Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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und die Wundtschen Begriffe der »schöpferischen Synthese«, des »Gesetzes« der stetigen »Steigerung der psychischen Energie« usw. enthalten Werturteile vom reinsten Wasser. Verdeutlichen wir uns nur kurz noch die Denkmotive, welche zu diesen Aufstellungen geführt haben. Sie sind ganz offenbar darin zu finden, daß wir eben die Entwickelung derjenigen Völker, die wir »Kulturvölker« nennen, als Wertsteigerung beurteilen, und daß dies Werturteil, welches den Ablauf qualitativer Veränderungen, den wir an ihnen feststellen, als eine Kette von Wertungleichungen aufgefaßt werden läßt, eben dadurch unser »historisches Interesse« in spezifischer Art auf sie hinlenkt, – bestimmter ausgedrückt: dafür konstitutiv wird, daß diese Entwickelungen für uns »Geschichte« werden. Und jene durch unsere Wertbeurteilung hergestellten Wertungleichungen, die Erscheinungen des historischen Wert- und Bedeutungswandels, der Umstand, daß jene Bestandteile des zeitlichen Ablaufes des Geschehens, welche wir als »Kulturentwickelung« bewerten und so aus der Sinnlosigkeit der endlosen Flucht unendlicher Mannigfaltigkeiten herausheben, eben für unser Werturteil in gewissen wichtigen Hinsichten, – so namentlich am Maßstabe des Umfanges der »Erkenntnis« gemessen – »Fortschritte« zeigen: – dies alles erzeugt nun den metaphysischen Glauben, als ob, auch bei Abstraktion von unserer wertenden Stellungnahme, aus dem Reiche der zeitlosen Werte in das Reich des historischen Geschehens durch Vermittelung, sei es der genialen »Persönlichkeit«, sei es der »sozialpsychischen Entwickelung«, ein Jungbrunnen hinübersprudle, welcher den »Fortschritt« der Menschheitskultur in die zeitlich unbegrenzte Zukunft hinein »objektiv« stets von neuem erzeuge.

      Diesem »Fortschritts«-Glauben stellt sich Wundts »Psychologie« als Apologet zur Verfügung. Und den gleichen, – vom Standpunkt einer empirischen Psychologie aus gesprochen: – metaphysischen Glauben teilte offenbar auch Knies. Und sicherlich hatte er sich dieses Glaubens zu schämen keinen Anlaß, nachdem ihm ein Größerer eine in ihrer Art klassische Form gegeben hatte. Kants »Kausalität durch Freiheit« ist, zusammen mit den mannigfachen Verzweigungen, welche in der weiteren Entwickelung des philosophischen Denkens aus diesem Begriff hervorgewachsen waren, der philosophische Archetypos aller metaphysischen »Kultur«- und »Persönlichkeits«-Theorien dieser Art. Denn jenes Hineinragen des intelligiblen Charakters in die empirische Kausalverkettung vermittelst der ethisch normgemäßen Handlungen läßt sich ja mit der größten Leichtigkeit zu der Anschauung verschieben und verbreitern, daß entweder alles Normgemäße in ähnlicher Art aus der Welt der »Dinge an sich« in die empirische Wirklichkeit hineinverwebt sein müsse oder daß, noch weiter, aller Wertwandel in der Wirklichkeit durch »schöpferische« Kräfte hervorgebracht werde, welche einer spezifisch anderen Kausalität unterliegen als andere, für unser »Werturteil« indifferente qualitative Veränderungsreihen. In dieser letzteren Form taucht jene Gedankenreihe, freilich arg degeneriert gegenüber dem – trotz aller Widersprüche, in die er bei jeder näheren Erwägung führt – grandiosen und vor allem in seinem logischen Wesen rückhaltlos unverhüllten Charakter des Kantschen Gedankens, in dem Wundtschen Begriff der »schöpferischen Synthese« und des Gesetzes der »steigenden psychischen Energie« auf. –

      Ob und welcher Sinn solchen Aufstellungen etwa auf dem Gebiet metaphysischer Betrachtungen zukommen könnte, bleibt hier ganz dahingestellt, und ebenso sind die sachlichen Schwierigkeiten der »Kausalität durch Freiheit« und aller ihr verwandten Konstruktionen, welche wohl gerade auf dem metaphysischen Gebiet beginnen dürften, hier nicht zu besprechen114. Jedenfalls ist der »Psychologismus«, d.h. hier: die Prätension der Psychologie, »Weltanschauung« zu sein oder zu schaffen, ganz ebenso sinnlos und für die Unbefangenheit der empirischen Wissenschaft ganz ebenso gefährlich wie der »Naturalismus« auf Grundlage sei es der Mechanik, sei es der Biologie auf der einen, der »Historismus« auf Grundlage der »Kulturgeschichte« auf der anderen Seite115.

      Daß mit diesem angeblichen »Prinzip« des psychischen Geschehens für irgendeine Psychologie absolut nicht das Geringste anzufangen ist, hat bereits Münsterberg116 zur Evidenz erwiesen. Das »objektivierte«, d.h. von der Beziehung auf Wertideen gelöste »psychische« Geschehen kennt eben lediglich den Begriff der qualitativen Veränderung, und die objektivierte kausale Beobachtung dieser Veränderung denjenigen der Kausalungleichung. Der Begriff des »Schöpferischen« kann erst da in Funktion treten, wo wir individuelle Bestandteile jener »an sich« durchaus indifferenten Veränderungsreihen auf Werte zu beziehen beginnen. Tun wir dies aber, dann kann, wie gesagt, die Entstehung des Sonnensystems aus irgendeinem Urnebel oder, wenn man für die Anwendbarkeit des Begriffs auf die Plötzlichkeit des Ereignisses Gewicht legen will, der Einbruch des Dollart ganz ebenso unter den Begriff des »Schöpferischen« gebracht werden wie die Entstehung der Sixtinischen Madonna oder das Erdenken von Kants Kritik der reinen Vernunft. – Aus irgendeinem von Werturteilen freien, »objektiven«, Merkmal der Art ihrer kausalen Wirkungsweise kann eine spezifische »schöpferische Bedeutung« der »Persönlichkeiten« oder des »menschlichen Handelns« nicht abgeleitet werden. Dies allein – so selbstverständlich es ist – sollte hier ausdrücklich festgestellt werden.

      In welchem Sinn im übrigen der Historiker den Begriff des »Schöpferischen« verwendet und mit »subjektivem« Recht verwenden darf, erörtern wir hier nicht. Vielmehr wenden wir uns wieder mehr dem Ausgangspunkt dieser Erörterungen – der Ansicht von Knies – durch einige Bemerkungen zu, betreffend den Glauben an die spezifische Irrationalität des menschlichen Handelns oder der menschlichen »Persönlichkeit«. Wir nehmen hier den Begriff »Irrationalität« zunächst einfach in dem vulgären Sinn von jener »Unberechenbarkeit«, welche, nach der Meinung von Knies und, noch immer, so vieler anderer, das Symptom der menschlichen »Willensfreiheit« sein soll, und auf welche, – daß sie es nämlich mit solchen, vermöge dieser Unberechenbarkeit spezifisch reputierlichen Wesen zu tun hätten, – eine Art von spezifischer Dignität der »Geisteswissenschaften« zu begründen versucht wird. Nun ist ja zunächst in der »erlebten« Wirklichkeit von einer spezifischen »Unberechenbarkeit« menschlichen Tuns ganz und gar nichts zu spüren. Jedes militärische Kommando, jedes Strafgesetz, ja jede Aeußerung, die wir im Verkehr mit anderen machen, »rechnet« auf den Eintritt bestimmter Wirkungen in der »Psyche« derer, an die sie sich wendet, – nicht auf eine absolute Eindeutigkeit in jeder Hinsicht und bei allen, aber auf eine für die Zwecke, denen das Kommando, das Gesetz, die konkrete Aeußerung überhaupt dienen wollen, genügende. Sie tut dies, logisch betrachtet, in ganz und gar keinem anderen Sinn, als »statische« Berechnungen eines Brückenbaumeisters, agrikulturchemische Berechnungen eines Landwirts und physiologische Erwägungen eines Viehzüchters, und diese wieder sind »Berechnungen« in demselben Sinn, in dem die ökonomischen Erwägungen eines Arbitrageurs und Terminmaklers es auch sind: jede von diesen »Berechnungen« begnügt sich mit dem für sie erforderlichen und bescheidet sich mit dem für ihre spezifischen Zwecke nach Lage ihres Quellenmaterials in concreto erreichbaren Maß von »Exaktheit«. Ein prinzipieller Unterschied gegen »Naturvorgänge« besteht nicht. Die »Berechenbarkeit« von »Naturvorgängen« in der Sphäre von »Wetterprophezeiungen« etwa ist nicht entfernt so »sicher« wie die »Berechnung« des Handelns einer uns bekannten Person, ja, sie ist einer Erhebung zur gleichen Sicherheit auch bei noch so großer Vervollkommnung unseres nomologischen Wissens gar nicht fähig. So steht es aber überall, wo nicht bestimmte, abstrahierte Relationen, sondern die volle Individualität eines künftigen »Naturvorgangs« in Frage steht117. Schon die allertrivialsten Erwägungen zeigen aber ferner, daß auch auf dem Gebiet des kausalen Regressus die Dinge in gewissem Sinn gerade umgekehrt liegen als die »Unberechenbarkeitsthese« annimmt, jedenfalls aber von einem auch bei Abstraktion von unsern Wertgesichtspunkten gültig bleibenden, also in diesem Sinn »objektiven« Plus an jener Art von Irrationalität auf seiten des menschlichen »Handelns« schlechterdings nicht die Rede sein kann.

      Wenn der Sturm einen Block von einer Felswand herabgeschleudert hat, und er dabei in zahlreiche verstreut liegende Trümmer zersplittert ist, dann ist die Tatsache und, – jedoch schon ziemlich unbestimmt, – die allgemeine Richtung des Falles, die Tatsache und vielleicht – aber wiederum ziemlich unbestimmt –

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