Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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»Aktualitäten« – im Gegensatz zu jenem erst durch »Objektivierung«, d.h. künstliche Loslösung vom ursprünglichen »verstehenden und wertenden« Subjekt zu erzeugenden Gegenstand des »wertfreien« analytischen Erkennens, welches seinerseits eben nicht eine Welt der Aktualität innerlich »verstehen«, sondern eine Welt der »vorgefundenen« Objekte »beschreiben« und durch Auflösung in ihre Elemente »erklären« wolle. Schon zum bloßen »Beschreiben« und vollends zum »Erklären« bedürfe aber diese »objektivierende« Erkenntnis nicht nur der »Begriffe«, sondern auch der »Gesetze«, die andrerseits auf dem Gebiet des »Verstehens« des »aktuellen« Ich als Erkenntnismittel weder wertvoll noch überhaupt sinnvoll seien. Denn die Aktualität des Ich, von der eine »Wirklichkeitswissenschaft« nicht abstrahieren könne, sei die »Welt der Freiheit« und manifestiere sich als solche dem Erkennen als die Welt des deutbar Verständlichen, »Nacherlebbaren«, eine Welt, von der wir eben jenes »erlebte« Wissen haben, welches durch die Anwendung der Mittel des »objektivierenden Erkennens«: Begriffe und Gesetze, in keiner Weise vertieft werden könne. – Da nun aber, nach Münsterberg, die »objektivierende« Psychologie ebenfalls von den erlebten Inhalten der Wirklichkeit ausgeht, um sie alsdann »beschreibend« und »erklärend« zu analysieren, so verbleibt schließlich als Gegensatz der objektivierenden und der subjektivierenden Disziplinen nur die »Abhängigkeit vom Ich«, welche von den letzteren nicht aufgegeben werden kann und soll, während die ersteren von jener Abhängigkeit nur das rein theoretische, wertfreie »Erfahrenwerden« ihrer Objekte beibehalten, und daher die Einheit des »stellungnehmenden« Ich durch ihre Konstruktionen gar nicht erreichen können, da dieses Ich eben nicht »beschreibbar«, sondern nur »erlebbar« ist. Und da die Geschichte von »Akten« der »Persönlichkeiten« berichtet, einen »Willenszusammenhang« herstellen will, bei dem menschliches Werten und Wollen in seiner vollen »erlebten« Realität »nacherlebt« wird, so ist sie eine subjektivierende Disziplin.

      Daß das nur auf dem Gebiet »geistiger« Vorgänge mögliche »Einfühlen« und »Verstehen« die eigentümliche Kategorie des »subjektivierenden« Erkennens sei, daß es von ihr aus keine Brücke zu den Mitteln des objektivierenden Erkennens gebe, daß wir deshalb auch nicht berechtigt seien, nach Belieben von der einen, z.B. von der psychophysischen, zur »noëtischen« (verstehenden) Deutung eines Vorgangs gewissermaßen überzuspringen125, oder etwa Lücken, welche die eine Erkenntnisart läßt, durch die andere auszufüllen –, auf diese Sätze gründet sich – wenn man eine Anzahl offenbarer logischer Fehler streicht126 – der für uns wesentliche Gehalt dieser Münsterbergschen Auffassung von der Eigenart der Geschichte und der ihr verwandten »Geisteswissenschaften«. Nun hat schon Schopenhauer einmal gesagt, die Kausalität sei »kein Fiaker, den man beliebig halten lassen kann«. Da aber, nach Münsterberg, die Kluft zwischen »subjektivierender« und »objektivierender« Auffassung ein solches Innehalten an der Grenze des »noëtisch« Zugänglichen unvermeidlich machen würde, so verwirft er die Anwendbarkeit der Kausalitätskategorie auf das »subjektivierende« Erkennen überhaupt. Denn wenn wir, so meint er, mit der kausalen Erklärung einmal beginnen, können wir »keinesfalls mit dem Erklären aufhören«, »wenn wir zufällig auf eine Willenshandlung stoßen, die neben ihrer erfahrbaren Konstitution auch noch eine verstehbare Innentendenz hat« (S. 130). Wir müßten vielmehr alsdann versuchen, auch diese Willenshandlung in eine Reihe von (psychophysischen) Elementarprozessen aufzulösen: können wir das nicht, so »bliebe eine dunkle Stelle zurück«, die wir durch »Einfühlung« nicht (d.h. aber doch wohl nur: nicht im Sinn der Psychophysik) »erleuchten« würden (S. 131). Und umgekehrt können wir für die Erkenntnis von Subjektzusammenhängen nichts gewinnen – d.h. aber doch wohl nur: kein Mehr von »nacherlebendem« Verständnis erreichen –, wenn wir »Unverstandenes unter die Kategorie von Objektzusammenhängen bringen« (ebd.). Um nun mit den zuletzt wiedergegebenen, mehr peripherischen Argumenten zu beginnen, so sind diese jedenfalls nicht zwingend. Die »subjektivierenden« Deutungen, mit denen z.B. eine kulturhistorische Analyse etwa der Zusammenhänge zwischen religiösen und sozialen Umwälzungen in der Reformationszeit arbeiten würde, beziehen sich zunächst, soweit die »Innenseite« der Handelnden in Betracht kommt, vom Standpunkt des experimentierenden Psychologen aus betrachtet, auf Bewußtseinsinhalte von unerhört komplexem Charakter; so komplex, daß vorerst noch kaum der erste Anfang einer »Auflösung« derselben in einfache »Empfindungen« oder andere, auch nur vorläufig nicht weiter zerlegbare »Elemente« vorliegt. Diesem sehr trivialen Umstand tritt der fernere, noch trivialere, hinzu, daß schwer abzusehen ist, wie für eine solche »Auflösung«, die ja doch nur im Wege »exakter« (Laboratoriums-)Beobachtung möglich wäre, das Material jemals beschafft werden könnte. Das Entscheidende aber ist schließlich, daß die Geschichte sich ja doch keineswegs nur auf dem Gebiet jener »Innenseite« bewegt, sondern die ganze historische Konstellation der »äußeren« Welt als einerseits Motiv, andererseits Ergebnis der »Innenvorgänge« der Träger historischen Handelns »auffaßt«, – Dinge also, die in ihrer konkreten Mannigfaltigkeit nun einmal weder in ein psychologisches Laboratorium noch überhaupt in eine rein »psychologische« Betrachtung, wie immer man den Begriff der Psychologie begrenzen möge, eingehen. Und die bloße »Unzerlegbarkeit« und »teleologische Einheit« der Willenshandlung, oder vielmehr der Umstand, daß eine Wissenschaft die »Handlungen« mit ihren »Motiven« oder etwa die »Persönlichkeiten« als für sich unzerlegbar behandelt – weil für ihre Fragestellung eine Zerlegung keinem wertvollen Erkenntniszweck dienen würde –, dieser Umstand allein genügt sicherlich nicht, um diese Disziplin aus dem Umkreis der »objektivierenden« Wissenschaften zu streichen. Der Begriff der »Zelle«, mit welcher der Biologe arbeitet, zeigt in seinem Verhältnis zu physikalischen und chemischen Begriffen ganz die gleiche Erscheinung. Es ist weiterhin gar nicht abzusehen, warum nicht z.B. die exakte psychologische Analyse etwa der religiösen Hysterie einmal gesicherte Ergebnisse zeitigen könnte, welche die Geschichte als begriffliche Hilfsmittel zur kausalen Zurechnung bestimmter Einzelvorgänge ganz ebenso verwerten könnte und müßte, wie sie die brauchbaren Begriffe irgendwelcher anderen Wissenschaften, wo sie ihren Zwecken nützen, anstandslos verwendet. Wenn dies geschieht – wenn also die Geschichte sich etwa von der Pathologie belehren ließe, daß gewisse »Handlungen« Friedrich Wilhelms IV. sich gewissen von ihr ergründeten Regeln psychopathischer Reaktion fügen –, dann passiert genau das, was Münsterberg für unmöglich erklärt: daß wir »Unverstandenes« auf dem Wege der »Objektivierung« erklären127. Und daß die »subjektivierenden« Wissenschaften überall da, wo die Ergebnisse »objektivierender« Disziplinen für sie relevant werden, ähnlich verfahren, zeigt Münsterberg selbst, indem er die Verwertbarkeit experimentalpsychologischer Resultate für die Pädagogik betont128, und dabei nur den gewiß zutreffenden – aber für die Geschichte und alle theoretischen Disziplinen nicht in Betracht kommenden – Vorbehalt macht, daß der praktische Pädagoge in seiner praktischen Tätigkeit, im lebendigen Verkehr also mit den Schülern, nicht einfach zum Experimentalpsychologen werden könne und dürfe. Dies nach Münsterberg deshalb nicht, weil 1. er hier, – wo er eben, nach Münsterbergs Terminologie, »stellungnehmendes Subjekt«, eben deshalb aber nicht Mann der Wissenschaft, auch nicht einer »subjektivierenden«, ist, – Ideale des Sein-Sollenden zu verwirklichen hat, über deren Wert oder Unwert eine analytische Erfahrungswissenschaft gar kein Ergebnis zeitigen kann –, 2. weil die für pädagogische Zwecke äußerst dürftigen Ergebnisse der Experimentalpsychologie durch den »gesunden Menschenverstand« und die »praktische Erfahrung« an Bedeutung bei weitem übertroffen werden. Woher nun – um bei diesem ganz lehrreichen Beispiel einen Augenblick zu verweilen – diese letztere Erscheinung, für welche bei Münsterberg eine Begründung zu vermissen ist, und welche doch eigentlich allein interessiert? Offenbar daher, daß der konkrete Schüler oder die Vielzahl konkreter Schüler für die praktische Erziehung als Individuen in Betracht kommen, deren für die pädagogische Beeinflussung relevante Qualitäten in wichtigen Punkten durch eine ungeheure Summe von ganz konkreten Einflüssen der »Veranlagung« und des individuellen »Milieus« im weitesten Sinn dieses Wortes bedingt werden, – Einflüsse, die ihrerseits unter allen möglichen Gesichtspunkten zum Gegenstand wissenschaftlicher, auch »objektivierender« Betrachtung gemacht, sicherlich aber nicht im Laboratorium eines Psychologen experimentell hergestellt werden können.

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