Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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der Tätigkeit des Politikers – ebenso zum Vorteil, wie die Verborgenheit der Todesstunde dem physischen Menschen, und hindert ihn nicht zu glauben, daß das Gewissen und der gesunde Menschenverstand dem Kollektivindividuum die ihm jeweils von Gott gestellten Aufgaben ebenso enthüllen könne wie dem Einzelnen. Immerhin versteht sich, daß bei einem derartigen Gesamtstandpunkt für die wirtschaftspolitische Arbeit es naturgemäß nur enge Grenzen gibt: Regelmäßig dringen nach Roscher – kraft des naturgesetzlichen Charakters der wirtschaftlichen Entwickelung – die »wirklichen Bedürfnisse eines Volkes« auch im Leben von selbst durch95 –, die gegenteilige Annahme widerstreitet dem Glauben an die göttliche Vorsehung. Ein, wenn auch relativistisches, so doch in irgendeinem Sinn geschlossenes System wirtschaftspolitischer Postulate ist, da die Endlichkeit unseres diskursiven Erkennens uns die Erfassung der Gesamtheit der »Entwickelungsgesetze« versagt, etwas vielleicht schon prinzipiell Unmögliches, sicherlich aber tatsächlich ebensowenig erschöpfend zu entwickeln, wie auf dem Gebiet der politischen Arbeit, was Roscher gelegentlich (§ 25) auch ausdrücklich ausspricht. So sind denn die zahlreichen wirtschaftspolitischen Aeußerungen Roschers zwar der Ausdruck seiner milden, maßvollen, vermittelnden Persönlichkeit, in keiner Weise aber der Ausdruck klarer, konsequent durchgeführter Ideale. Wirklich ernste und dauernde Konflikte zwischen dem Schicksalszuge der Geschichte und den Lebensaufgaben, welche Gott dem Einzelnen wie den Völkern stellt, sind eben unmöglich, und die Aufgabe, sich seine letzten Ideale autonom zu stecken, tritt an den Einzelnen gar nicht heran. Roscher konnte daher auf seinem relativistischen Standpunkt verharren, ohne ethischer Evolutionist zu werden. Er hat den Evolutionismus in seiner naturalistischen Form auch ausdrücklich abgelehnt96, – daß der historische Entwicklungsgedanke eine ganz ähnliche Entleerung des normativen Charakters der sittlichen Gebote enthalten könne, mußte ihm verborgen bleiben, da er dagegen gesichert war.

      Fassen wir zusammen, so sehen wir, daß Roschers »historische Methode« ein, rein logisch betrachtet, durchaus widerspruchsvolles Gebilde darstellt. Versuche, die gesamte Realität der historisch gegebenen Erscheinungen zu umklammern, kontrastieren mit dem Streben nach Auflösung derselben in »Naturgesetze«. Bei dem Versuch, die Allgemeinheit der Begriffe und die Universalität des Zusammenhanges miteinander zu identifizieren, gerät Roscher auf die Bahn der »organischen« Auffassungsweise bis an die Grenze eines Emanatismus Hegelscher Art, den zu akzeptieren sein religiöser Standpunkt ihn hindert. Bei Betrachtung der Einzelerscheinungen wird alsdann jene organische Betrachtungsweise wieder teilweise beiseite gelassen, zugunsten eines Nebeneinander von begrifflicher Systematisierung nach Art der Klassiker, mit empirisch-statistischer Erläuterung bald der realen Geltung, bald der nur relativen Bedeutung der so gefundenen Sätze. Nur in der Darstellung der wirtschaftspolitischen Systeme behält die organisch-konstruktive Eingliederung der Erscheinungen in die Altersstufen der Völker die Oberhand. – Für die Gewinnung wirtschaftspolitischer Werturteile führt sein historisch orientierter Relativismus zu wesentlich negativen Resultaten insofern, als die objektiven Normen, deren Bestehen fortwährend vorausgesetzt wird, nicht im Zusammenhang entwickelt oder auch nur formuliert werden.

      Roscher bildet zu Hegel weniger einen Gegensatz als eine Rückbildung: Die Hegelsche Metaphysik und die Herrschaft der Spekulation über die Geschichte ist bei ihm verschwunden, ihre glänzenden metaphysischen Konstruktionen sind ersetzt durch eine ziemlich primitive Form schlichter religiöser Gläubigkeit. Dabei machen wir aber die Beobachtung, daß damit Hand in Hand immerhin ein Gesundungsprozeß, man kann geradezu sagen: ein Fortschritt in der Unbefangenheit oder, wie man es jetzt ungeschickt nennt, »Voraussetzungslosigkeit« der wissenschaftlichen Arbeit geht. Wenn es Roscher nicht gelang, seinen Weg von Hegel fort bis zu Ende zu verfolgen, so ist daran im wesentlichen der Umstand schuld, daß er das logische Problem der Beziehungen zwischen Begriff und Begriffenem nicht so in seiner methodischen Tragweite erkannt hatte, wie Hegel.

      II. Knies und das Irrationalitätsproblem.

       I. Die Irrationalität des Handelns. Charakter des Kniesschen Werkes S. 42. – »Willensfreiheit« und »Naturbedingtheit« bei Knies im Verhältnis zu modernen Theorien S. 44. – Wundts Kategorie der »schöpferischen Synthese« S. 51. – Irrationalität des konkreten Handelns und Irrationalität des konkreten Naturgeschehens S. 64. – Die »Kategorie« der »Deutung« S. 67. – Erkenntnistheoretische Erörterungen dieser »Kategorie«: 1) Münsterbergs Begriff der »subjektivierenden« Wissenschaften S. 70. – 2) »Verstehen« und »Deuten« bei Simmel S. 93. – 3) Gottls Wissenschafts-Theorie S. 95.

      Das methodologische Hauptwerk von Knies »Die politische Oekonomie vom Standpunkt der geschichtlichen Methode« erschien in erster Auflage 1853, vor dem Erscheinen des ersten Bandes von Roschers »System« (1854), mit dem sich Knies in den »Göttinger gelehrten Anzeigen« (1855) auseinandersetzte. Knies' Werk fand außerhalb enger Fachkreise relativ wenig Beachtung; darüber, daß Roscher ihn nicht eingehender erwähnt und behandelt habe, glaubte er sich beklagen zu können97, mit Bruno Hildebrand geriet er in eine heftige Fehde. – Als dann in den sechziger Jahren die Freihandelsschule von Erfolg zu Erfolg schritt, geriet das Buch fast in Vergessenheit. Erst als die »kathedersozialistische« Bewegung Macht über die Jugend gewann, begann es in steigendem Maße gelesen zu werden, so daß Knies, dessen zweites in den siebziger Jahren entstandenes Hauptwerk »Geld und Kredit« der »historischen« Methode völlig fern steht, nach 30 Jahren (1883) vor einer zweiten Auflage stand. Sie erschien unmittelbar, ehe durch Mengers »Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften«, Schmollers Rezension derselben und Mengers heftige Replik der Methodenstreit in der Nationalökonomie die Höhe seiner Temperatur erreichte, und gleichzeitig in Diltheys »Einleitung in die Geisteswissenschaften« der erste groß angelegte Entwurf einer Logik des nicht naturwissenschaftlichen Erkennens vorgelegt wurde.

      Eine Analyse des Kniesschen Werkes bietet nicht geringe Schwierigkeiten. Einmal ist der Stil teilweise bis dicht an die Unverständlichkeit ungelenk, dank der Arbeitsweise des Gelehrten, der in einen geschriebenen Satz, weitergrübelnd, Nebensatz auf Nebensatz hineinschachtelte, unbekümmert darum, ob die entstehende Periode syntaktisch aus allen Fugen ging98. Die Fülle der ihm zuströmenden Gedanken ließen Knies dabei gelegentlich auch die offenbarsten Widersprüche in bald aufeinanderfolgenden Sätzen übersehen, und sein Buch gleicht so einem Mosaik aus Steinen von sehr verschiedener, nur im großen, nicht immer im einzelnen aufeinander abgestimmter Färbung. Die Zusätze der zweiten Auflage, welche ziemlich unorganisch neben dem fast unveränderten Text stehen, stellen gegenüber dem Gedankengehalt der ersten teils eine Verdeutlichung und Fortentwickelung, teils aber auch eine bewußte Umbiegung zu ziemlich abweichenden Gesichtspunkten dar. Wer den ganzen Inhalt dieses eminent gedankenreichen Werkes überhaupt in voller Tiefe wiedergeben wollte, dem bliebe nichts übrig, als zunächst die gewissermaßen aus verschiedenen Gedankenknäueln stammenden Fäden, welche neben- und durcheinander herlaufen, voneinander zu sondern und sodann jeden Gedankenkreis für sich zu systematisieren99. Seine Ansicht über die Stellung der Nationalökonomie im Kreise der Wissenschaften hat Knies erst in der zweiten Auflage endgültig präzisiert100, jedoch in einer Weise, welche durchaus den Gedankengängen der ersten entspricht. Danach erörtert sie jene Vorgänge, welche daraus entspringen, daß der Mensch für die Deckung des Bedarfs »des menschlich persönlichen Lebens« auf die »Außenwelt« angewiesen ist: – eine, gegenüber dem historisch gewordenen Aufgabenkreise unserer Wissenschaft offenbar teils zu weite, teils zu enge Umgrenzung. Um nun aus diesem Aufgabenkreis der Nationalökonomie ihre Methode abzuleiten, stellt Knies neben die schon von Helmholtz je nach dem behandelten Objekt unterschiedenen Gruppen der »Naturwissenschaften« einerseits, der »Geisteswissenschaften« anderseits, als dritte Gruppe die »Geschichtswissenschaften«, als diejenigen Disziplinen, welche es mit äußeren, aber durch »geistige« Motive mit bedingten Vorgängen zu tun haben.

      Von der für ihn selbstverständlichen Voraussetzung aus, daß die wissenschaftliche »Arbeitsteilung« eine Repartierung des objektiv

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