Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber страница 16

Автор:
Серия:
Издательство:
Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

Скачать книгу

des historischen Geschehens, wenn überhaupt in irgendeiner allgemeinen Beziehung, dann jedenfalls nicht in einem solchen Verhältnis gegenseitiger Bedingtheit durch einander stehen, daß Vorhandensein oder Steigerung des einen auch Steigerung des anderen bedeuten würde, sondern – wie sich immer deutlicher ergeben wird – gerade umgekehrt.

      2. Unser kausales Bedürfnis verlangt nun aber auch, daß da, wo die Möglichkeit der »Deutung« prinzipiell vorliegt, sie vollzogen werde, d.h. die bloße Beziehung auf eine lediglich empirisch beobachtete noch so strenge Regel des Geschehens genügt uns bei der Interpretation menschlichen »Handelns« nicht. Wir verlangen die Interpretation auf den »Sinn« des Handelns hin. Wo dieser »Sinn« – wir lassen vorerst ununtersucht, welche Probleme dieser Begriff birgt – im Einzelfall unmittelbar evident feststellbar ist, da bleibt es uns gleichgültig, ob sich eine »Regel« des Geschehens formulieren läßt, die den konkreten Einzelfall umfaßt120. Und andrerseits kann die Formulierung einer solchen Regel, selbst wenn sie den Charakter strenger Gesetzmäßigkeit an sich tragen würde, niemals dahin führen, daß die Aufgabe »sinnvoller« Deutung durch die einfache Bezugnahme auf sie ersetzt werden könnte. Ja, noch mehr: solche »Gesetze« »bedeuten« uns bei der Interpretation des »Handelns« an sich noch gar nichts. Gesetzt, es gelänge irgendwie der strengste empirisch-statistische Nachweis, daß auf eine bestimmte Situation seitens aller ihr jemals ausgesetzt gewesenen Menschen immer und überall in, nach Art und Maß, genau der gleichen Weise reagiert worden sei und, sooft wir die Situation experimentell schaffen, noch immer reagiert werde, dergestalt also, daß diese Reaktion im wörtlichsten Sinn des Wortes »berechnet« werden könnte, – so würde das an sich die »Deutung« noch keinen Schritt weiterbringen; denn es würde ein solcher Nachweis, für sich allein, uns noch nicht im mindesten in die Lage versetzen, zu »verstehen«, »warum« überhaupt jemals und vollends, warum immer in jener Art reagiert worden sei. Wir würden solange dieses Verständnis nicht besitzen, als uns eben nicht auch die Möglichkeit »innerer« »Nachbildung«121 der Motivation in der Phantasie gegeben wäre: ohne diese würde der denkbar umfassendste empirisch-statistische Nachweis der Tatsache einer gesetzmäßig auftretenden Reaktion mithin hinter den Anforderungen, die wir an die Geschichte und die ihr in dieser Hinsicht verwandten »Geisteswissenschaften« – wir lassen es, wie gesagt, zunächst ganz dahingestellt, welche diese sind – stellen, der Erkenntnisqualität nach zurückbleiben. –

      Man hat nun infolge dieser Inkongruenz der formalen Erkenntnisziele der »deutenden« Forschung mit den Begriffsgebilden der »gesetzeswissenschaftlichen« Arbeit die Behauptung aufgestellt, daß die Geschichte und andere ihr verwandte »subjektivierende« Wissenschaften, z.B. auch die Nationalökonomie, es mit einem prinzipiell andersartigen Sein als Objekt zu tun haben, als alle jene Wissenschaften, welche, wie Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, auf die Bildung von Allgemeinbegriffen auf dem Wege der in »Induktion«, »Hypothesenbildung« und Verifizierung der Hypothesen an den »Tatsachen« verlaufenden »objektivierenden Erfahrung« ausgehen. Nicht um die von keinem Verständigen geleugnete absolute Gegensätzlichkeit alles »physischen« zu allem »psychischen« Sein handelt es sich dabei, sondern um eine Ansicht, nach welcher jenes »Sein«, welches »Objekt« einer analytischen Betrachtung überhaupt werden könne: – »physisches« wie »psychisches« –, prinzipiell in einem ganz anderen Sinne »sei«, wie diejenige Wirklichkeit, die wir unmittelbar »erleben« und innerhalb deren der Begriff des »Psychischen«, wie ihn die »Psychologie« verwertet, gar nicht anwendbar sei. Eine solche Auffassung würde nun auch dem von uns bisher noch gar nicht näher analysierten Begriffe der »Deutung« eine prinzipielle Grundlage geben: in dieser Art des Erkennens würde offenbar die »subjektivierende« Methode ihre eigentümliche Ausdrucksform besitzen. Die Kluft zwischen jenen beiden Arten von Wissenschaften würde aber offenbar die Gültigkeit aller Kategorien des »objektivierenden« Erkennens: »Kausalität«, »Gesetz«, »Begriff«, problematisch werden lassen. Die Grundthesen einer derartigen Wissenschaftstheorie sind wohl am konsequentesten in Münsterbergs »Grundzügen der Psychologie« entwickelt und haben alsbald die Theorie der »Kulturwissenschaften« zu beeinflussen begonnen. So wenig hier eine erschöpfende Kritik des geistvollen122 Buches am Platze ist, so kann doch, da hier der Begriff der Irrationalität des »Persönlichen« und derjenige der »Persönlichkeit« selbst einen ganz anderen Sinn zu erhalten scheint, eine Stellungnahme wenigstens zu denjenigen seiner Aufstellungen nicht umgangen werden, welche das Problem der Kausalität auf dem Gebiete menschlichen Handelns berühren und in diesem Sinne von einigen Autoren – namentlich F. Gottl – für die Erkenntnistheorie der Geschichte und der ihr verwandten Wissenschaften nutzbar gemacht worden sind. Münsterbergs Gedankengang bezüglich der für uns hier wesentlichen Punkte123 läßt sich wohl etwa so zusammenfassen: Das »Ich« des wirklichen Lebens, wie wir es in jedem Augenblicke »erleben«, kann nicht Objekt analysierender, mit Begriffen, Gesetzen und kausaler »Erklärung« operierender Forschung sein, denn es wird niemals in gleichem Sinn »vorgefunden« wie z.B. unsere »Umgebung«, es ist von »unbeschreibbarer« Art. Und ebenso die von ihm wirklich »gelebte« Welt. Denn jenes Ich ist nie nur anschauend, sondern stets und in jedem Augenblick »stellungnehmend, bewertend, beurteilend«, und die Welt kommt daher für dieses Ich – für jeden von uns, solange er »wirkt« – gar nicht als »beschreibbar«, sondern nur als »bewertbar« in Betracht. Erst wenn ich zum Zweck der Mitteilung und Erklärung die Welt als der Abhängigkeit vom Ich entzogen denke, wird sie zu einem »lediglich wahrgenommenen« Tatsachenkomplex. Schon hier ist einzuschalten, daß in dieser Theorie, wenn wir sie wörtlich verstehen wollten, offenbar die rationale Ueberlegung der Mittel zum Zweck eines konkreten »Wirkens« und der möglichen Folgen eines erwogenen Handelns keine Stätte als Teil des noch unobjektivierten »Erlebens« hätten, denn in jeder solchen Ueberlegung wird die »Welt« als »wahrgenommener Tatsachenkomplex« unter der Kategorie der Kausalität zum »Objekt«. Ohne »erfahrene« Regeln des Ablaufs des Geschehens, wie sie nur durch »objektivierende« bloße »Wahrnehmung« zu gewinnen sind, kein »rationales« Handeln124. Darauf würde indessen Münsterberg entgegnen, daß allerdings die Objektivierung der »Welt« zum Zweck der Erkenntnis letztlich in jenem rationalen Handeln wurzele, welches für seinen Zweck der Welt des »Erlebten« einen Kosmos des »Erfahrenen« unterbaut, um unsere »Erwartung« der Zukunft behufs Stellungnahme zu sichern, und daß hier tatsächlich die Quelle aller mit Begriffen und Gesetzen arbeitenden Wissenschaft liege. Die »Erfahrung« aber, welche die objektivierende Wissenschaft schaffe, sei erst möglich nach Loslösung der Wirklichkeit von der Aktualität des wirklich Erlebten. Sie sei ein für bestimmte, ursprünglich praktische, später logische Zwecke geschaffenes, unwirkliches Abstraktionsprodukt. Das aktuelle »Wollen« insbesondere werde nie in dem gleichen Sinne »erlebt«, wie man sich der Willensobjekte – welche nachher Gegenstände der »objektivierenden« Wissenschaften werden – »bewußt« werde (S. 51) und sei daher von allem »vorgefundenen« Erfahrungsinhalt prinzipiell verschieden. Man wird zunächst geneigt sein, hiergegen einzuwenden, daß es sich dabei doch lediglich um die »Verschiedenheit« des »Existenten« selbst vom »Existenzialurteil« handle, welch letzteres von uns an einem konkreten (auch eignen) Wollen genau ebenso realisiert werden könne und tatsächlich werde, wie an irgendeinem »Objekt«. Daß das Wollen existent ist, d.h. also »erlebt« wird, ist natürlich – aber ganz wie bei »wahrgenommenen« Objekten – etwas logisch anderes, als daß wir von diesem Erlebnis »wissen«. Münsterberg würde hierauf entgegnen, seine Ansicht besage ja nur, daß erst nach vollzogener »Introjektion« des Psychischen in einen Körper, welche ihrerseits erst nach vollzogener Trennung des »Psychischen« vom »Physischen« möglich werde (eine Trennung, von der das unmittelbare »Erleben« gar nichts wisse), also erst nach vollzogener »Objektivierung« der Welt, der »Wille« Gegenstand der »Beschreibung und Erklärung« werden könne. Dieser Wille sei aber alsdann nicht mehr der »wirkliche« Wille des »aktuellen Subjektes«, sondern ein durch Abstraktion gewonnenes und nun weiter zum Gegenstand der Analyse gemachtes »Objekt«. Wir wissen – nach seiner Ansicht – nun aber auch von dem wirklichen Willen in seiner erlebten Realität. Aber dieses »Wissen« von der eignen ununterbrochen »stellungnehmenden« und wertenden »Aktualität«, und ebenso von derjenigen

Скачать книгу