Automobile Reisen. Otto Julius Bierbaum
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Abgesehen vom Wiener Walde ist die oberösterreichische Landschaft die schönste, die uns bis jetzt beschieden gewesen ist.
Immer ein weiter Blick über welliges Gelände, das überall Reichtum des alten Kulturlandes zeigt, saubere, nette Ortschaften, häufig schöne, alte Schlösser oder Klöster, alles von einem heiteren wohlhäbigen Charakter. Daß wir, statt weiter zu fahren, in Melk Rast machten, reut uns nicht. Allein der Anblick der hoch thronenden, alten Benediktiner-Abtei und der kleine Spaziergang über die Brücke, sowie die Überfahrt mit der Fähre über die breite, stark strömende Donau waren es wert. Auch Wels zu besuchen, verlohnt sich, denn diese ehemalige Hauptstadt von Ober-Österreich hat für den behaglichen Reisenden, der nicht bloß die »wichtigen« Städte »mitnimmt«, allerhand Reize. In Wels residierte mit Vorliebe Kaiser Maximilian I., der hier in seiner Burg gestorben ist, wo jetzt ein Großhändler mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen wohnt. Aus der früheren üppigen Zeit stammen wohl auch die im Verhältnis geradezu massenhaften Gasthäuser, bei deren Anblick man sich fragt, für wen sie noch offen gehalten werden. Im Greifen, wo wir rasten, geben zwei in die Wand gelassene Tafeln ein ganzes Register von Kaisern und Königen, die seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bis in seine sechziger Jahre hier Logis genommen haben. Draußen aber sind moderne Wappen, die Verbandszeichen von Radfahrern und Automobilisten, angebracht, die dieses Gasthaus bevorzugen.
München, 27. April 1902.
[Am 25. von Wels nach Salzburg. Dort Aufenthalt über den 26. Am 27. von Salzburg nach München.]
Die Salzburger stehen wie die Tiroler im Rufe guter Schützen – vielleicht war dies dem Dämon unseres Motors bewußt, und es wäre als eine Ovation für den genius loci zu betrachten, daß er, wie wir uns gen Salzburg aufmachten; aus dem Auspuffrohr viel häufiger Schüsse abgab, als uns lieb war. Riegel, der Maschinist, glaubt nicht an die Dämonologie des Laufwagens und schob die Schuld auf die Zündung oder darauf, daß er schlechtes Öl in Wels »erwischt« hatte. Gleichviel, es war der erste Reisetag, der uns nicht ganz gefallen mochte, denn es ist fatal, in einem Wagen zu reisen, der nicht gleichmäßig, sondern ruckweise anzieht, dafür aber Flintenschüsse abgibt. Es klingt ja gefährlicher, als es ist, und man braucht sein Testament deswegen nicht zu machen, aber für empfindsame Reisende ist dieser kriegerische Lärm nicht die erwünschte Reisemusik. Wir ließen also zu verschiedenen Malen Halt machen, um der Zündung gut zuzureden, was Meister Riegel auch immer willig und mit Aufbietung aller seiner Kenntnisse und Fertigkeiten besorgte. Aber das ersehnte Pianissimo wurde nicht erreicht. Aus dem Schießen wurde ein Pusten und Husten, wie wenn der Motor verschleimt wäre, und das Töff-Töff wollte seinen normalen, zuversichtlichen Viertakt nicht wieder gewinnen. Wir kamen trotzdem gegen sechs Uhr in Salzburg an und waren froh, daß unsere Maschine wenigstens in der Stadt manierlicher wurde, denn wir hatten schon gefürchtet, sie würde, boshaft, wie Maschinen nun sind, mitten in den engen Gassen eine Kanonade eröffnen. Das alte berühmte Hotel zum »Goldenen Schiff«, in dem wir abstiegen, war offenbar auf Automobilbesuch nicht gefaßt; der Portier-Oberkellner wollte uns anfangs durchaus weiter weisen, bis wir ihm deutlich klar machten, daß wir uns darauf kaprizierten, gegenüber dem schönen Residenzbrunnen zu logieren – eine Kaprize, die jeder verzeihlich finden wird, der weiß, wie schön dieser Brunnen und der ganze Platz ist. Um dieser Lage willen verdient da sonst etwas wrak gewordene »Goldene Schiff« immer noch den Bädeker-Stern. Vom Glockenturm klang es, pünktlich wie immer, um 6 Uhr: »Blau blüht ein Blümelein«, die schönen Marmorpferde bliesen aus ihren Nüstern (die eben mit einer Bürste gereinigt wurden, so daß es aussah als würden den Ungetümen die Zähne geputzt) schönbogige Wasserstrahlen in das Becken; der Wachthornist gab eine Fanfare zum Besten – und nun fing es auch, damit wir bestimmt überzeugt wären, in Salzburg zu sein, leise zu regnen an. Was Wunder, daß wir in den Stiftskeller gingen, wo der Ruster Ausbruch noch immer so gut zu sein scheint wie damals, als ich ihn noch selber trinken durfte. Hier fällt es scher abstinent zu bleiben. – Den nächsten Tag haben wir uns in Salzburg und auf der Festung umgesehen, was immer ein Vergnügen ist, und wenn es auch noch so sehr salzburgerlt. Bei der Festung denkt man unwillkürlich an Gustave Doré und seine Zeichnungen zu Balzacs contes drôlatiques. Daß dies alles in Stein wirklich vorhanden und nicht bloß eine romantische Phantasie ist, nimmt immer wieder wunder. Moderne Festungen sind fester, mathematischer, planmäßiger und verhalten sich zu Hohensalzburg wie eine wissenschaftliche Abhandlung zu einem der gewaltigen, aber sprunghaft bewegten Versromane des Mittelalters. Diese alten Festungskünstler haben den Berg mit seinen zackigen, schroffen und höckerigen Wänden behandelt, wie ein Zahnkünstler von heute einen ruinösen Zahn behandelt: Alles ausgefüllt, verbunden, kompakt gemacht, bekrönt. – Und die Fürsterzbischöfe von Salzburg haben gut zugebissen mit diesem gewaltigen Malmzahn. In ruhigen Zeiten wohnten sie unten in dem Teile der Stadt, der eigentlich nichts ist als eine Ansammlung von Klöstern, Kapiteln, Kirchen; wenn es aber drüben in dem andern Stadtteile, wo die eng aneinander gedrängten, winkelhöfigen, hohen Bürgerhäuser stehen, unruhig wurde, krawallen und rebellieren wollte, dann machten sie sich, wie die Sage geht, durch einen unterirdischen Gang nach der Feste auf, von wo aus sie in der Lage waren, mit schönen, runden und schweren Steinkugeln zu argumentieren, davon man noch einige paar Haufen im Festungshof liegen sehen kann. Einmal ist ihnen eine ebenso steinerne Replik zu teil geworden, als die wildgewordenen Bauern ein Vorwerk der Festung besetzt hielten und Miene machten, der bischöflichen Gewalt den großen Zahn auszuziehen. Eine Erinnerung daran weist eine der schönen Säulen im Festsaale der Festung auf; sie wurde von so einer bäuerischen Kugel getroffen. Warum die Bauern schließlich doch unverrichteter Sache abgezogen sind, darüber ist eine kleine Geschichte überliefert. Sie lautet so: Die Bauern sahen ein, daß sie mit ihren Kanonen doch nichts ausrichten würden, und so beschlossen sie, den Erzbischof mitsamt seiner Festung auszuhungern, mutmaßend, daß der bischöfliche Viehvorrat bald aufgezehrt sein müsse. Aber Tag für Tag, wie lange sie auch lauerten, hörten sie aus der Veste des Feindes das Gebrüll von Stieren, und so sagten sie sich, daß auf den bischöflichen Hunger nicht zu rechnen sei, und zogen ab. Es waren aber keine Stiere, die da oben brüllten, sondern die riesige Baßpfeife der großen Orgel, die auch heute noch täglich mit ihren Weisen auf das Spiel des Glockenturms in der Stadt antwortet. Seit jener Zeit heißt diese Pfeife der Stier von Salzburg. Die Salzburger selber führen den Spottnamen der Stierwascher, was aber nicht mit dieser Orgelpfeife zusammenhängt. Vielmehr ist das eine der boshaften Geschichten im Stile der Schildbürgereien, wie sie unserer Vorväter gerne einander anhängten. Es heißt nämlich, daß die Salzburger einmal versucht hätten, einen schwarzen Stier weiß zu waschen, bei welchem Geschäfte sie eine so reichliche Menge Seife verbraucht hätten, daß die Salzach ganz weiß davon geworden sei, der Stier aber nicht. Die Salzburger, denen man damit offenbar zu Gemüte führen wollte, daß der Verstand ihre stärkste Seite nicht sei, rächten sich, indem sie die Geschichte fortsetzten und sagten, die Bayern hätten dieses weiße Wasser der Salzach für Milch genommen und ausgesoffen. Sie sehen, lieber Kamerad: die Deutschen haben sich von jeher gerne gegenseitig aufgezogen, und wenn sie sich nicht in den Haaren lagen, lagen sie sich wenigstens in den Zungen. (Eine Übung, die nebenbei gesagt, hier in München noch immer sehr im Schwange ist. Kaum, daß wir hier sind, hat sich schon ein Meer von Klatsch über uns ergossen. Sie kennen ja unser gutes München: wenn man ihm jetzt auch den Ruhm absprechen will, die Kunsthauptstadt des Reiches zu sein, – in der Kunst des Klatsches ist es ganz sicher an der Tête.) – Die alte Frau, die uns in der Festung herumführte, hat uns noch mehr solche Geschichten erzählt. Man