät.«

      Sie hob den Kopf. Ihr herzförmiges Gesicht mit dem rosigen, von niedlichen Sommersprossen übersäten Teint sah ihm tränenüberströmt entgegen. Die hellblauen Augen verrieten Müdigkeit, Niedergeschlagenheit und grenzenlose Verzweiflung.

      »Ihre Uhr war abgelaufen, Astrid. Du weißt, wie oft ich mir damit selbst helfen mußte.«

      »Ach, Kurt! Gut, daß du da bist!« aufschluchzend hob sie die Arme und lehnte sich gegen ihn.

      Dr. Wittek reichte ihr die Tasse, und sie trank.

      »Sind die Angehörigen schon benachrichtigt?« fragte er vorsichtig, als er bemerkte, daß sie ruhiger wurde.

      Astrid nickte.

      »Fabian Ossiander ist heute mittag zu einem Konzert nach Stuttgart geflogen. Er wird erst morgen eintreffen.«

      »Ach du Schreck. Der Dirigent Ossiander? Und die Tochter?«

      »Die Tochter?« Sie sah ihn an, als erwache sie aus einem Traum. »Sie liegt noch im Beobachtungsraum. Irgendwann wird sie aus der Narkose erwachen.«

      Kurt verstand nicht gleich. »War sie auch in den Unfall verwickelt?«

      »Ja, Quetschung des Knies, Fraktur des Oberschenkels, ein fast zertrümmerter Beckenteil. Aber die vom ersten Team haben sie wieder zusammengeflickt.«

      Astrid sprach jetzt wie eine erfahrene und abgebrühte Medizinerin. Aber ein Blick, und er sah wieder ihre andere Seite. Die ihrer verletzlichen Seele, die von der Teilnahme an Patientenschicksalen immer wieder verwundet wurde und danach so schwer heilte.

      »Es wird Monate dauern, bis sie wieder laufen kann, Kurt.«

      Er nickte. »Weiß sie vom Tod ihrer Mutter?«

      »Nein! Das kann ich nicht. Das muß ihr doch der Vater sagen.«

      Nach längerem Nachdenken nahm er ihre Hand. »Astrid, ich bin mehr als dein Kollege. Wir sind Freunde. Du weißt, wie gern ich dich habe. Aber ich denke, du solltest zu dem Mädchen gehen, wenn es aufwacht. Während der nächsten zwei Wochen hast du immer Tagesdienst. Du wirst sie betreuen. Ist es nicht besser, du versuchst gleich, ihr Vertrauen zu gewinnen?«

      »Unmöglich, Kurt. Wie soll ich ihr begegnen? Ich habe ihre Mutter auf dem Gewissen!«

      »Nein, das hast du nicht. Keinen von uns trifft die Schuld, wenn ein Unfallopfer sein Leben verliert.«

      »Soll ich dem Kind mit diesen Worten die Wahrheit sagen? Bist du verrückt?« Sie kämpfte gegen ein Aufschluchzen.

      »Du mußt es ihr noch nicht sagen, Astrid. Aber sie wird… wie heißt das Mädchen?«

      »Ich glaube… Claudia. Ja, Claudia Ossiander.«

      Astrid trank den Kaffee aus. Die Hand, die den Becher hielt, zitterte. Ihm wurde ganz flau im Magen.

      »Wir können gemeinsam gehen. Ich bin bei dir, Astrid. Daß du, wenn es drauf ankommt, immer wieder eine ungeheuerliche Kraft entwickeln kannst, wissen wir doch. Nicht wahr?«

      Sie sah ihn lange an. Dann nickte sie. Kurz darauf erhob sie sich, trat ans Waschbecken im Raum, sah sich im Spiegel an und ordnete flüchtig ihr Haar.

      »Ich bin bereit, Kurt. Bitte, laß mich nicht allein.«

      Der untere Teil von Claudias Körper war fest einbandagiert. Eine der beiden Kanülen führte bis zu ihrer Nase, eine andere endete an ihrem Handgelenk. So lag sie unbeweglich und mit geschlossenen Augen im großen Klinikbett, umgeben von mehreren Geräten, die die kalte Zweckmäßigkeit des Raums nur noch verstärkten.

      Astrid trat leise näher und beugte sich über die kleine Patientin. Auf dem Kissen um den schmalen Kopf herum hatte man ihr Haar ausgebreitet. Wie sanfte Wogen umgab es das zarte Gesicht mit den noch geschlossenen Augen.

      Dieser Anblick schnürte Astrids Kehle zusammen. So fürchtete sie sich vor dem Augenblick, an dem die kleine Claudia die Augen aufschlagen und nach ihren Eltern fragen würde. Aber Kurt war bei ihr, und mit jeder weiteren Sekunde in der Nähe des Mädchens verlor sich ihre krampfhafte Anspannung. Von den Zügen des Kindes ging Friede aus. Das Gefühl, helfen und trösten zu können, ließ tatsächlich wieder ungeahnte Kräfte in ihr entstehen.

      »Sie ist eine kleine Schönheit«, hörte sie Kurt flüstern und blickte ihn an. Er lächelte flüchtig. »Das meinst du auch, nicht wahr, Astrid? Ein so schönes Kind hat einen guten Charakter. Sie wird dir für jede Sekunde deiner Gegenwart danken.«

      »Soll das heißen, du läßt mich mit ihr allein?«

      Gerade wollte er den Kopf schütteln, als ein kaum merkliches Geräusch seinen Blick zur Patientin zwang. Das Mädchen hatte die Augen geöffnet und begann sofort, ihre Lippen mit der Zunge zu benetzen. Dann sah es die beiden Gestalten im weißen Kittel.

      »Wo… wo bin ich?«

      Astrid war sofort an ihrer Seite. »Landesklinik München. Du heißt Claudia, nicht wahr? Ich bin Astrid, deine Ärztin.«

      Claudias Blick sog sich an ihrem Gesicht fest. »Und… Mama? Ist sie zu… zu ihm gefahren?«

      Sofort glaubte Astrid zu wissen, was dem Kind jetzt am wichtigsten war. »Du meinst, deine Mutter ist bei deinem Vater? Nein, das war nicht möglich. Ihr habt einen schweren Unfall gehabt. Deshalb wird dein Vater herkommen. Schon morgen.«

      »Aber wo ist meine Mama denn?«

      Kurt sah, wie hilflos diese Frage Astrid machte. »Deine Mutter schläft noch. Sie ist auch verletzt.«

      »Schlimm?«

      »Ja«, gab Kurt dann zu. »Ihre Verletzungen waren schwerer als deine, aber glaub mir, sie ist in guten Händen.«

      »Dann… dann ist sie hier? Nicht am Gardasee?«

      »Ja, sie ist hier, Claudia.«

      Astrid

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