Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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des rein »Natürlichen« überall da, wo rationale »Deutung« möglich ist. Der Eindruck von der ganz spezifischen Irrationalität des »Persönlichen« entsteht dadurch, daß der Historiker das Handeln seiner Helden und die daraus sich ergebenden Konstellationen an dem Ideal teleologisch-rationalen Handelns mißt, statt es, wie es – um Vergleichbares zu vergleichen – geschehen müßte, mit dem Ablauf individueller Vorgänge in der »toten Natur« zu konfrontieren. Am allerwenigsten aber sollte irgendein Begriff von »Willensfreiheit« mit jener Irrationalität je in Beziehung gesetzt werden. Gerade der empirisch »frei«, d.h. nach Erwägungen Handelnde, ist teleologisch durch die, nach Maßgabe der objektiven Situation, ungleichen und erkennbaren Mittel zur Erreichung seiner Zwecke gebunden. Dem Fabrikanten im Konkurrenzkampf, dem Makler auf der Börse hilft der Glaube an seine »Willensfreiheit« herzlich wenig. Er hat die Wahl zwischen ökonomischer Ausmerzung oder der Befolgung sehr bestimmter Maximen des ökonomischen Gebarens. Befolgt er sie zu seinem offenkundigen Schaden nicht, so werden wir zur Erklärung – neben anderen möglichen Hypothesen – eventuell gerade auch die in Betracht ziehen, daß ihm die »Willensfreiheit« mangelte. Gerade die »Gesetze« der theoretischen Nationalökonomie setzen, ganz ebenso wie natürlich auch jede rein rationale Deutung eines historischen Einzelvorganges, das Bestehen von »Willensfreiheit« in jedem auf dem Boden des Empirischen überhaupt möglichen Sinn des Wortes notwendig voraus.

      In irgendeinem andern als jenem Sinn zweckvoll-rationalen Handelns gefaßt, steht dagegen das »Problem« der »Willensfreiheit« in allen Formen, die es überhaupt annehmen kann, durchaus jenseits des Betriebes der Geschichte und ist für sie ohne alle Bedeutung.

      Die »deutende« Motivforschung des Historikers ist in absolut dem gleichen logischen Sinn kausale Zurechnung wie die kausale Interpretation irgendeines individuellen Naturvorganges, denn ihr Ziel ist die Feststellung eines »zureichenden« Grundes (mindestens als Hypothese) genau so, wie dies bei komplexen Naturvorgängen, falls es auf deren individuelle Bestandteile ankommt, allein das Ziel der Forschung sein kann. Sie kann die Erkenntnis eines So-handeln-müssens (im naturgesetzlichen Sinn), wenn sie nicht entweder dem Hegelschen Emanatismus oder irgendeiner Spielart des modernen anthropologischen Okkultismus zum Opfer fallen will, nicht zum Erkenntnisziel machen, weil das menschliche ganz ebenso wie das außermenschliche (»lebende« oder »tote«) Konkretum, als ein irgendwie begrenzter Ausschnitt des kosmischen Gesamtgeschehens angesehen, nirgends im ganzen Umkreise des Geschehens in ein lediglich »nomologisches« Wissen »eingeht«, – da es überall (nicht nur auf dem Gebiete des »Persönlichen«) eine intensive Unendlichkeit des Mannigfaltigen ist, von der für einen historischen Kausalzusammenhang, logisch betrachtet, alle denkbaren einzelnen, für die Wissenschaft lediglich als »gegeben« konstatierbaren Bestandteile als kausal bedeutsam in Betracht kommen können.

      Die Form, in welcher die Kategorie der Kausalität von den einzelnen Disziplinen verwendet wird, ist eben eine verschiedene, und in einem bestimmten Sinn – das ist durchaus zugegeben – wechselt damit auch der Gehalt der Kategorie selbst, dergestalt nämlich, daß von ihren Bestandteilen bald der eine, bald der andere grade dann seinen Sinn verliert, wenn mit der Durchführung des Kausalprinzips bis in die letzten Konsequenzen Ernst gemacht wird193. Ihr voller, sozusagen »urwüchsiger« Sinn enthält zweierlei: den Gedanken des »Wirkens« als eines, sozusagen, dynamischen Bandes zwischen unter sich qualitativ verschiedenen Erscheinungen auf der einen, den Gedanken der Gebundenheit an »Regeln« auf der anderen Seite. Das »Wirken« als sachlicher Gehalt der Kausalkategorie und damit der Begriff der »Ursache« verliert seinen Sinn und verschwindet überall da, wo im Wege der quantifizierenden Abstraktion die mathematische Gleichung als Ausdruck der rein räumlichen Kausalbeziehungen gewonnen ist. Soll ein Sinn der Kausalitätskategorie hier noch festgehalten werden, so kann es nur der einer Regel zeitlichen Aufeinanderfolgens von Bewegungen sein, und auch dieses nur in dem Sinn, daß sie als Ausdruck der Metamorphose eines seinem Wesen nach ewig Gleichen gilt. – Umgekehrt verschwindet der Gedanke der »Regel« aus der Kausalkategorie, sobald auf die schlechthinnige qualitative Einmaligkeit des durch die Zeit ablaufenden Weltprozesses und die qualitative Einzigartigkeit auch jedes räumlich-zeitlichen Ausschnittes daraus reflektiert wird. Für eine schlechthin einmalige gesamtkosmische oder partialkosmische Entwickelung verliert dann der Begriff der Kausalregel ganz ebenso seinen Sinn, wie für die Kausalgleichung der Begriff des kausalen Wirkens, und will man für jene von keiner Erkenntnis je zu umspannende Unendlichkeit des konkreten Geschehens einen Sinn der Kausalkategorie festhalten, so bleibt nur der Gedanke des »Bewirktwerdens« in dem Sinn, daß das in jedem Zeitdifferential schlechthin »Neue« eben gerade so und nicht anders aus dem »Vergangenen« entstehen »mußte«, was aber im Grunde nichts anderes bedeutet als die Angabe der Tatsache, daß es eben schlechthin so und nicht anders in seinem »Jetzt«, in absoluter Einzigartigkeit und doch in einem Kontinuum des Geschehens, »entstand«.

      Diejenigen empirischen, mit der Kategorie der Kausalität arbeitenden Disziplinen, welche die Qualitäten der Wirklichkeit bearbeiten, und zu ihnen gehört die Geschichte und gehören alle »Kulturwissenschaften« gleichviel welcher Art, verwenden diese Kategorie durchweg in ihrer vollen Entfaltung: sie betrachten Zustände und Veränderungen der Wirklichkeit als »bewirkt« und »wirkend« und suchen teils aus den konkreten Zusammenhängen durch Abstraktion »Regeln« der »Verursachung« zu ermitteln, teils konkrete »ursächliche« Zusammenhänge durch Bezugnahme auf »Regeln« zu »erklären«. Welche Rolle aber die Formulierung der »Regeln« dabei spielt, und welche logische Form diese annehmen, ob überhaupt eine Formulierung von Regeln stattfindet, ist Frage des spezifischen Erkenntnisziels. Ihre Formulierung in Gestalt von kausalen Notwendigkeitsurteilen aber ist nicht das ausnahmslose Ziel, die Unmöglichkeit der apodiktischen Form keineswegs auf die »Geisteswissenschaften« beschränkt. Für die Geschichte speziell folgt die Form der kausalen Erklärung überdies aus ihrem Postulat verständlicher »Deutung«. Gewiß will und soll auch sie mit Begriffen von hinlänglicher Bestimmtheit arbeiten, und erstrebt sie das nach Lage des Quellenmaterials mögliche Maximum von Eindeutigkeit der kausalen Zurechnung. Die Deutung des Historikers wendet sich aber nicht an unsere Fähigkeit, »Tatsachen« als Exemplare in allgemeine Gattungsbegriffe und Formeln einzuordnen, sondern an unsere Vertrautheit mit der täglich an uns herantretenden Aufgabe, individuelles menschliches Handeln in seinen Motiven zu »verstehen«. Die hypothetischen »Deutungen«, welche unser einfühlendes »Verstehen« uns bietet, werden von uns dann allerdings an der Hand der »Erfahrung« verifiziert. Wir sahen aber an dem Beispiel mit dem Felsabsturz, daß die Gewinnung von Notwendigkeitsurteilen als ausschließliches Ziel für jede kausale Zurechnung einer individuellen Mannigfaltigkeit des Gegebenen nur an abstrahierten Teilbeständen vollziehbar ist. So auch in der Geschichte: sie kann nur feststellen, daß ein »ursächlicher« Zusammenhang bestimmter Art bestanden hat und dies durch die Bezugnahme auf Regeln des Geschehens »verständlich« machen. Bleibt so die strikte »Notwendigkeit« des konkreten historischen Geschehens für die Geschichte nicht nur ein ideales, sondern ein in der Unendlichkeit liegendes Postulat, so ist anderseits aus der Irrationalität auch jedes partialkosmischen individuellen Geschehens natürlich keinerlei für die historische Forschung spezifischer und relevanter Begriff einer indeterministischen »Freiheit« abzuleiten. Speziell die »Willensfreiheit« ist für sie etwas durchaus Transzendentes, und als Grundlage ihrer Arbeit gedacht geradezu Sinnloses. Negativ gewendet, ist die Sachlage die, daß für sie beide Gedanken jenseits jeder durch sie zu verifizierenden »Erfahrung« liegen, und beide ihre praktische Arbeit faktisch nicht beeinflussen dürfen.

      Wenn sich also in methodologischen Erörterungen nicht selten der Satz findet, daß »auch« der Mensch in seinem Handeln (objektiv) einem »immer gleichen« (also: gesetzlichen) »Kausalnexus« unterworfen »sei«194, so ist dies eine das Gebiet der wissenschaftlichen Praxis nicht berührende und nicht unbedenklich formulierte protestatio fidei zugunsten des metaphysischen Determinismus, aus welcher der Historiker keinerlei Konsequenzen für seinen praktischen Betrieb ziehen kann. Vielmehr ist aus dem gleichen Grunde die Ablehnung des metaphysischen Glaubens an den »Determinismus« – in welchem

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