Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Er wusste, dass in jedem Spaß ein Körnchen Wahrheit steckte. So war es auch diesmal. Fee schmiegte sich enger an ihren Mann und schickte ihm einen tieftraurigen Blick.
»Ehrlich gesagt leide ich unter akutem Liebesentzug mit nicht absehbaren Langzeitfolgen«, gestand sie halb spaßend, halb im Ernst.
»Ach, du liebe Zeit!« Eine besorgte Falte grub sich tief in Daniels Stirn. »Das ist ja furchtbar. Hältst du eine Therapie mit hohen Dosen an Streicheleinheiten für vielversprechend?«
Nachdenklich wiegte Felicitas den Kopf.
»Schon möglich. Allerdings klingt es, als ob diese Therapie viele Nebenwirkungen hat«, erklärte sie so ernsthaft, dass Daniel um ein Haar in amüsiertes Gelächter ausgebrochen wäre. Doch Fee zuliebe hielt er sich zurück und spielte ihr amüsantes Spiel weiter mit.
»Welche Art von Nebenwirkungen befürchtest du denn?«
»Oh, frag lieber nicht«, verriet sie mit Grabesstimme. »Die Sehnsuchtsattacken sind noch das Harmloseste. Viel schlimmer sind die Gelüste nach noch mehr Zweisamkeit, die sich unweigerlich einstellen werden.«
»Dann sollten wir gleich, wenn Roman und Jenny aus Afrika zurück sind, die Koffer packen und uns ein paar Tage Auszeit an einem geheimen Ort gönnen. Dort, wo uns niemand findet.« Unwillkürlich musste Daniel an Jenny denken. Zu Beginn ihres Urlaubs hatte sie ihr Handy kurzerhand in einem Swimmingpool versenkt, um im wohlverdienten Urlaub nicht ständig von Anrufen aus der Klinik gestört zu werden. Selbst der engagierteste Arzt brauchte einmal eine Auszeit von seinem anstrengenden Beruf. Das bekam auch Daniel im Augenblick am eigenen Leib zu spüren. »Was hältst du von dem Gartenhotel Alpenblick, in das wir die beiden eingeladen haben? Das muss wirklich traumhaft schön sein und ist deiner mit Sicherheit würdig«, machte er einen verlockenden Vorschlag.
Zu seiner großen Verwunderung verschwand das schalkhafte Blitzen aus Fees Augen, und unvermittelt wurde sie ernst.
»Das wäre wirklich zu schön, um wahr zu sein«, seufzte sie. »Leider wird daraus nichts werden, weil du Danny nicht schon wieder mit der Praxis allein lassen kannst. Zumal er ja noch an seiner Doktorarbeit sitzt, mit der er langsam mal fertig werden sollte.«
Daniel Norden seufzte bedauernd. Mit jedem Wort hatte seine Frau recht.
»Sieht ganz danach aus, als ob es das Schicksal im Moment nicht gut mit uns meint. Dabei haben wir vor Roman noch großartig getönt, wie wichtig wir unsere Beziehung nehmen und stets darauf achten, in all dem Stress genügend Zeit füreinander zu finden.«
Während Fee über diese Worte nachdachte, streichelte sie ihren Mann. Selbst nach so vielen Jahren elektrisierte sie dieses Gefühl seiner nackten Haut unter ihrer Hand.
»Hmmm, dann bleibt uns im Moment wohl nichts anderes übrig, als die Therapie vorzuziehen«, gurrte sie und beugte sich über ihn, um ihn zu küssen.
»Nichts lieber als das«, erklärte sich Daniel nach einem kurzen Blick auf die Uhr gern bereit und erwiderte ihre sanften Berührungen. »Wenn du nachher im Bad nicht zu lange brauchst…«
»Für den Mann, den sie lieben, können Frauen Berge versetzen«, verriet Fee mit vor Leidenschaft rauer Stimme. »Und sogar in fünf Minuten im Bad fertig sein.«
*
»Nanu, was ist denn hier los?«, wunderte sich Felix Norden, als er an diesem Morgen ins Erdgeschoss kam. Anders als sonst war es überall stockfinster, und um ein Haar fiel er über eine Leiter, die an der Wand lehnte. »Himmel, das ist ja lebensgefährlich hier«, schimpfte er und tastete nach dem Lichtschalter. Endlich flammte die Deckenlampe auf. Tatsächlich herrschte noch überall nächtliche Ruhe. Keine Spur war von Lenni, dem guten Geist des Hauses Norden, zu sehen und Felix beschloss kurzerhand, sich selbst in der Küche zu schaffen zu machen. Als seine Eltern die Treppe herunter kamen, wurden sie wie üblich vom Duft nach frischem Kaffee begrüßt, der verführerisch durchs Haus zog.
»O Felix, du machst heute Frühstück?«, begrüßte sein Vater ihn verwundert und warf einen Blick auf den Tisch, den der zweitälteste Sohn des Hauses inzwischen liebevoll gedeckt hatte. »Wo steckt denn Lenni?«
Ratlos zuckte Felix mit den Schultern.
»Keine Ahnung.«
Es war Fee, die eine Antwort auf diese Frage hatte.
»Sie hat sich gestern Abend noch eingebildet, die Gardinen abzuhängen und zu waschen. Dabei ist ihr schwindlig geworden, und ich hab sie ins Bett geschickt«, berichtete sie. Sie war ihrem Mann gefolgt und knöpfte den letzten Knopf ihrer Bluse zu, ehe sie sich fragend umsah. »Sie klagte über einen Anflug von Grippe. Vielleicht schläft sie sich einfach aus«, mutmaßte sie.
»Schon möglich. Aber deshalb muss sie doch nicht dafür sorgen, dass wir alle auf dem Krankenlager landen«, beschwerte sich Felix mitleidheischend. »Sie hat die Leiter mitten im Weg stehen gelassen, und ich hätte mir fast den Hals gebrochen.«
»Zum Glück ist ja nichts dergleichen passiert, und du konntest uns ein herrliches Frühstück zubereiten«, gab Daniel Norden augenzwinkernd zurück und setzte sich an seinen Platz.
Er hatte nicht mehr viel Zeit. Schon bald würde ihn das Klinikleben wieder in Beschlag nehmen, und er wollte wenigstens noch halbwegs in Ruhe frühstücken. »Der Kaffee ist köstlich.«
»In dir schlummern wirklich ungeahnte Talente«, lobte auch Fee ihren Sohn. »Eigentlich könntest du Lenni diese Arbeit in Zukunft immer abnehmen. Schließlich ist sie nicht mehr die Jüngste. Etwas weniger Arbeit und mehr Ruhe schaden ihr sicher nicht.«
Im Gegensatz zu ihrem Mann trank sie ihren Kaffee im Stehen, ehe sie sich nach dem Wohlergehen ihrer Haushälterin erkundigen wollte. Doch so weit sollte es nicht kommen.
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, ertönte gleich darauf Lennis resolute Stimme, und alle drehten sich nach ihr um.
»Da bist du ja!«, begrüßte Felix die Haushälterin, die ihm in all den Jahren wie eine Großmutter ans Herz gewachsen war. Er musterte sie eingehend. »Geht’s dir gut?«
»Natürlich! Unkraut verdirbt schließlich nicht.« Sie warf einen herausfordernden Blick in die Runde ihrer Lieben. »Was ist? Warum schaut ihr mich so an?«, fragte sie deutlich gereizt.
»Ehrlich gesagt haben Sie schon mal besser ausgesehen«, gestand Felicitas. Tatsächlich war Lennis gütiges Gesicht ungewöhnlich blass, und die Falten um die Augen tiefer als sonst. »Soll Daniel Sie mit in die Klinik zur Untersuchung nehmen?«
»Papperlapp!«, lehnte sie energisch ab und nahm den Kaffee, den Felix ihr zuvorkommend reichte. »Wegen so einem Anflug von Grippe renn ich doch nicht gleich zum Arzt. Ich bin doch kein Hypochonder.« Kopfschüttelnd wandte sich Lenni ab und belegte ihr Revier, die Küche, wieder mit Beschlag.
Felix sah ihr nach, wie sie schimpfend und murrend aus dem Esszimmer ging.
»Das ist der beste Beweis, dass sie munter ist wie ein Fisch im Wasser«, bemerkte er und setzte sich an den Tisch.
Sein Magen hatte sich mit einem lauten Knurren bemerkbar gemacht, und er griff gerade nach einer Scheibe Brot, als ein Krachen, gefolgt von einem lauten Geheul, aus dem Treppenhaus zu hören war.
»Was ist denn jetzt