Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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Befehls zu erwägen, um danach handeln zu können148. Die kausale Frage: wie ist der Befehl »psychologisch« entstanden, wird dabei also zu dem Zweck aufgeworfen, die »noëtische Frage« nach seinem »Sinn« zu lösen. Hier tritt die theoretische »Deutung« des persönlichen Handelns und eventuell der »Persönlichkeit« (des Befehlenden) in den Dienst des aktuell praktischen Zweckes.

      Wo sie in den Dienst der empirischen Wissenschaft tritt, da haben wir sie in der Gestalt, in welcher sie uns hier beschäftigt. Sie ist, wie gerade diese Auseinandersetzungen wieder zeigen: durchaus im Gegensatz zu Münsterbergs Aufstellungen, eine Form kausalen Erkennens, und es sind uns bisher noch keinerlei, im Sinne Münsterbergs, grundsätzliche Unterschiede gegenüber den Formen der »objektivierenden« Erkenntnis begegnet, – denn, daß das »Gedeutete« in ein »Subjekt«, d.h. aber hier: in ein psychophysisches Individuum, als dessen Vorstellung, Gefühl, Wollen »introjiziert« wird, bedingt einen solchen Unterschied gerade nach Münsterbergs Ansicht ja nicht149. Für die weitere Erörterung des Wesens der »Deutung« knüpfen wir nun zweckmäßigerweise zunächst an die Ansichten von Gottl an. Denn wir können seine Ausführungen bequem als Anknüpfungspunkt benutzen, um uns klar zu machen, worin die erkenntnistheoretische Bedeutung der »Deutbarkeit« nicht besteht150. Dadurch wird es möglich, auch zu einigen noch unerledigten wichtigen Thesen Münsterbergs, auf dem Gottl (in seiner zweiten Schrift) fußt, Stellung zu nehmen und zugleich Simmels Formulierungen entweder zu verwerten oder unter Angabe der Gründe abzulehnen151. Dabei soll, soweit dies in unseren Zusammenhang gehört, auch eine kurze Auseinandersetzung mit den Ansichten von Lipps und Croce versucht werden.

      Nach Gottl ist das »historische« Erkennen seinem Wesen nach im Gegensatz zur »Erfahrung« der Naturwissenschaften:

      1. Erschließung des zu Erkennenden. Das heißt: es setzt mit einem Akt – wie wir sagen würden – deutenden Durchschauens des Sinnes menschlicher Handlungen ein, und schreitet fort, indem immer neue deutend erfaßte Bestandteile des Zusammenhanges der historischen Wirklichkeit angegliedert, immer neue einer »Deutung« zugängliche »Quellen« auf den Sinn jenes Handelns hin, dessen Spuren sie sind, erschlossen und so ein stets umfassenderer Zusammenhang sinnvollen Handelns gebildet wird, dessen Einzelbestandteile sich gegenseitig stützen, weil der gesamte Zusammenhang für uns »von innen heraus« durchsichtig bleibt. Dieses »Erschließen« ist nach Gottl dem Erkennen menschlichen Handelns eigentümlich und scheidet es von aller Naturwissenschaft, als welche stets nur im Weg von Analogieschlüssen die Annäherung an ein möglichstes Maximum der Wahrscheinlichkeit – durch immer wiederkehrende Bewährung der hypothetischen »Gesetze« – erstreben könne. Hier ist zunächst der psychologische Hergang des Erkennens mit seinem erkenntnistheoretischen Sinn, das Ziel des Erkennens mit seiner Methode, Formen der Darstellung mit Mitteln der Forschung identifiziert, dann aber auch für den tatsächlichen Verlauf des Erkennens ein Unterschied behauptet, der in dieser Art gar nicht besteht. Es ist schon rein faktisch nicht generell richtig, daß die Gewinnung historischer Erkenntnis mit der »Deutung« einsetzt. Die Rolle ferner, welche unsere »historische« oder allgemeiner: deutende Phantasie in der »Erschließung« geschichtlicher Hergänge spielt, fällt auf dem Gebiet des physikalischen Erkennens z.B. etwa der »mathematischen Phantasie« zu, und die Erprobung der so gewonnenen Hypothesen – denn darum handelt es sich hier und dort – ist ein, logisch betrachtet, keineswegs prinzipiell verschiedener Vorgang. Ranke »erriet« die geschichtlichen Zusammenhänge ganz ebenso wie Bunsens »Experimentierkunst« an ihm als die spezifische Grundlage seiner Erfolge bewundert zu werden pflegt. Besteht hier also ein Unterschied, so ist er jedenfalls mit der Funktion der »Erschließung«, auf die Gottl immer wieder zurückkommt, nicht charakterisiert. – Gottl spezialisiert nun seine Behauptung näher dahin, daß

      2. jene »Erschließung« historischen Geschehens eine solche »vom Boden der Denkgesetze« aus sei, worauf es beruhe, daß für die Geschichte als Bestandteil des von ihr zu schildernden Geschehens nur in Betracht komme, was »durch logische Denkgesetze erfaßbar« sei, alles andere aber – so etwa historisch relevante Naturereignisse, wie der Einbruch des Zuyder Sees oder des Dollart usw. – als bloße »Verschiebung« der »Bedingungen« des sie allein interessierenden menschlichen Handelns.

      Hier ist die Verwendung des vieldeutigen Gegensatzes von »Ursache« und »Bedingung« – auf dessen Sinn hier nicht im einzelnen einzugehen ist – in diesem Zusammenhang zu beanstanden. Wer eine »Geschichte« der Syphilis schreibt – d.h. die kulturgeschichtlichen Wandlungen verfolgt, welche ihr Auftreten und ihre Verbreitung ursächlich beeinflußt haben, um dann andererseits die durch sie hervorgerufenen oder doch mitbedingten kulturhistorischen Erscheinungen von ihr aus ursächlich zu erklären –, der wird im allgemeinen die Krankheits-Erreger als »Ursache«, die kulturhistorischen Situationen als wandelbare »Bedingungen« einerseits, »Folgen« anderseits, zu behandeln haben. Gleichwohl wird, soweit seine Arbeit ein Beitrag zur Kulturgeschichte, und nicht eine Vorarbeit für eine klinische Theorie zu sein beabsichtigt, dasjenige Moment bestehen bleiben, welches als berechtigter Kern der irrig formulierten Gottlschen Darlegungen übrig bleibt: das wissenschaftliche Interesse ist in letzter Instanz in denjenigen Bestandteilen des historischen Ablaufs verankert, welche verständlich deutbares menschliches Sich-Verhalten in sich schließen, auf die Rolle, welche jenes für uns »sinnvolle« Tun in seiner Verflechtung mit dem Walten »sinnloser« Naturmächte gespielt, und auf die Beeinflussungen, welche es von dorther erfahren hat. Insofern also, als die Geschichte die »Naturvorgänge« stets auf menschliche Kulturwerte bezieht, daher stets ihr Einfluß auf menschliches Handeln die Gesichtspunkte der Untersuchung – wenn sie eben eine historische sein will – bestimmt, aber auch nur insofern, ist Gottls Ansicht begründet. Es ist auch hier wieder nur jene schon früher erörterte spezifische Wendung unseres wertbedingten Interesses, welche in Verbindung mit sinnvoller Deutbarkeit auftritt, was Gottl vorschwebt. – Ein sehr entschiedener Mißgriff aber ist es natürlich, wenn von Erschließbarkeit des historischen Geschehens auf dem Boden der »logischen Denkgesetze« gesprochen wird, wo doch nur dessen Zugänglichkeit für unser nacherlebendes Verstehen – eben seine »Deutbarkeit« – gemeint ist. Ganz irrelevant ist sachlich diese Terminologie keineswegs, denn nicht nur spricht Gottl infolgedessen an anderer Stelle da, wo es heißen sollte: »verständliches Handeln«, von »vernünftigem Geschehen« – was offenbar etwas ganz und gar anderes, durch ein Werturteil Qualifiziertes besagt –, sondern jene Gleichsetzung von dem, was wir »deutend« zu verstehen vermögen, mit logisch erschließbarem Tun, wie sie in Gottls hier stark schillernder Terminologie liegt, spielt auch in der Praxis der Kulturwissenschaften, und zwar auch der Historiographie, noch heute zuweilen ihre Rolle, und kann dann zu einem Prinzip rationaler Konstruktion historischer Vorgänge führen, welches der Wirklichkeit Gewalt antut152. Die »Erschließung« eines Sinnes einer Handlung aus der gegebenen Situation, unter Voraussetzung des rationalen Charakters ihrer Motivierung, ist stets lediglich eine zum Zweck der »Deutung« vorgenommene Hypothese, die prinzipiell immer der empirischen Verifizierung bedarf, mag sie in tausenden von Fällen noch so sicher erscheinen, und die dieser Verifizierung auch zugänglich ist. Denn wir »verstehen« nun einmal das irrationale Walten der maßlosesten »Affekte« genau so gut wie den Ablauf rationaler »Erwägungen«, und das Handeln und Fühlen des Verbrechers und des Genius – obwohl wir uns bewußt sind, es nie selbst haben erleben zu können – vermögen wir im Prinzip wie das Tun des »Normalmenschen« nach zuerleben, wenn es uns adäquat »gedeutet« wird153. Nur dies: die »Deutbarkeit« menschlichen Handelns als Voraussetzung der Entstehung des spezifisch »historischen« Interesses besagt denn auch das von Ranke ebensowohl wie von neueren Methodologen154 stark betonte »Axiom aller historischen Erkenntnis« von der »prinzipiellen Gleichheit« der Menschennatur. Denn der »normale« Mensch und das »normale« Handeln sind natürlich ganz ebenso zu bestimmten Zwecken konstruierte idealtypische Gedankengebilde, wie – im umgekehrten Sinne – das bekannte »kranke Pferd« in Hoffmanns »Eisernem Rittmeister«, und das »Wesen« z, B. des Affekts eines Tiers »verstehen«

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