Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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Gedankens gelegentlich gerade auf die Unterstützung durch klinisch-pathologische Kenntnisse angewiesen155, sondern sie bedient sich selbstredend überhaupt, im Gegensatz zu Gottls Annahme, fortwährend der »Kontrolle« durch »Erfahrung« in logisch gleichem Sinn wie die Hypothesen der »Naturwissenschaften«.

      Man hat zwar – und so verfährt im wesentlichen auch Gottl – zugunsten einer spezifischen »Gewißheit« der »Deutungen« gegenüber anderen Erkenntnisarten geltend gemacht, daß der sicherste Inhalt unseres Wissens das »eigene Erlebnis« sei156. Das ist – in einem bestimmten, gleich zu erörternden Sinn – richtig, sobald als Gegensatz dazu fremde »Erlebnisse« gemeint sind, sobald ferner der Begriff des »Erlebnisses« auf die in einem bestimmten Moment uns unmittelbar gegebene psychische und physische Welt erstreckt wird und sobald unter dem »Erlebten« nicht die von der wissenschaftlichen Betrachtung zu formende Wirklichkeit gemeint ist, sondern die Gesamtheit der »Wahrnehmungen« in Verbindung mit den gänzlich ungeschieden mit ihnen verbundenen »Empfindungen«, »Wollungen«, – den »Stellungnahmen« also, die wir in jedem Augenblick vollziehen und deren wir uns in dem betreffenden Augenblick in sehr verschiedenem Grade und Sinn »bewußt« werden. So gemeint, ist aber das »Erlebte« etwas, was nicht zum Objekt von Urteilen im Sinn der empirischen Tatsachenerklärung gemacht wird und daher im Zustande der Indifferenz gegenüber jeder empirischen Erkenntnis verharrt. Soll dagegen unter dem »Erlebten« das »psychische« Geschehen »in« uns im Gegensatz zu der Gesamtheit des Geschehens »außer« uns – gleichviel wie die Grenze zwischen beiden gezogen wird – verstanden sein, und soll dies »psychische« Geschehen als Gegenstand einer gültigen Tatsachen-Erkenntnis verstanden werden – dann liegt die Sache selbst nach der von Gottl akzeptierten Auffassung Münsterbergs eben doch wesentlich anders.

      Aber auch wenn man – wie dies Gottls Intentionen entspricht – sich jenseits der zur »Introjektion leitenden Scheidung des Erlebten« in »physische« und »psychische« Teile der objektivierten Wirklichkeit hält, die »physische« Welt also nur als Anlaß unsrer Stellungnahme »auffaßt«, setzt jede gültig-sein-wollende Erkenntnis erlebbarer konkreter Zusammenhänge »Erfahrung« von logisch gleicher Struktur wie jede Bearbeitung der »objektivierten« Welt voraus. Zunächst enthält ja das zum Gegenstand der Deutung gemachte Sich-Verhalten von Menschen überall Bestandteile, welche ganz ebenso als letzte »Erfahrungen« einfach hinzunehmen sind wie irgendwelche »Objekte«. Nehmen wir etwas Allereinfachstes: Der Vorgang der »Einübung« geistigen Könnens, wie er überall in der Kulturgeschichte begriffliche Verwendung findet, ist ganz gewiß unmittelbar »verständlich« in seinem Hergang und seinen Konsequenzen. Wie er abläuft, kann für gewisse meßbare Bestandteile Gegenstand von exakter »Psychometrie« werden, im übrigen kennen wir seinen Effekt aus massenhafter eigener Erfahrung, insbesondere etwa aus der eignen Erlernung fremder Sprachen. Daß er stattfindet und möglich ist, aber letztlich eben doch nur einfach »konstatierbar« in durchaus gar keinem andern Sinn als etwa die Tatsache, daß die Körper »schwer« sind. Aber weiter: unsre eignen, das Werten und Handeln mitbestimmenden, »Stimmungen« – im »vulgär-psychologischen« Sinn dieses Wortes, wie ihn die Kulturwissenschaften unzählige Male brauchen – sind uns in ihrem Sinn, ihrem »Mit-, Aus- und Wegen-einander« (um mit Gottl zu reden) ganz und gar nicht unmittelbar »deutbar«. Sondern – wie am klarsten etwa beim ästhetischen Genuß, nicht minder aber auch z.B. bei klassenbedingtem inneren Sichverhalten zutage tritt – es ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel, daß sie uns in all diesen Hinsichten durch Interpretation an der Hand der Analogie, d.h. unter Heranziehung fremder »Erlebungen«, die zum Zweck der Vergleichung denkend gewählt sind, also ein bestimmtes Maß von Isolation und Analyse als vollzogen unbedingt voraussetzen, nicht nur »gedeutet« werden können, sondern in dieser Weise geradezu kontrolliert und analysiert werden müssen, wenn anders sie jenen Charakter der Klarheit und Eindeutigkeit annehmen sollen, mit dem Gottl als einem a priori operiert. Die dumpfe Ungeschiedenheit des »Erlebens« muß – zweifellos auch nach Gottls Ansicht – gebrochen sein, damit auch nur der erste Anfang wirklichen »Verstehens« unsrer selbst einsetzen kann. Wenn man sagt, daß jedes »Erlebnis« das Gewisseste des Gewissen sei, so trifft dies natürlich darauf zu, daß wir erleben. Was wir aber eigentlich erleben, dessen kann auch jede »deutende« Interpretation erst habhaft werden, nachdem das Stadium des »Erlebens« selbst verlassen ist und das Erlebte zum »Objekt« von Urteilen gemacht wird, die ihrerseits ihrem Inhalt nach nicht mehr in ungeschiedener Dumpfheit »erlebt«, sondern als »geltend« anerkannt werden. Dies »Anerkennen«, als ein Bestandteil des Stellungnehmens gedacht, kommt aber nicht, wie Münsterberg seltsamerweise annimmt, dem fremden »Subjekt«, sondern der Geltung eigner und fremder Urteile zu. Das Maximum der »Gewißheit« aber im Sinn des Geltens – und nur in diesem Sinn hat irgend eine Wissenschaft damit zu schaffen – haftet an Sätzen wie 2 X 2 = 4, nachdem sie einmal »anerkannt« sind, nicht aber an dem unmittelbaren, aber ungeschiedenen Erlebnis, welches wir jeweils »haben« oder, was dasselbe ist, eben »sind«. Und die Kategorie des »Geltens« tritt alsbald in ihre formende Funktion, sobald die Frage nach dem »Was«? und »Wie«? des Erlebten auch nur vor unserm eignen Forum aufgeworfen wird und gültig beantwortet werden soll157. – Darauf wie dies geschieht, kommt es aber für die Beurteilung des logischen Wesens der »deutend« gewonnenen Erkenntnis allein an, und damit allein werden wir uns hier weiterhin beschäftigen.

III. Knies und das Irrationalitätsproblem.

       4) Die »Einfühlung« bei Lipps und die »Anschauung« bei Croce S. 105. – »Evidenz« und »Geltung« S. 115. – Heuristisches »Gefühl« und »suggestive« Darstellung des Historikers S. 118. – Die »rationale« Deutung S. 126. – Die doppelte Wendung der Kausalitätskategorie und das Verhältnis zwischen Irrationalität und Indeterminismus S. 132. – Der Begriff des Individuums bei Knies. Anthropologischer Emanatismus S. 138.

      Für die Erörterung der logischen Stellung des »Deutens« (in dem hier festgehaltenen Sinne) ist zunächst ein Blick auf gewisse moderne Theorien über seinen psychologischen Hergang unvermeidlich.

      Nach Lipps158, welcher, wennschon wesentlich unter dem Gesichtspunkt der Begründung der ästhetischen Werte, eine eigenartige Theorie der »Deutung« entwickelt hat, ist das »Verstehen« der »Ausdrucksbewegung« eines anderen, z.B. eines Affektlautes, »mehr« als bloßes »intellektuelles Verständnis« (S. 106). Es enthält »Einfühlung«, und diese für Lipps grundlegende Kategorie ist ihrerseits (nach ihm) ein Seitentrieb der »Nachahmung«, nämlich die ausschließlich »innere« Nachahmung eines Vorganges (S. 120), z.B. des Seiltanzens eines Akrobaten – als eines »eigenen«. Und zwar ist es nicht reflektierende Betrachtung des fremden Tuns, sondern eigenes, aber rein innerlich bleibendes »Erlebnis«, neben welchem das »Urteil«, daß – im Beispiel – nicht ich, sondern eben der Akrobat auf dem Seile steht, »unbewußt« bleibt (S. 122)159. Aus dieser »vollkommenen« Einfühlung, welche also ein gänzliches inneres Hineingehen des »Ich« in dasjenige Objekt, in welches man sich »einfühlt«: – ein wirkliches phantastisches, eigenes (inneres) Tun also, nicht etwa ein bloß phantasiertes, d.h. zum Objekt einer »Vorstellung« gemachtes Tun160, – bedeutet, und welches Lipps als ästhetische »Einfühlung« zur konstitutiven Kategorie des ästhetischen Genusses erhebt, entwickelt (nach ihm) sich das »intellektuelle Verständnis« dadurch, daß, um im Beispiel zu bleiben, zunächst jenes »unbewußte« Urteil: – »nicht ich, sondern der Akrobat steht (oder: stand) auf dem Seil« – ins Bewußtsein erhoben, und damit das »Ich« in ein »vorgestelltes« (auf dem Seil) und ein »reales« (jenes andre sich vorstellendes) sich zerspaltet (S. 125), so daß alsdann die – wie Münsterberg sagen würde: – »Objektivierung« des Vorganges, insbesondere also seine kausale Interpretation, beginnen kann. Ohne vorangegangene kausale »Erfahrung« ist andererseits aber »Einfühlung« nicht möglich: ein Kind »erlebt« den Akrobaten nicht. Aber – dürfen wir in Lipps' Sinne einschalten – diese »Erfahrung« ist nicht das objektivierte Produkt nomologischer Wissenschaft, sondern die anschaulich

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