Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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ganz einflußlosen Inhaber, besetzt ist und so die vorhandenen Kräfte von der Bahn des reinen Machtkampfes um die Herrschaft im Staat (mindestens relativ) ab- und positiver Arbeit im Dienste des Staates zugeleitet werden, – entspricht es dort, daß metaphysische Probleme, welche auf dem Boden der empirischen Geschichte nicht lösbar sind, von vornherein ausgeschaltet, dem religiösen Glauben überlassen werden und so die Unbefangenheit der historischen Arbeit gegenüber der Spekulation gewahrt bleibt. Daß Roscher die Nabelschnur, die seine Geschichtsauffassung mit der »Ideenlehre« (im metaphysischen Sinn) verband, nicht soweit durchschnitten hat wie Ranke, erklärt sich aus der überwältigenden Macht der Hegelschen Gedankenwelt, welcher sich auch die Gegner – wie Gervinus – nur langsam und nur in Form der allmählich verblassenden Humboldtschen Ideenlehre52 zu entziehen vermochten: es beherrschte ihn offenbar die Besorgnis, bei Aufgabe jedes objektiven Prinzips der Gliederung des gewaltigen ihm zuströmenden historischen Stoffes entweder in diesem letzteren zu versinken oder zu subjektiv-willkürlichen »Auffassungen« greifen zu müssen53. Endlich wirkte, wie schon hervorgehoben, das bestechende Vorbild der historischen Juristenschule.

      Verfolgen wir nun, wie sich Roschers erkenntnistheoretischer Standpunkt – soweit man von einem solchen sprechen kann – in seiner Behandlung des Problems der »geschichtlichen Entwickelungsgesetze« äußert, deren Feststellung er ja, wie wir sahen, als Ziel der Geschichte denkt.

      Die Behandlung der »Völker« als Gattungswesen setzt natürlich voraus, daß die Entwicklung jedes Volkes sich als ein typischer, geschlossener Kreislauf nach Art der Entwickelung der einzelnen Lebewesen auffassen läßt. Dies ist nun nach Roschers Ansicht mindestens für alle diejenigen Völker, welche eine Kulturentwicklung aufzuweisen haben, in der Tat der Fall54 und zeigt sich in der Tatsache des Aufsteigens, Alterns und Untergangs der Kulturnationen –, nach Roscher ein Prozeß, der trotz scheinbar verschiedener Formen so ausnahmslos bei allen Nationen sich einstellt, wie bei den physischen Individuen. Als ein Teil dieses Lebensprozesses der Völker sind die wirtschaftlichen Erscheinungen »physiologisch« zu begreifen. Die Völker sind für Roscher – wie Hintze55 es ganz zutreffend ausdrückt – »biologische Gattungswesen«. Vor dem Forum der Wissenschaft ist mithin – Roscher hat das auch ausdrücklich ausgesprochen – die Lebensentwickelung der Völker prinzipiell immer die gleiche, und trotz des Anscheins des Gegenteils ereignet sich in Wahrheit »nichts Neues« unter der Sonne56, sondern immer nur das Alte mit »zufälligen« und deshalb wissenschaftlich gleichgültigen Zutaten: eine offenbar spezifisch naturwissenschaftliche 57 Betrachtungsweise.

      Dieser typische Lebensgang aller Kulturvölker muß natürlich in typischen Kulturstufen zum Ausdruck kommen. Diese Konsequenz wird von Roscher in der Tat schon im »Thukydides« (Kap. IV) durchgeführt. Nach dem »Hauptgrundsatz aller historischen Kunst, daß man in jedem Werke die ganze Menschheit wiederfinden müsse«, ist es die Aufgabe des Historikers – Roscher denkt an der betreffenden Stelle zunächst an den Literarhistoriker –, die Gesamtliteratur des Altertums mit derjenigen der romanischen und germanischen Völker zum Zwecke der Ermittelung der Entwickelungsgesetze aller Literaturen überhaupt zu vergleichen. Diese Vergleichung ergibt aber, wenn sie weiterhin auf die Entwickelung der Kunst und Wissenschaft, der Weltanschauung und des gesellschaftlichen Lebens ausgedehnt wird, die Aufeinanderfolge von in sich wesensgleichen Stufen auf allen Kulturgebieten. Roscher erinnert gelegentlich daran, daß man selbst in den Weinen der verschiedenen Länder den Volkscharakter habe schmecken wollen. Die metaphysische Volksseele, welche sich darin äußert, wird einerseits als etwas Konstantes, sich selbst Gleichbleibendes vorgestellt, aus welchem die sämtlichen »Charaktereigenschaften« des konkreten Volkes emanieren58, weil sie eben ganz so wie die Seele des Individuums direkte Schöpfung Gottes ist. Andererseits gilt sie als nach Analogie der menschlichen Lebensalter einem in allen wesentlichen Punkten bei allen Völkern und auf allen einzelnen Gebieten gleichen Entwickelungsprozeß unterstehend. Typische, konventionelle und individualistische Epochen lösen sich in Poesie, Philosophie und Geschichtsschreibung, ja in Kunst und Wissenschaft überhaupt in festbestimmtem Kreislauf ab, der stets in dem unvermeidlichen »Verfall« endet. Roscher führt dies an Beispielen aus der antiken, mittelalterlichen und modernen Literatur bis in das 18. Jahrhundert hinein durch59 und interpretiert seine Theorie, daß die Geschichte deshalb Lehrmeisterin sein könne, weil die Zukunft »nach menschlicher Weise der Vergangenheit ähnlich wiederzukehren« pflege, in recht charakteristischer Weise in die bekannte Aeußerung des Thukydides über den Zweck seines Werkes (I, 22) hinein. Seine eigene Ansicht vom Wert der geschichtlichen Erkenntnis60: – Befreiung von Menschenvergötterung und Menschenhaß durch Erkenntnis des »Dauerhaften« in der Flucht des Ephemeren – zeigt eine leicht spinozistische Färbung, und einzelne Aeußerungen klingen beinahe fatalistisch61.

      Auf das Gebiet, welches uns hier interessiert, übertrug Roscher diese Theorie62 in dem Aufsatz über die Nationalökonomie und das klassische Altertum (1849). Die Wirtschaft kann sich der allgemeinen Erscheinung der typischen Stufenfolge natürlich nicht entziehen. Roscher unterscheidet als typische Wirtschaftsstufen drei, je nachdem in der Güterproduktion von den drei typischen Faktoren derselben die »Natur« oder die »Arbeit« oder das »Kapital« vorherrscht, und glaubt, daß »bei jedem vollständig entwickelten Volke« drei dementsprechende Perioden sich nachweisen lassen müssen.

      Unserer heutigen am Marxismus orientierten Betrachtungsweise würde es nun ganz selbstverständlich sein, die Lebensentwickelung des Volkes als durch diese typischen Wirtschaftsstufen bedingt anzusehen und die Tödlichkeit der Kulturentwickelung für die Völker – diese These Roschers einmal als bewiesen vorausgesetzt – etwa als Folge gewisser mit der Herrschaft des »Kapitals« unvermeidlich verknüpfter Folgen für das staatliche und persönliche Leben aufzuzeigen. Roscher hat an diese Möglichkeit so wenig gedacht, daß er jene Theorie von den typischen Wirtschaftsstufen63 in seinem »System« bei den grundlegenden Erörterungen lediglich als ein mögliches Klassifikationsprinzip erwähnt (§28), ohne sie weiterhin der Betrachtung zugrunde zu legen. Vielmehr ist er der Meinung, daß das Problem des zugrundeliegenden Lebensprozesses selbst, also die Frage nach dem Grunde des Alterns und Sterbens der Völker ebensowenig lösbar sei, wie sich ein naturgesetzlicher Grund für die – trotzdem nicht bezweifelte – ausnahmslose Notwendigkeit des Todes beim Menschen angeben lasse. Der Tod folgt für Roscher aus dem »Wesen« des Endlichen64, sein empirisch ausnahmsloser Eintritt ist eine Tatsache, welche wohl einer metaphysischen Deutung, aber keiner exakten kausalen Erklärung zugänglich ist65 – mit Du Bois-Reymond zu sprechen: ein »Welträtsel«.

      Das logische Problem, wie nun zwischen diesem zugrundegelegten biologischen Entwickelungsschema und der in Parallelismenbildung sich bewegenden, vom Einzelnen ausgehenden empirischen Forschung eine feste Beziehung herzustellen sei, hätte nun Roscher naturgemäß, auch wenn sein geschichtsphilosophischer Standpunkt ein anderer gewesen wäre, schwerlich lösen können. Die logische Natur des Satzes vom notwendigen Altern und Sterben der Völker ist eben eine andere als die eines auf Abstraktion ruhenden Bewegungsgesetzes oder eines anschaulich evidenten mathematischen Axioms. Abstrakt vollzogen – soweit dies überhaupt möglich66 wäre –, würde jener Satz ja gänzlich inhaltsleer sein und könnte Roscher eben die Dienste nicht leisten, welche er von ihm erwartet. Denn die Zurückführung auf die Altersstufen der Völker soll ja doch offenbar nach seiner Absicht nicht eine Subsumtion der wirtschaftlichen Vorgänge unter einen generellen Begriff als Spezialfall , sondern ein kausales Eingliedern ihres Ablaufs in einen universellen Zusammenhang von Geschehnissen67 als deren Bestandteil bedeuten. Der Begriff des »Alterns« und »Sterbens« der Völker müßte mithin und selbstverständlich als der inhaltlich umfassendere Begriff gedacht werden, das »Altern« und »Sterben« als ein Vorgang von unendlicher Komplexität, dessen nicht nur empirische Regelmäßigkeit, sondern gesetzliche Notwendigkeit (wie Roscher sie annimmt) sich axiomatisch nur einem intuitiven Erkennen enthüllen würde. Für die Beziehungen des Gesamtvorgangs zu den wirtschaftlichen Teilvorgängen

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