Gabriele Reuter – Gesammelte Werke. Gabriele Reuter

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Gabriele Reuter – Gesammelte Werke - Gabriele Reuter Gesammelte Werke bei Null Papier

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die Be­loh­nung für fünf­und­zwan­zig­jäh­ri­ge Dienst­leis­tung in ein und der­sel­ben Fa­mi­lie er­wer­ben. Die Kö­ni­gin schenk­te in sol­chen sel­te­nen Fäl­len ein sil­ber­nes Kreuz und eine Bi­bel.

      Und weil die Rä­tin Heid­ling Dor­tes Hoff­nun­gen teil­te, ja, weil im Grun­de die­se öf­fent­li­che Aner­ken­nung der Her­rin eben­so­viel Ehre brach­te, als der Die­ne­rin, dar­um be­hielt sie sie ge­dul­dig im Haus, ob­wohl Dor­te sich durch­aus nicht ge­neigt er­wies, Aga­the Ein­bli­cke in ihre Kunst zu ge­stat­ten.

      Konn­te Aga­the von Dor­te nichts ler­nen, so nahm sie sich de­sto eif­ri­ger der Er­zie­hung des klei­nen Haus­mäd­chens an, wel­ches mit ihr zu­sam­men kon­fir­miert wor­den war. Pas­tor Kand­ler hat­te ihr die Verant­wor­tung für das un­ver­dor­be­ne Land­kind warm ans Herz ge­legt. Sie gab also Wie­sing Gro­ter­jahn am Sonn­tag Nach­mit­tag Ge­schich­ten von From­mel und Ma­rie Na­thu­si­us zu le­sen, und hielt ihr klei­ne mo­ra­li­sche Vor­trä­ge über die Schäd­lich­keit und die Ge­fah­ren der Tanz­bö­den. Wäh­rend Frau Re­gie­rungs­rat es pas­sen­der fand, das Mäd­chen Lui­se zu ru­fen, ob­wohl dem heim­weh­kran­ken Kin­de an­fangs je­des Mal die Trä­nen in die Au­gen schos­sen, nann­te Aga­the sie nach wie vor mit der trau­li­chen Ab­kür­zung »Wie­sing«. Nah­men sie zu­sam­men eine Ar­beit vor, so un­ter­hielt sie sich freund­lich mit Wie­sing und such­te ihr be­greif­lich zu ma­chen, wie gut es für sie sei, in ei­nem Hau­se zu die­nen, wo kei­ne Sor­ge und nichts von dem Elend, wel­ches die Ar­bei­te­rin­nen in Fa­bri­ken er­war­te, an sie her­an­tre­ten kön­ne. Es be­küm­mer­te Aga­the zu­wei­len, dass trotz ih­rer lieb­rei­chen Be­mü­hun­gen Wie­sing ihr kein rech­tes Ver­trau­en zu schen­ken schi­en.

      »Die Mäd­chen be­trach­ten Euch als ihre na­tür­li­chen Fein­de, und im Grun­de ha­ben sie recht dar­in«, hat­te Mar­tin ein­mal ge­sagt. Das konn­te Aga­the doch nicht ver­ste­hen.

      In­des­sen in­ter­es­sier­te sie sich nach und nach weit mehr für ih­ren ima­gi­nären Ge­lieb­ten, als für die See­len­bil­dung des Haus­mäd­chens, und be­küm­mer­te sich nur noch um sie, wenn die­se ihre Diens­te brauch­te.

      »Fräu­lein«, sag­te Wie­sing ei­nes Mor­gens, als sie Aga­the war­mes Was­ser in ihr Schlaf­zim­mer brach­te, und da­bei stand sie mit ge­senk­ten Au­gen, »an mei­ner Tür is kein Rie­gel, könn­te da nicht ei­ner an­ge­macht wer­den?«

      »Ja – hast Du denn kei­nen Schlüs­sel?«

      »Den hat der jun­ge Herr ab­ge­zo­gen«, stot­ter­te Wie­sing.

      »Der jun­ge Herr? Was ist denn das für dum­mes Zeug! Du hast ihn si­cher ver­lo­ren!«

      »Ne, Frö­len!«

      »Lüge nicht, Wie­sing. Als ob Du je­mals sa­gen wür­dest, wenn Du et­was zer­bro­chen oder ver­lo­ren hast!«

      »Ne, Frö­len – ach mien lei­wer Gott – ick wet mie jo gor nich mehr tau hel­pen!«

      »Ich ver­ste­he Dich gar nicht. Was willst Du denn – so rede doch hoch­deutsch«, sag­te Aga­the un­ge­dul­dig und goss das war­me Was­ser in ihre Wasch­schüs­sel.

      »De jun­ge Herr – seg­gen Se man nix tau de Fru Re­gie­rungs­rä­ten – ik hew jo da ok nix von seggt, un Dor­te die seggt, ik red­te mir das man bloß ein!«

      Das run­de, kin­di­sche Ge­sicht des Mäd­chens ver­schwand in ih­rer wei­ßen Schür­ze, sie schluchz­te er­bärm­lich.

      Aga­the sah sie er­staunt an. Plötz­lich wur­de sie dun­kel­rot.

      »Wal­ter hat Dich wohl nur er­schre­cken wol­len«, sag­te sie lei­se. »Ich will ihm sa­gen, dass Du sol­che Spä­ße nicht magst!«

      Wie­sing hob das nas­se Ge­sicht und sah Aga­the mit ver­stör­ten blau­en Au­gen hilf­los an. »Fräu­lein – das war ja wull kein Spaß!«

      »Ach, was denn sonst. Du dum­mes Ding. Denkst Du denn … mein Bru­der ist ja ver­lobt!«

      »Det hew ik den jun­gen Herrn ok seggt, he sullt sich de Sün­d’ schä­men, hew ik seggt. He wull un wull nich hö­ren … Frö­len, wenn he wie­der kimmt – ik wet mie nich tau hel­pen!«

      »Wie­der kommt?« frag­te Aga­the, wie in ei­nem be­ängs­ti­gen­den Traum er­star­rend. »Wo hat er Dir das ge­sagt?«

      »In mien lüt­t’ Kam­mer.«

      »Lui­se, Du lügst«, schrie Aga­the zor­nig.

      Das Mäd­chen schluchz­te nur noch hef­ti­ger.

      Aga­the ging von ihr fort, an das an­de­re Ende des Zim­mers.

      »Mein Gott – mein Gott!« stam­mel­te sie nach ei­ner Wei­le und wand die Hän­de in ein­an­der.

      »Wie­sing, wir wol­len Mama nichts sa­gen«, flüs­ter­te sie, ihre Trä­nen ström­ten da­bei. »Mama könn­te das nicht er­tra­gen, sie ist oh­ne­hin so kränk­lich – und sie hat Wal­ter so lieb!«

      »Jo Frö­len!«

      »Du musst aus dem Haus, Wie­sing.«

      »Jo Frö­len!«

      »Wie fan­gen wir das nur an?«

      Wie­sing ant­wor­te­te nicht.

      »Ich muss mit Wal­ter re­den. Mein Gott – das kann ich ja nicht – das kann ich ja nicht – Was ist denn nur über ihn ge­kom­men!«

      »So’n fie­ner jung’ Herr«, sag­te Wie­sing nach­denk­lich und trock­ne­te sich die Au­gen.

      »Zum Don­ner­wet­ter! wo sind nur mei­ne Stie­fel wie­der! Lui­se!« rief Wal­ter im Flur.

      Die bei­den Mäd­chen schra­ken zu­sam­men und blick­ten sich er­schro­cken an.

      »Er hat doch sei­nen Bur­schen zur Be­die­nung«, mur­mel­te Aga­the.

      »Lui­se!« scholl des Lieu­ten­ants grol­len­de Stim­me aufs Neue über den Flur. Das klei­ne Haus­mäd­chen lief in der Ge­wohn­heit des Ge­hor­sams hin­aus.

      Aga­the horch­te, mit ei­nem Ge­fühl, als sei­en ihr die Glie­der ab­ge­stor­ben, was drau­ßen zwi­schen den bei­den vor sich ging.

      Wal­ter sag­te je­doch nur kurz und scharf: »Lui­se, ru­fen Sie mir den Bur­schen.« Wie­sing ant­wor­te­te mit ih­rem müh­sa­men Hoch­deutsch: »Ja, Herr Lieu­ten­ant.« Da war es Aga­the plötz­lich, als habe sie das eben Ge­hör­te al­les nur ge­träumt.

      So leicht ging es doch nicht, sich dar­über hin­weg­zu­set­zen.

      Jetzt muss­te sie über­le­gen, ohne mit Rat un­ter­stützt

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