Automobile Reisen. Otto Julius Bierbaum

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Automobile Reisen - Otto Julius Bierbaum

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Könige und Fürsten. Kein Wunder, daß der Besuch Josefs die damaligen Besitzer aufs äußerste mit Genugtuung erfüllte. Sie haben dieser Genugtuung auf Marmor in Versen folgenden Ausdruck gegeben:

       Noch verehret jene Nacht,

       Die ihre Majestäten hier zugebracht,

       Franz und Ludovica.

      Auch sonst gibt es noch Verse im Elephanten. So steht unter einer Madonna, die die Schlange unter sich tritt, sehr hübsch dies:

      O Jungfrau, die der Schlange Feind,

       Bleib immer Elephantens Freund!

      Schöner als alles dies, wirklich schön, ist aber ein Vers, den wir in der Stadt unter einem holden Marienbilde lasen:

      O liebes Kind, wo gehst Du hin?

       Wisse, daß ich Deine Mutter bin.

      Protestanten, die den Marienkultus nicht verstehen, können aus diesem Verse ihn verstehen lernen. Es ist nicht bloß der Mutter Gottes-Kultus. – In der alten Bischofs-Kathedrale wohnten wir einem Hochamt bei, das der alte Fürstbischof für bayerische, aus Rom zurückkehrende Pilger celebrierte. Es war abends nach sieben Uhr, und der Dom, voll von Andächtigen, glänzte im Scheine der Wachskerzen, wie mattes Gold auf hellbraunem Lackgrunde – ein Eindruck, wie ich ihn in dieser Art noch nirgends gehabt habe: ein unendlich feiner, verschwebender Goldton. Die bayerischen Pilgerstimmen klangen etwas barbarisch dazu.

      Schloß Englar in Eppan, den 8. Mai.

      Wir wollten Brixen nicht verlassen, ohne dem Kreuzgang einen Besuch abgestattet zu haben, und so kam es, daß wir vorgestern erst um 10 Uhr abfuhren. Die Fresken des Kreuzganges sind überaus kostbare Reliquien der Malerei des Mittelalters, von der man hier einen sehr starken Eindruck empfängt, als Ganzes von einer großen dekorativen Wirkung und im einzelnen köstlich reich an malerischen und poetischen Werten. Der Einfluß des nahen Italiens ist deutlich ersichtlich, aber es ist dennoch deutsche Kunst. Da sind die lieblichsten deutschen Frauengestalten einerseits, und anderseits spricht sich in den Männern eine fast ungeschlachte Freude am Derben aus. Am merkwürdigsten sind die Bilder des Künstlers, den Semper den »Meister mit dem Skorpion« genannt hat, obwohl es wahrscheinlich ist, daß der Skorpion das Zeichen einer ganzen Brixener Malerwerkstatt und jener Künstler nur ihr meisterlichstes Mitglied gewesen ist. Er würde, wollte er heute so malen, in den Geruch einer höchst brutalen Modernen kommen, dem es schwer fallen würde, zu einer Ausstellung zugelassen zu werden. Es steckt etwas von der Art des Mathäus Grünewald in ihm, mit dem er die Lust am körperlich krassen gemein hat. Wie er die beiden Schächer am Kreuz darstellt, ist in der Tat so gewagt, daß empfindliche Gemüter davor zurückschrecken müssen. Sie erscheinen wie Klumpen, bäuchlings über den Querbalken des Kreuzes gezogen, mit blutigen gebrochenen Gliedern. Der Körper Christi ist mit Geißelmalen über und über bedeckt. Man spürt aus allem den Künstler heraus, der vom Hergebrachten weg will und sich bemüht, die heiligen Geschichten in einer künstlerisch neuen Auffassung darzustellen, wobei er sich besonders zeichnerisch sehr schwierige Aufgaben stellt, zumal in den Verkürzungen. – Die Fahrt von Brixen nach Bozen ist wohl die schönste, die wir bis jetzt gehabt haben. Hier vereinigt sich der Reiz der nördlichen Landschaft mit dem der südlichen. Die Vorberge waldreich und streng, das Tal üppig fruchtbar und milde, und überall als Abschluß gewaltige Berge, die aber schon die ruhigere Weise des Südens haben: keine Zacken, sondern Wellen. Und es beginnen nun die Zeichen der alten Kultur: prachtvolle Burgen, zum Teil verfallen, zum Teil erhalten. Das mächtigste unter allem ist Säben, die ehemalige Bischofsburg über Klausen mit dem riesigen Christusbilde, das mit seinen gekreuzigten Armen das ganze Land an seine Brust zu rufen scheint. Herrlich thront auch die uralte Trostburg, wo der Wolkensteiner geboren ist, der letzte Minnesänger, gleich reich an Abenteuern wie an Liedern. Die Sprache dieser Lieder ist fast dieselbe wie sie noch heute im Munde der Bauern des deutschen Südtirols lebt. Ich habe sie nun wieder und wieder mit derselben Rührung und Freude vernommen wie in den Jahren, die ich hier im alten »Gschloß am Gschleich«, dem schönen Englar, verbracht habe. Welche Kraft und Fülle in Ton und Ausdruck! Unser Hochdeutsch nimmt sich dagegen aus wie abgegriffene Scheidemünze neben der kernig schönen Prägung eines alten Silberstücks oder wie die Mietskasernenstraße einer Großstadt neben einer giebel- und erkerreichen Gasse in Klausen oder Sterzing. In dieser Sprache lassen sich trefflich die alten Schwankgeschichten erzählen, die der alte Torgler auf Schulthaus bei Englar noch immer so gerne zum Besten gibt wie früher, und die sich, ich fühle es jetzt wieder, hochdeutsch gar nicht nacherzählen lassen. Fast reut es mich, mit dem »Meßner-Michel« den Versuch gemacht zu haben. – In Englar wohnt jetzt M. A. Stremel, der ausgezeichnete impressionistische Maler, der nur ein Franzose zu sein brauchte, um nicht bloß hoch berühmt, sondern auch hoch bezahlt zu sein. Ich sah hier einige ganz wundervolle Blumenstücke und Interieurs von ihm, pompöse Malereien von einer vehementen Farbenfreude und einem so sicheren Gefühl für farbige Balance, daß jedes einzelne Bild die Vollkraft eines Akkords hat. Ein Akkord Rosen: der Sommer, ein Akkord Chrysanthemen: der Herbst. Ich bin noch voll von dem dramatischen Eindruck der Kreuzigung des Brixener Meisters mit dem Skorpione, und dennoch wirken diese modernen Malereien, denen ein entgegengesetztes malerisches Prinzip zu Grunde liegt, unbeeinträchtigt genau in demselben Sinne auf mich: lebensgefühlsteigernd. Und ich sehe wiederum: es ist nichts mit den Schlagworten, nichts mit den »Richtungs«-Prätensionen: man kann auch künstlerisch auf jede Weise selig werden, soferne sie nur Ehrlichkeit und Kraft hat. Auch auf Alt oder Neu kommt es durchaus nicht an, – bloß echt muß die Sache sein. – Ein Spaziergang über die Waldhöhen von Eppan war reinster Genuß. Diese Landschaft, Du kennst sie ja, gehört zu den allerschönsten, die von Deutschen bewohnt werden, und sie verdiente, besser bekannt zu sein. Die alten tiroler Herrengeschlechter, von denen noch einige, die wie Grafen Khuen, hier sitzen, wußten wohl, warum sie gerade Eppan, das alte Appianum, zum Ort ihrer Frühlings- und Herbstlust erwählten, und mit Recht hieß dieses Hochtal im 18. Jahrhundert das Tiroler Adelsparadies. Jetzt ist es, bis auf wenige Schlösser, wie Englar, Gandegg, Freudenstein, in Bauernhänden, und diese lassen die alten Edelsitze arg verfallen. Aber auch im Verfall lebt noch Schönheit.

IV. Von Eppan nach Venedig

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