Gabriele Reuter – Gesammelte Werke. Gabriele Reuter
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gabriele Reuter – Gesammelte Werke - Gabriele Reuter страница 74
Teilnehmend drängte man sich um Eugenie. Sie trug einen Tüllshawl über einer roten Schramme am Halse und gab mit halblauter, mitleidig-ernster Stimme Auskunft.
Zwei Wärterinnen hüteten die Kranke. Es durfte niemand zu ihr. Morgen sollte sie transportiert werden.
Nein – man wusste keinen Grund – absolut keinen!
Eine unglückliche Liebe? Bewahre – in früheren Jahren – aber Agathe war immer ein so verständiges Mädchen gewesen … Gott – prüde, zurückhaltend konnte man sie eher nennen. Nicht wahr, Lisbeth? – Und sie beide hatten sich immer so gut gestanden – sie waren ja Freundinnen von Kindheit her …
Zu schauerlich – zu entsetzlich … flüsterte sie Lisbeth Wendhagen zu – die arme Agathe beschuldigte sich, Dinge getan zu haben – vor dem Doktor und den Krankenwärterinnen – es war ja ganz unsinnig – kein Wort davon wahr! Sie hatte ja nicht die kleinste Backfischliebschaft gehabt … Und sie nannte sich mit Namen – brauchte Ausdrücke, als ob ein böser Geist aus ihr redete. Eugenie begriff es nicht, wo sie die abscheulichen Worte nur gehört haben konnte.
Jener Frühlingsabend unter dem alten Taxusbaum, wo sie der kleinen Spielgefährtin die von den Zigarrenarbeitern und Dienstboten erlauschten, unreinen Geheimnisse ins Ohr geflüstert – den hatte Frau Lieutenant Heidling längst vergessen.
*
Mit Bädern und Schlafmitteln, mit Elektrizität und Massage, Hypnose und Suggestion brachte man Agathe im Laufe von zwei Jahren in einen Zustand, in dem sie aus der Abgeschiedenheit mehrerer Sanatorien wieder unter der menschlichen Gesellschaft erscheinen konnte, ohne unliebsames Aufsehen zu erregen.
Sie wohnt bei ihrem Vater und hat soviel damit zu tun, die Vorschriften, welche die Ärzte ihr mitgegeben haben, getreulich zu befolgen, dass ihre Tage und ihre Gedanken so ziemlich ausgefüllt sind. Regelmäßig um drei Uhr sieht man sie neben ihrem Vater spazieren gehen, einfach und gut gekleidet – von weitem kann man sie immer noch für ein junges Mädchen halten. Weil die Ärzte dem Regierungsrat gesagt haben, seine Tochter brauche nur ein wenig geistige Anregung, erzählt er ihr, was er des Morgens in der Zeitung gelesen habe. Nach dem Kaffee begibt sich Papa ins Lesemuseum, abends spielt er Whist mit ein paar alten Herren, und Agathe legt Patience.
So leben sie still nebeneinander hin – voller Rücksichten und innerlich sich fremd.
Agathes Gedächtnis hat gelitten – in ihrer Vergangenheit sind Abschnitte, auf welche sie sich nicht mehr besinnen kann. Einem längeren Gespräch zu folgen, ist ihr nicht möglich. Sie hat sich eine Sammlung von Häkelmustern angelegt und freut sich, wenn sie ein neues hinzufügen kann. Die Zukunft macht ihr keine Sorge mehr. Sie begreift auch nicht, dass so vieles sie früher aufregen konnte – jetzt lässt alles, was nicht ihre Gesundheit betrifft, sie ganz gleichgültig. Sie seufzt oft und ist traurig – zumal wenn die Sonne hell scheint und die Blumen blühen, wenn sie Musik hört oder Kinder spielen sieht. Aber sie wüsste kaum noch zu sagen, warum …
Walter und Eugenie bemühen sich, eine Stelle für sie in dem neugegründeten Frauenheim zu erlangen. Denn, sollte Papa einmal abgerufen werden … ins Haus nehmen kann man sie doch nicht gut, zu den Kindern – ein Mädchen, das in einer Nervenheilanstalt war …
Und Agathe hat vielleicht ein langes Leben vor sich – sie ist noch nicht vierzig Jahre alt.
ENDE
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.