Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

Скачать книгу

eigenen »inneren Erfahrung«, teils indirekt, durch analoge Interpretation von Ausdrucksbewegungen »anderer«, bewußt werden. Es ist ganz und gar nicht abzusehen, warum diese Veränderungsreihen nicht absolut ohne alle Ausnahme in ganz demselben Sinn einer von »Wertungen« freien Betrachtung sollten unterworfen werden können, wie irgendeine Reihe qualitativer Veränderungen in der »toten« Natur112. Wundt freilich stellt dem Kristall und dem organischen Gebilde eine »Vorstellung« als etwas gegenüber, was »niemals bloß die Summe der Empfindungen, in die sie sich zerlegen läßt«, darstelle, und bezeichnet weiter die »intellektuellen Vorgänge«, also z.B. ein Urteil oder einen Schluß, als Gebilde, die sich niemals »als bloße Aggregate einzelner Empfindungen und Vorstellungen begreifen« lassen: denn, so fügt er hinzu, »was diesen Vorgängen erst die Bedeutung gibt, das entsteht« (in streng kausaler Determination, dürfen wir auch hier unzweifelhaft Wundts Ansicht interpretieren) »...aus den Bestandteilen, ohne daß es doch in ihnen enthalten ist«. Sicherlich: aber ist dies etwa bei der Bildung jener »Naturprodukte« anders? War etwa die »Bedeutung«, welche der Diamant oder der Getreidehalm für gewisse menschliche »Wertgefühle« besitzt, in den physikalisch-chemischen Bedingungen ihrer Entstehung in höherem Grade oder in anderem Sinne »vorgebildet«, als dies – bei strenger Durchführung der Kategorie der Kausalität auf psychischem Gebiet – bei den »Elementen« der Fall ist, aus denen sich Vorstellungen und Urteile bilden? Oder – um »historische« Vorgänge »heranzuziehen« – war die Bedeutung des schwarzen Todes für die Sozialgeschichte, oder die Bedeutung des Einbruchs des Dollart für die Geschichte der Kolonisationsbewegung usw. usw. »vorgebildet« in den Bakterien und den anderen Ursachen der Infektion, welche jenes, oder in den geologischen und meteorologischen Ursachen, welche dieses Ereignis bedingten? Es steht mit beiden absolut nicht anders als mit dem Einbruch Gustav Adolfs in Deutschland oder dem Einbruch Dschingis-Chans in Europa. Historisch bedeutsame – d.h. für uns an »Kulturwerten« verankerte – Folgen haben alle jene Vorgänge hinterlassen. Kausal determiniert waren sie, – wenn man, wie Wundt, mit der Universalherrschaft des Kausalprinzips Ernst machen will, – ebenfalls alle. Alle bewirkten »psychisches« ebenso wie »physisches« Geschehen. Daß wir ihnen aber historische »Bedeutung« beilegen, war bei keinem von ihnen aus der Art ihrer kausalen Bedingtheit abzulesen. Insbesondere folgte dies ganz und gar nicht daraus, daß »psychisches Geschehen« in ihnen enthalten ist. In allen diesen Fällen ist vielmehr der Sinn, den wir den Erscheinungen beilegen, d.h. die Beziehungen auf »Werte«, die wir vollziehen, dasjenige, was der »Ableitung« aus den »Elementen« als prinzipiell heterogenes und disparates Moment die Pfade kreuzt. Diese »unsere« Beziehung »psychischer« Hergänge auf Werte, – gleichviel, ob sie als undifferenziertes »Wertgefühl« oder als rationales »Werturteil« auftritt, – vollzieht eben die »schöpferische Synthese«. Bei Wundt ist erstaunlicherweise die Sache gerade umgekehrt gedacht: das in der Eigenart der psychischen Kausalität »objektiv« begründete Prinzip der »schöpferischen Synthese« findet nach ihm seinen »charakteristischen Ausdruck« in Wertbestimmungen und Werturteilen. Würde damit nur gemeint sein, daß es ein berechtigtes Ziel psychologischer Forschung sei, z.B. die psychischen oder psychophysischen »Bedingungen« des Entstehens von Wertgefühlen und -Urteilen aufzusuchen und den Versuch zu machen, psychische oder psychophysische »Elementar« vorgänge als kausale Komponenten derselben zu erweisen, so wäre dagegen nichts zu erinnern. Man braucht aber nur wenige Seiten weiter zu lesen, um sich zu überzeugen, welches in Wahrheit die Konsequenzen von Wundts angeblich »psychologischer« Betrachtungsweise sein sollen: »Im Laufe jeder individuellen wie generellen Entwickelung« – also natürlich doch in derjenigen des geborenen Trunkenbolds oder Lustmörders ebenso wie in derjenigen des religiösen Genius – werden, nach Wundt, geistige (d.h. nach Wundts Interpretation logische, ethische, ästhetische) Werte erzeugt, »die ursprünglich in der ihnen zukommenden spezifischen Qualität überhaupt nicht vorhanden waren«, weil – nach Wundt – innerhalb der Lebenserscheinungen zu dem Prinzip der Erhaltung der physischen Energie das Gesetz des »Wachstums der psychischen Energie« (d.h. der aktuellen und potentiellen Werte) tritt. Diese generelle »Tendenz« zur Bildung »wachsender Wertgrößen« kann durch »Störungen« zwar »teilweise oder ganz vereitelt« werden, aber selbst »eine der wichtigsten dieser Unterbrechungen psychischer Entwickelung: das Aufhören der individuellen geistigen Wirksamkeit« – gemeint ist offenbar diejenige Erscheinung, die man gewöhnlich einfacher als »Tod« bezeichnet – »pflegt«, wie nach Wundt »immerhin zu beachten« ist, »durch das Wachstum der geistigen Energie innerhalb der Gemeinschaft, welcher der Einzelne angehört, ... mehr als kompensiert« zu werden. Das Entsprechende gelte im Verhältnis der einzelnen Nation zur menschlichen Gemeinschaft. Eine empirisch sein wollende Disziplin müßte dies nun aber auch in einer wenn auch noch so entfernten Annäherung an »Exaktheit« nachzuweisen imstande sein. Und da doch offenbar nicht nur der Professor, sondern auch der Staatsmann und überhaupt jeder Einzelne eine »psychische Entwickelung« erlebt, so entsteht die Frage: für wen denn nun dieses tröstliche Verhältnis des »Kompensiertwerdens« gelten soll?, – d.h. ob der Tod Cäsars oder irgendeines braven Straßenfegers als »psychologisch« kompensiert zu gelten hat: – 1. dem Verstorbenen oder Sterbenden selbst, oder 2. seiner hinterbliebenen Familie, oder 3. demjenigen, für welchen sein Tod eine »Stelle« oder eine Gelegenheit zum »Wirken« frei machte, oder 4. der Steuerkasse, 5. der Aushebungsbehörde, oder 6. bestimmten politischen Parteirichtungen usw., oder etwa 7. Gottes providentieller Weltleitung, – oder endlich: dem psychologistischen Metaphysiker. Nur diese letztere Annahme erscheint zulässig. Denn wie man sieht, handelt es sich hier nicht um Psychologie, sondern um eine im Gewande »objektiver« psychologischer Betrachtung auftretende geschichtsphilosophische Konstruktion des a priori postulierten »Fortschritts« der Menschheit. Weiterhin wird denn auch aus der »schöpferischen Synthese« das »Gesetz der historischen Resultanten« abgeleitet, welches mit dem Gesetz der historischen »Relationen« und demjenigen der historischen »Kontraste« die psychologistische Dreieinigkeit der historischen Kategorien bildet. Und sie muß weiterhin auch dazu dienen, Entstehung und »Wesen« der »Gesellschaft« und der Totalitäten überhaupt in einer vermeintlich »psychologisch« begründeten Weise zu interpretieren. Und endlich soll sie verständlich machen, warum wir Kulturerscheinungen (angeblich) ausschließlich in Form des kausalen Regressus (von der Wirkung zur Ursache) zu erklären imstande sind, – als ob nicht genau das gleiche bei jedem mit den Mitteln der Physik zu interpretierenden konkreten »Naturvorgang« der Fall wird, sobald es auf die individuellen Komplikationen und die Einzelheiten seiner Konsequenzen für die konkrete Wirklichkeit aus irgendwelchen Gründen einmal ankommt. Doch davon später. Hier sollten zunächst nur die elementarsten Charakterzüge der Theorie konstatiert werden. – Die außerordentliche, dankbare Hochachtung, welche der umfassenden Gedankenarbeit dieses hervorragenden Gelehrten geschuldet wird, darf nicht hindern, für diese speziellen Probleme zu konstatieren, daß eine solche Art von angeblicher »Psychologie« für die wissenschaftliche Unbefangenheit des Historikers geradezu Gift ist, weil sie ihn dazu verleitet, die geschichtsphilosophisch gewonnenen Werte, auf welche er die Geschichte bezieht, sich selbst durch Verwendung angeblicher psychologischer Kategorien zu verhüllen und so sich und andern einen falschen Schein von Exaktheit vorzutäuschen, – wofür Lamprechts Arbeiten ein abschreckendes Beispiel geliefert haben.

      Verfolgen wir, der außerordentlichen Bedeutung wegen, welche Wundts Ansichten auf dem Gebiet psychologischen Arbeitens zukommt, das Verhältnis von kausal erklärender Psychologie zu den »Normen« und »Werten« noch etwas weiter. Es sei vor allem betont, daß die Ablehnung jener angeblichen psychologischen »Gesetze« Wundts und die Hervorhebung des Werturteils-Charakters gewisser angeblich »psychologischer« Begriffe nicht etwa dem Streben nach Beeinträchtigung der Bedeutung und des Arbeitsgebietes der Psychologie und der ihr aggregierten »psychophysischen« Disziplinen, oder gar dem Wunsch, »Lücken« in der Geltung des Kausalprinzips für die empirischen Wissenschaften aufzuweisen, entspringt. Das gerade Gegenteil ist der Fall. Psychologie wird als empirische Disziplin erst durch Ausschaltung von Werturteilen – wie sie in Wundts »Gesetzen« stecken – möglich. Die Psychologie mag hoffen, irgendwann einmal jene Kostellationen psychischer »Elemente« festzustellen, welche kausal eindeutige Bedingungen dafür sind, daß bei uns das »Gefühl« entsteht, ein »objektiv« gültiges

Скачать книгу