Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber страница 23

Автор:
Серия:
Издательство:
Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

Скачать книгу

ein, indem wir Bestandteile ihrer als Ausdruck einer »Kraft«, eines »Strebens«, eines bestimmten »Gesetzes« usw. gefühlsmäßig »erleben« (S. 188), und diese phantastisch »erlebbare«, anthropomorphe individuelle Kausalität in der Natur ist nach Lipps die Quelle der »Naturschönheiten«. Die »erlebte« Natur besteht im Gegensatz zur objektivierten, d.h. in Relationsbegriffe aufgelösten oder aufzulösenden, aus »Dingen« ganz ebenso, wie das erlebte eigene »Ich« ein Ding ist, – und der Unterschied zwischen »Natur« und »Ich« liegt eben darin, daß das »erlebte Ich« das einzige reale »Ding« ist, von dem alle »Natur«individuen ihre anschaulich »erlebbare« Dinghaftigkeit und »Einheit« zu Lehen tragen (S. 196).

      Wie man nun auch über den Wert dieser Aufstellungen für die Begründung der Aesthetik denken mag: für logische Erörterungen ist vor allem daran festzuhalten, daß das »individuelle Verstehen« – wie das ja auch bei Lipps wenigstens angedeutet ist – nicht ein »eingefühltes Erlebnis« ist. Aber jenes entwickelt sich auch nicht in der Art aus diesem, wie Lipps es darstellt. Wer sich in den Lippsschen Akrobaten »einfühlt«, »erlebt« ja weder, was dieser auf dem Seil »erlebt«, noch was er »erleben« würde, wenn er selbst auf dem Seil stände, sondern etwas dazu nur in durchaus nicht eindeutigen, phantastischen Beziehungen Stehendes, und deshalb vor allem: etwas, was nicht nur keinerlei »Erkenntnis« in irgendeinem Sinne enthält, sondern auch garnicht das »historisch« zu erkennende Objekt enthält. Denn dies wäre eben doch im gegebenen Falle das Erlebnis des Akrobaten und nicht dasjenige des Einfühlenden. Nicht eine »Spaltung« des einfühlenden Ich tritt also ein, sondern die Verdrängung des eigenen Erlebnisses durch die Besinnung auf ein fremdes als »Objekt«, wenn die Reflexion beginnt. Richtig ist nur, daß auch das »intellektuelle Verständnis« in der Tat ein »inneres Mitmachen«, also »Einfühlung«, in sich schließt, – aber, sofern es »Erkenntnis« beabsichtigt und erzielt, ein »Mitmachen« zweckvoll gewählter Bestandteile. Die Ansicht, daß die Einfühlung »mehr« sei als bloßes »intellektuelles Verständnis«, kann also nicht ein Plus an »Erkenntniswert« im Sinne des »Geltens« behaupten, sondern besagt nur, daß kein objektiviertes »Erkennen«, sondern reines »Erleben« vorliegt. Im übrigen ist entscheidend, ob die von Lipps dem »Ich« und nur ihm zugeschriebene reale »Dinghaftigkeit« Konsequenzen für die Art der wissenschaftlichen Analyse »innerlich nacherlebbarer« Vorgänge haben soll. Die letztgenannte Frage aber bildet einen Bestandteil des universelleren Problems nach der logischen Natur der »Dingbegriffe«, dessen allgemeinste Formulierung wiederum sich dahin zuspitzen läßt: gibt es denn überhaupt Dingbegriffe? Man hat es immer wieder geleugnet, und welche Konsequenzen dieser Standpunkt für die logische Beurteilung speziell der Geschichte haben muß, zeigt neuestens wieder in typischer Weise der geistvolle italienische Widerpart der Ansichten von Lipps und des Psychologismus überhaupt in der Philologie und Aesthetik: Benedetto Croce161. »Dinge sind Anschauungen«, meint Croce, »Begriffe dagegen beziehen sich auf Beziehungen zwischen Dingen«. Der Begriff, welcher seinem Wesen nach nur genereller und also abstrakter Natur sein kann, ist daher »nicht mehr« Anschauung, aber er ist es anderseits »doch noch«, da er ja eben schließlich seinem Inhalt nach nur verarbeitete Anschauung ist. Die Folge seines notwendig abstrakten Charakters ist jedoch, daß »Dinge«, da sie stets individuell sind, nicht in Begriffe eingehen, sondern nur »angeschaut« werden können: ihre Erkenntnis ist also nur »künstlerisch« möglich. Ein »Begriff« von etwas Individuellem ist contradictio in adjecto, und die Geschichte, welche das Individuelle erkennen will, ist eben deshalb »Kunst«, d.h. eine Aneinanderreihung von »Intuitionen«. Denn ob eine Tatsache unsres Lebens »wirklich war« – worauf es ja der Geschichte allein ankommt –, lehrt keine begriffliche Analyse, sondern allein die »Reproduktion der Anschauungen«: – »Geschichte ist Gedächtnis«, und die Urteile, welche ihren Inhalt ausmachen, enthalten, als bloße »Einkleidung des Eindrucks einer Erfahrung«, keinerlei »Setzung von Begriffen«, sondern sind nur »Ausdrücke« von Anschauungen. Es kann daher die Geschichte Gegenstand »logischer« Bewertung gar nicht werden, denn die »Logik« befaßt sich nur mit (Allgemein-)Begriffen und ihrer Definition162.

      Solche Aufstellungen sind die Konsequenz folgender naturalistischer Irrtümer: 1. Daß nur Relationsbegriffe, und – da die Relationsbegriffe der unmittelbaren Alltagserfahrung selbstverständlich genau so viel »Anschauung« enthalten wie irgendein Dingbegriff163 – nur Relationsbegriffe von absoluter Bestimmtheit, d.h. aber: in Kausalgleichungen ausdrückbare Relationsbegriffe überhaupt »Begriffe« seien. Ausschließlich mit solchen Begriffen aber arbeitet nicht einmal die Physik. – 2. Die damit zusammenhängende Behauptung, daß »Dingbegriffe« keine »Begriffe« seien, sondern »Anschauungen«, ist die Folge des Ineinanderschiebens verschiedener Bedeutungen der Kategorie der »Anschaulichkeit«. Wie die anschauliche Evidenz des mathematischen Lehrsatzes etwas anderes ist als die für die »Erfahrung« unmittelbar gegebene, »in« und »außer« uns erlebte und erlebbare »Anschaulichkeit« des Mannigfaltigen – »kategoriale« Anschauung im Gegensatz zur »sinnlichen« nach Husserls Terminologie164 –, so ist das Crocesche Ding und insbesondere auch das Lippssche Ding kat? ??????: das »Ich«, so, wie es die empirische Wissenschaft anwendet, etwas gänzlich anderes als der »erlebte«, zu einer rein sinnlich oder gefühlsmäßig anschaulichen »Einheit« zusammengeflossene und als solche durch »Gedächtnis« oder »Ichgefühl« psychologisch zusammengehaltene Komplex von Bewußtseinsinhalten. Wo die empirische Wissenschaft eine gegebene Mannigfaltigkeit als »Ding« und damit als »Einheit« behandelt, z.B. die »Persönlichkeit« eines konkreten historischen Menschen, da ist dieses Objekt zwar stets ein nur »relativ bestimmtes«, d.h. ein stets und ausnahmslos empirisch »Anschauliches« in sich enthaltendes gedankliches Gebilde, – aber es ist gleichwohl eben ein durchaus künstliches Gebilde165, dessen »Einheit« durch Auswahl des mit Bezug auf bestimmte Forschungszwecke »Wesentlichen« bestimmt ist, ein Denkprodukt also von nur »funktioneller« Beziehung zum »Gegebenen« und mithin: ein »Begriff«, wenn anders dieser Ausdruck nicht künstlich auf nur einen Teil der durch denkende Umformung des empirisch Gegebenen entstehenden und durch Worte bezeichenbaren Gedankengebilde beschränkt wird. – Schon deshalb ist natürlich auch: 3. die weitverbreitete und von Croce akzeptierte Laienansicht durchaus irrig, als ob die Geschichte eine »Reproduktion von (empirischen) Anschauungen« oder ein Abbild von früheren »Erlebungen« (des Abbildenden selbst oder anderer) sei. Schon das eigene Erlebnis kann, sobald es denkend erfaßt werden soll, nicht einfach »abgebildet« oder »nachgebildet« werden: das wäre eben kein Denken über das Erlebnis, sondern ein nochmaliges »Erleben«166 des früheren oder vielmehr, da dies unmöglich ist, ein neues »Erlebnis«, in welches das – für eine denkende Betrachtung sich stets als nur relativ begründet herausstellende – »Gefühl« mit »eingeht«, »dies« (d.h. einen unbestimmt bleibenden Bestandteil des als präsentes »Erlebnis« Gegebenen) schon einmal »erlebt« zu haben. Ich habe an anderer Stelle – ohne übrigens selbstredend damit irgend etwas »Neues« zu sagen – dargelegt, wie auch das einfachste »Existenzialurteil« (»Peter geht spazieren«, um mit Croce zu exemplifizieren), sobald es eben »Urteil« sein und sich als solches »Geltung« sichern will – denn das ist die einzige in Betracht kommende Frage –, logische Operationen voraussetzt, welche allerdings nicht die »Setzung«, wohl aber die konstante Verwendung von Allgemeinbegriffen, daher Isolation und Vergleichung, in sich enthalten. Es ist eben – und damit kommen wir zu Gottls Ausführungen zurück – der entscheidende Fehler aller jener, leider auch von Fachhistorikern so sehr oft akzeptierten Theorien, welche das spezifisch »Künstlerische« und »Intuitive« der historischen Erkenntnis, z.B. der »Deutung« von »Persönlichkeiten«, als das Privileg der Geschichte ansehen, daß die Frage nach dem psychologischen Hergang bei der Entstehung einer Erkenntnis mit der gänzlich andern nach ihrem logischen »Sinn« und ihrer empirischen »Geltung« verwechselt wird. Was den psychologischen Hergang des Erkennens anbetrifft, so ist die Rolle, welche der »Intuition« zufällt, dem Wesennach – wie schon oben ausgeführt – auf allen Wissensgebieten dieselbe, und nur der Grad, in welchem wir uns alsdann bei der denkenden Formung der allseitigen begrifflichen Bestimmtheit nähern können und wollen, ein je nach dem Erkenntnisziel verschiedener. Die logische Struktur einer Erkenntnis aber zeigt sich

Скачать книгу