Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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um dieses phänomenologischen »Mangels« willen natürlich nicht das Allermindeste an Dignität oder empirischer Geltung einbüßen. Denn, um es zu wiederholen, der Grundirrtum der von Gottl akzeptierten Erkenntnistheorie liegt darin, daß sie das Maximum »anschaulicher«175 Evidenz mit dem Maximum von (empirischer) Gewißheit verwechselt. Wie das wechselvolle Schicksal der sogenannten »physikalischen Axiome« immer wieder den Prozeß zeigt176,

      daß eine in der Erfahrung sich bewährende Konstruktion die Dignität einer Denknotwendigkeit prätendiert, so hat die Identifikation von »Evidenz« mit »Gewißheit« oder gar – wie manche Epigonen K. Mengers wollten – mit »Denknotwendigkeit« bei »idealtypischen« Konstruktionen auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften ganz entsprechende Irrtümer gezeitigt, und auch Gottl z.B. in manchen Aufstellungen in seiner »Herrschaft des Worts« den gleichen Weg betreten177. Allem Gesagten zum Trotz wird man nun aber doch daran festhalten wollen, daß jedenfalls auf einem Gebiet die an sich nur erkenntnispsychologische Bedeutung der »nacherlebenden Deutung« de facto den Sinn des »Geltens« annehme: da nämlich, wo eben bloße nicht artikulierte »Gefühle« historisches Erkenntnisobjekt und eben daher die Suggestion von entsprechenden »Gefühlen« bei uns das einzige mögliche Erkenntnisideal sei. Das »Einleben« eines Historikers, Archäologen, Philologen in »Persönlichkeiten«, »Kunstepochen«, »Sprachen« erfolge in Gestalt bestimmter »Gemeingefühle«, »Sprachgefühle« usw., und man hat178 diese Gefühle geradezu als den sichersten »Canon« für die historische Bestimmung z.B. der Provenienz einer Urkunde, eines Kunstwerks, oder für die Deutung der Gründe und des Sinnes einer historischen Handlung hingestellt. Da nun der Historiker anderseits bezwecke und bezwecken müsse, uns die »Kulturerscheinungen« (wozu natürlich z.B. auch einzelne historisch, speziell auch rein politisch bedeutsame »Stimmungen« gehören) »nacherleben« zu lassen, sie uns zu »suggerieren«, so sei wenigstens in diesen Fällen diese suggerierende »Deutung« ein Vorgang, welcher gegenüber der begrifflichen Artikulation auch erkenntnistheoretisch autonom sei.

      Versuchen wir, in diesen Ausführungen Zutreffendes von Falschem zu sondern. Was zunächst jene behauptete Bedeutung der »Gemeingefühle« oder »Totalitätsgefühle« als »Canon« der kulturhistorischen Einordnung oder der Deutung von »Persönlichkeiten« anlangt, so ist die Bedeutung des – wohlgemerkt: durch konstante denkende Beschäftigung mit dem »Stoff«, d.h. aber: durch Uebung, also »Erfahrung« erworbenen179 – »Gefühls« für die psychologische Genesis einer Hypothese im Geist des Historikers sicherlich von eminenter Bedeutung, ja geradezu unentbehrlich: durch bloßes Hantieren mit »Wahrnehmungen« und »Begriffen« ist noch keinerlei wertvolle historische, aber auch keinerlei Erkenntnis irgendwelcher andern Art, »geschaffen« worden. Was dagegen die angebliche »Sicherheit« im Sinn des wissenschaftlichen »Geltens« anlangt, so wird jeder gewissenhafte Forscher die Ansicht auf das bestimmteste ablehnen müssen, daß der Berufung auf »Totalitätsgefühle«, z.B. auf den »allgemeinen Charakter« einer Epoche, eines Künstlers usw. irgendwelcher Wert zukomme, sofern sie sich nicht in bestimmt artikulierte und demonstrierbare Urteile, d.h. aber in »begrifflich« geformte »Erfahrung« durchaus im gewöhnlichen Sinne dieses Wortes umsetzen und so kontrollieren läßt. – Damit ist im Grunde auch schon gesagt, was es mit der historischen »Reproduktion« von gefühlsmäßigen seelischen Inhalten, wo sie historisch (kausal) relevant sind, für eine Bewandtnis hat. Daß »Gefühle« sich nicht in dem Sinne begrifflich »definieren« lassen wie etwa ein rechtwinkliges Dreieck oder wie Abstraktionsprodukte der quantifizierenden Wissenschaften, teilen sie durchaus mit allem Qualitativen. Alle Qualia, mögen wir sie als Qualitäten der »Dinge« in die Welt außer uns »projizieren« oder als psychische Erlebungen in uns »introjizieren«, besitzen als solche diesen Charakter des notwendig relativ »Unbestimmten«. Für Lichtfarben, Klangfarben, Geruchsnuancen usw. gilt natürlich genau im gleichen Sinn wie für religiöse, ästhetische, ethische »Wertgefühle«, daß bei ihrer schildernden Darstellung letztlich »ein jeder sieht, was er im Herzen trägt«. Die Deutung psychischer Vorgänge arbeitet also, soweit nur dieser Umstand in Frage kommt, in durchaus keinem andern Sinn mit prinzipiell nicht absolut eindeutig bestimmbaren Begriffen, wie jede Wissenschaft, welche vom Qualitativen nicht durchweg abstrahiert, überhaupt es tun muß180.

      Soweit der Historiker in seiner Darstellung sich mit suggestiv wirkenden Mitteln an unser »Gefühl« wendet, also m. a. W. ein begrifflich nicht artikulierbares »Erlebnis« in uns zu provozieren trachtet, handelt es sich entweder um eine Stenographie für die Darstellung von Teilerscheinungen seines Objekts, deren begriffliche Bestimmtheit für den konkreten Erkenntniszweck ohne Schaden unterlassen werden kann: – dies ist eine Folge des Umstandes, daß die prinzipielle Unausschöpfbarkeit des empirisch gegebenen Mannigfaltigen jede Darstellung nur als einen »relativen« Abschluß des historischen Erkenntnisprozesses »Geltung« erlangen läßt. Oder aber: die Provokation eines reinen Gefühlserlebnisses in uns beansprucht, als spezifisches Erkenntnismittel zu dienen: als »Veranschaulichung« z.B. des »Charakters« einer Kulturepoche oder eines Kunstwerkes. Alsdann kann sie zwiefachen logischen Charakter haben. Sie kann mit dem Anspruch auftreten, ein »Nacherleben« des – je nach der Ausdrucksweise – »geistigen« oder »psychischen« »Gehaltes« des »Lebens« der betreffenden Epoche oder Persönlichkeit oder des konkreten Kunstwerkes darzustellen. In diesem Fall enthält sie beim Darsteller und erzeugt sie beim Leser, der sich mit ihrer Hilfe »einfühlt«, solange sie im Stadium des »Gefühlten« beharrt, stets und unvermeidlich unartikulierte eigene Wertgefühle, bezüglich deren an sich nicht die mindeste Gewähr besteht, daß sie den Gefühlen jener historischen Menschen irgendwie entsprechen, in welche er sich einfühlt181. Es fehlt ihr deshalb auch jeder kontrollierbare Maßstab für eine Unterscheidung von kausal »Wesentlichem« und »Unwesentlichem«. Wie das »Totalitätsgefühl«, welches in uns z.B. durch eine fremde Stadt erzeugt wird, im Stadium des rein Gefühlsmäßigen durch Dinge, wie die Lage der Schornsteine, die Form der Dachgesimse und dergleichen absolut zufällige, d.h. hier: für den eignen »Lebensstil« ihrer Bewohner in keinem Sinn kausal wesentliche Elemente bestimmt zu werden pflegt, so steht es auch, nach aller Erfahrung, mit allen unartikulierten historischen »Intuitionen« ohne alle Ausnahme: ihr wissenschaftlicher Erkenntniswert sinkt zumeist parallel mit ihrem ästhetischen Reiz; sie können unter Umständen bedeutenden »heuristischen« Wert gewinnen, unter Umständen aber auch der sachlichen Erkenntnis geradezu im Wege stehen, weil sie das Bewußtsein davon, daß es sich um Gefühlsinhalte des Beschauers, nicht der geschilderten »Epoche« resp. des schaffenden Künstlers usw. handelt, verdunkeln. Der subjektive Charakter derartiger »Erkenntnis« ist in diesem Falle identisch mit dem Mangel der »Geltung«, eben weil eine begriffliche Artikulation unterlassen ist, und die »Anempfindung« dadurch sich der Demonstration und Kontrolle entzieht. Und sie trägt überdies die eminente Gefahr in sich, die kausale Analyse der Zusammenhänge zugunsten des Suchens nach einem dem »Totalgefühl« entsprechenden »Gesamtcharakter« zurückzudrängen, welcher nun, – da das Bedürfnis nach einer die »Gefühlssynthese« wiedergebenden Formel an die Stelle desjenigen nach empirischer Analyse getreten ist, – der »Epoche« als Etikette aufgeklebt wird. Die subjektive gefühlsmäßige »Deutung« in dieser Form stellt weder empirische historische Erkenntnis realer Zusammenhänge (kausale Deutung) dar, noch dasjenige andere, was sie außerdem noch sein könnte: wertbeziehende Interpretation. Denn dies ist derjenige andere Sinn des »Erlebens« eines historischen Objektes, welcher neben der kausalen Zurechnung in der »Kategorie« [der Deutung], mit welcher wir uns hier befassen, liegen kann. Ich habe über ihr logisches Verhältnis zum Geschichtlichen an anderer Stelle gehandelt182, und es genügt hier festzustellen, daß in dieser Funktion die »Deutung« eines ästhetisch, ethisch, intellektuell oder unter Kulturwertgesichtspunkten aller denkbaren Art bewertbaren Objektes nicht Bestandteil einer (im logischen Sinn) rein empirisch-historischen – d.h. konkrete, »historische Individuen« zu konkreten Ursachen zurechnenden – Darstellung, sondern vielmehr – vom Standpunkt der Geschichte aus betrachtet – Formung des »historischen Individuums« ist. Die »Deutung« des »Faust«, oder etwa des »Puritanismus« oder etwa bestimmter Inhalte der »griechischen Kultur«

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