Mami Staffel 8 – Familienroman. Lisa Simon

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Mami Staffel 8 – Familienroman - Lisa Simon Mami Staffel

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Vertrauen, das in Hannes Augen schimmerte.

      »Was machen wir jetzt? Glauben Sie, daß sie Schmerzen hat?«

      Wie hatte er gesagt. Der Junge nahm ganz selbstverständlich an, daß er helfen konnte.

      Es war, als rollte blitzschnell ein Film in Jonathans Gedanken ab. Er sah sich selbst verletzte Tiere zu seinem Onkel bringen, voll Vertrauen in dessen Fähigkeiten, das Tier wieder gesund zu machen.

      Behutsam nahm er es aus Hannes’ Händen, er nickte, lächelte beruhigend.

      »Ich denke, es hat keine Schmerzen. Das Tier hat Angst, so nahe wird es noch nicht mit Menschen in Berührung gekommen sein.«

      Er sah auf das zitternde weiße Bündel hinunter, die Möwe versuchte, mit dem spitzen Schnabel in seine Hand zu hacken, aber dann ließ das Tier den Kopf zur Seite fallen und ergab sich in sein Schicksal.

      »Weiß der Teufel, wie lange sie schon da gelegen hat«, murmelte Johann. »Zwei Möwen flogen kreischend über sie herum. Glauben Sie, daß die ihr was tun wollten?«

      »Wir werden mit ihr in die Küche gehen, Hannes. Wir werden ihr was zu trinken einflößen und dann werde ich mir den Flügel ansehen.«

      Die Bewunderung in Johanns Stimme war nicht zu überhören.

      »Glauben Sie, daß Sie ihr helfen können? Und daß sie wieder gesund wird, daß sie wieder fliegen kann?«

      Jonathan fühlte sich plötzlich wunderbar, so, als hätte jemand eine Last von seinen Gliedern genommen.

      »Ich hatte einen Onkel, der Tierarzt war. Ich habe als Junge alle möglichen Tiere herangeschleppt, mein Onkel behauptete immer, so oft wie ich wäre kein anderer in seiner Praxis. Ich habe immer zugeschaut und später habe ich sogar manches Tier allein verarzten können. Wir müssen den Flügel schienen. Das hört sich viel komplizierter an, als es ist«, tröstete er den Jungen, der so unglücklich aussah, daß man ihn einfach trösten mußte. »Wenn er zu schwach ist, allein zu trinken, unser Kranker, dann werden wir ihm mit einer Pipette Wasser einflößen. Alles kein Problem, zusammen schaffen wir es leicht.«

      Johann öffnete die Küchentür. Auf der Ablage stapelte sich das schmutzige Geschirr. Jonathan hatte vergessen, die einzige Topfblume zu gießen, mit hängenden Blättern trauerte sie ihrem Ende entgegen.

      Das alles sahen die beiden nicht. Jonathan legte die Taube behutsam auf den Küchentisch. »Du mußt sie festhalten, Hannes. Ich hole alles zusammen, ich glaube, sie ist ohnmächtig geworden.«

      »Ist sie tot?« Schrecken flog über Johanns Gesicht. Ganz weiß war er.

      »Nein, sie atmet noch, sieh doch, wie sich die Brust hebt und senkt.«

      Sie arbeiteten einträchtig miteinander, Johann war voll Bewunderung für den Mann, aber als der Flügel geschient war und die Möwe auf dem Küchentisch hockte und verlorene, heisere Schreie ausstieß, weinte er.

      Jonathan ließ ihn weinen und fragte nichts. Er streichelte die Möwe, hielt sie fest, damit sie sich durch das Herumgezappele nicht noch mehr verletzte.

      »Entschuldigung«, stieß Johann schluchzend hervor. »Ich heule sonst wirklich nicht einfach so.«

      »Glaube nur nicht, daß ich nicht auch manchmal weine. Weißt du, was mir ein weiser Mann einmal sagte: weinen ist seelischer Stuhlgang.«

      Johann grinste freudlos.

      »Es ist nur…« Er stieß die Worte abgehackt heraus und wagte nicht, den Mann anzusehen. »In mir sitzt eine Angst, ich weiß nicht waurm. Immer hab ich Angst. Früher kannte ich so ein Gefühl gar nicht. Aber seitdem sie tot sind… meine Eltern meine ich… da sitzt sie in mir. Sie quält mich, sie läßt mich nicht schlafen. Mir ist es manchmal, als wackelte ein Stein über meinem Kopf, der jeden Moment herunterfallen könnte. Verrückt, was?«

      »Gar nicht. Der Tod der Eltern hat euch aus eurem behüteten Alltag herausgewirbelt. Ganz normal, daß du dich wie ein Blatt im Wind fühlst.«

      »Genauso ist es«, stieß er erleichtert aus, glücklich, daß der Mann ihn verstand. »Ich habe nie darüber nachgedacht, nicht im Traum ist mir der Gedanken gekommen, daß meine Eltern sterben könnten. Daß ein Leben ohne sie möglich war… das habe ich nie in Erwägung gezogen. Ich mag mit Susanne nicht darüber sprechen, Susanne ist wunderbar. Aber ich habe immer Angst, daß ihr auch etwas passieren könnte. Wenn sie länger als fünf Minuten fortbleibt, bin ich in Panik. Wie soll das weitergehen? Das kann doch nicht immer so bleiben! Ich hab’ einmal versucht, mit Thomas darüber zu sprechen, aber zum Glück empfindet er nicht so. Lea, ja, die sieht manchmal so komisch aus, so verloren, so wie die Waisenkinder auf den Fotos.«

      Er legte dem Jungen die Hand auf die Schulter, es würgte Jonathan im Hals. Und nicht das kleinste Wort fiel ihm ein, das er dem Jungen zum Trost sagen konnte. Jonathan spürte, daß alle Flosken, die man für gewöhnlich auf Lager hatte, hier nicht angebracht waren.

      Es bleibt nicht so… Zeit heilt Wunden, Zeit hilft…

      »Sieh mal, unser Patient ist eingeschlafen. Ich habe mir überlegt, Hannes, wir brauchen eine große Kiste, sie muß so hoch sein, daß sie nicht heraushüpfen kann. Und verletzen darf sie sich natürlich auch nicht.«

      Johann krauste die Nase, die Tränen hingen noch an seinen Wimpern, für einen Jungen hatte er beinahe zu lange Wimpern. Jedes Mädchen mußte ihn darum beneiden.

      »Aber wohin stellen wir die Kiste? Charlie wird sich vermutlich nicht mit ihr anfreunden. Der Kerl ist ja eifersüchtig auf alle Tiere.«

      »Wir lassen sie einfach hier«, bestimmte Jonathan fröhlich. »Sie ist doch hier gut aufgehoben. Du kannst natürlich so oft herüberkommen, wie du willst. Vielleicht können wir uns die Arbeit mit dem Füttern teilen.«

      Johann glühte vor Eifer, für den Augenblick hatte er seinen Kummer vergessen.

      »Toll. Was fressen Möwen denn?«

      »Wir werden das in meinem schlauen Buch nachlesen. Jeden Tag können wir natürlich keine Fische für sie fangen, sie wird sich schon mit bescheidener Kost zufrieden geben müssen«, lachte Jonathan und legte dem Jungen wie selbstverständlich die Hand auf die Schulter, so, als wären sie gleichaltrige gute Freunde.

      »Sie… Sie sind einfach knorke«, stieß Johann heraus und wurde brandrot dabei. »Dämlich von uns, daß wir in Ihnen unseren Feind sahen. Wir haben Sie sogar mit einer bekloppten Nachbarin verglichen.«

      »Vielleicht habt ihr nicht wirklich mich gemeint«, tröstete Jonathan den Jungen. »Ihr habt einfach einen Feind gesucht, ein Feind kann für Ferientage eine tolle Unterhaltung sein.«

      »Wie Sie das verstehen«, staunte Jonathan ehrlich. Er schluckte, setzte dann leise hinzu: »Ich kann mir nicht helfen, aber manchmal erinnern Sie mich an unseren Vater. Dabei sah er ganz anders aus, als Sie. Aber er war… er war so prima, wie Sie sind.«

      Jonathan schlug dem Jungen auf die Schulter, daß der sogar ein wenig in die Knie ging.

      »Du hast mir ein verflixt großes Kompliment gemacht. Danke. Ich finde euch aber auch super, sogar Charlie, wenn er sich die Kehle aus dem Hals bellt. Und natürlich Susanne.«

      »Sie fühlen sich nicht mehr gestört, wenn wir

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