Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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prinzipiell und ausnahmslos der Nachprüfung an [Hand] der Erfahrung unterworfenen »Motiven« festhält. Aber: der Glaube, deterministische Postulate schlössen für irgendein Wissensgebiet das methodische Postulat der Aufstellung von Gattungsbegriffen und »Gesetzen« als ausschließlichen Ziels ein, ist kein größerer Irrtum195, als die ihm im umgekehrten Sinne entsprechende Annahme: irgendein metaphysischer Glaube an die »Willensfreiheit« schlösse die Anwendung von Gattungsbegriffen und »Regeln« auf menschliches Sich-Verhalten aus, oder die menschliche »Willensfreiheit« sei mit einer spezifischen »Unberechenbarkeit« oder überhaupt irgendeiner spezifischen Art von »objektiver« Irrationalität des menschlichen Handelns verknüpft. Wir sahen, daß das Gegenteil der Fall ist. – Wir haben nunmehr, nach dieser langen Abschweifung auf das Gebiet moderner Problemstellungen, zu Knies zurückzukehren und uns zunächst klarzumachen, auf welcher prinzipiellen philosophischen Basis sein »Freiheits«begriff ruht, und welche Konsequenzen dies für seine Tragweite in der Logik und Methodik der Wirtschaftswissenschaft hat. – Da zeigt sich nun alsbald, daß – und in welchem Sinne – auch Knies durchaus im Banne jener historisch gewendeten »organischen« Naturrechtslehre steht, welche, in Deutschland vorwiegend unter dem Einfluß der historischen Juristenschule, alle Gebiete der Erforschung menschlicher Kulturarbeit durchdrang. – Am zweckmäßigsten beginnen wir mit der Frage, welcher »Persönlichkeitsbegriff« denn bei Knies mit seinem »Freiheits«gedanken kombiniert ist. Es zeigt sich dabei, daß jene »Freiheit« nicht als »Ursachlosigkeit«, sondern als Ausfluß des Handelns aus der notwendig schlechthin individuellen Substanz der Persönlichkeit gedacht ist, und daß die Irrationalität des Handelns infolge dieses der Persönlichkeit zugeschriebenen Substanzcharakters alsbald wieder ins Rationale umgebogen wird.

      Das Wesen der »Persönlichkeit« ist für Knies zunächst: eine »Einheit« zu sein. Diese »Einheit« aber verwandelt sich in den Händen von Knies alsbald in den Gedanken einer naturalistisch-organisch gedachten »Einheitlichkeit«, und diese wiederum wird als (»objektive«) innere »Widerspruchslosigkeit«, also im letzten Grunde rational, gedeutet196. Der Mensch ist ein organisches Wesen und teilt daher mit allen Organismen den »Grundtrieb« der »Selbsterhaltung« und »Vervollkommnung«, einen Trieb, welcher – nach Knies – als »Selbstliebe« durchaus »normal« und deshalb »sittlich« ist, insbesondere keinen Gegensatz gegen »Nächstenliebe« und »Gemeinsinn« enthält, sondern nur in seiner »Ausartung« zur »Selbstsucht« sowohl eine »Abnormität« ist als, eben deshalb, im Widerspruch mit jenen sozialen »Trieben« steht (S. 161). Beim normalen Menschen sind hingegen jene beiden Kategorien von »Trieben« nur verschiedene »Seiten« eines und desselben einheitlichen Vervollkommnungsstrebens (S. 165), und liegen mit dem von Knies gelegentlich (ebendort) als »dritter wirtschaftlicher« – soll heißen: »wirtschaftlich relevanter« – »Haupttrieb« bezeichneten »Billigkeits-und Rechtssinn« ungeschieden in der Einheit der Persönlichkeit. An die Stelle der konstruktiven Allgemeinheit bestimmter konkreter »Triebe«, insbesondere des »Eigennutzes«, in der älteren Nationalökonomie, und an Stelle des auf dieser Grundlage aufgebauten religiös bedingten ethischen Dualismus der Triebe bei Roscher, tritt bei Knies die konstruktive Einheitlichkeit des konkreten Individuums an sich, welche daher mit »fortschreitender Kulturentwickelung« die »einseitige Ausbildung« des »Eigennutzes« nicht etwa häufiger, sondern – so nach Knies' Meinung im 19., im Gegensatz gegen das 18. Jahrhundert – immer seltener werden läßt. Nach einer Erörterung der starken Entwicklung karitativer Arbeit in der Neuzeit fährt er fort: »Und wenn solche Werktätigkeit nur Spenden des Erworbenen erkennen läßt, also dem Eigennutz im Verbrauch widersagt, wäre es nicht schon an sich ein unlösbarer psychologischer Widerspruch, wenn man sich die Massen dagegen im Erwerb, auf den Bahnen der Produktion, nur von Selbstsucht und Eigennutz erfüllt denken sollte, unbekümmert um das Wohl des Nächsten und um das Gemeinwohl, solange sie Güter zu gewinnen streben?« (S. 164/5197). Und doch steht die Erfahrung aller derjenigen, welche jenen Unternehmertypus, den das heroische Zeitalter des Kapitalismus gezeitigt hat, entweder aus der Geschichte oder aus eigener Anschauung in den Nachzüglern, die er auch heute noch besitzt, kennen, dem schnurstracks entgegen, und ganze Kulturmächte, wie der Puritanismus, tragen jenes nach Knies »psychologisch« widerspruchsvolle Gepräge. Allein wie die Anm. I zitierte Berufung auf den »Begriff« der »Selbstliebe« zeigt: das Individuum darf eben kein »Mensch mit seinem Widerspruch« sein, – es ist ein »ausgeklügelt Buch«, weil es eben sonst nicht dem Postulat der inneren Widerspruchslosigkeit genugtun würde.

      Aus diesem Begriff der psychologischen »Einheitlichkeit« des Individuums folgert nun Knies für die Methodik seine wissenschaftliche Unzerlegbarkeit. Der Versuch der »Zerlegung« des Menschen in einzelne »Triebe« ist nach ihm der Grundfehler der bisherigen (klassischen) Methode198). – Man könnte glauben, Knies habe mit dieser letzteren Aeußerung jener Auffassung den Krieg erklärt, welche – Mandeville und Helvetius wie ihre Gegner – die Lehrsätze der theoretischen Nationalökonomie aus einem konstruierten Triebleben des Menschen ableiten zu müssen glaubte und deshalb, da der für sie entscheidende »Trieb«, der »Eigennutz«, nun einmal ein bestimmtes ethisches Vorzeichen trägt, Theorie und Theodizee, Darstellung und Beurteilung hoffnungslos in eine noch heute nachwirkende Verquickung miteinander brachte. In der Tat nähert sich Knies wenigstens an einer Stelle der richtigen Auffassung der Grundlagen der ökonomischen »Gesetze« in hohem Maß: »Von Anfang an«, heißt es in einem gegen Roschers Konstruktion der 'Triebe' gerichteten, freilich wenig klar formulierten Satz (2. Aufl. S. 246), »wird (scil. bei Rau und Roscher) in dem Hinweis auf die 'Aeußerungen des Eigennutzes' nicht zwischen dem 'Prinzip der Wirtschaftlichkeit' in einer – objektiviertenHaushaltungsführung und dem seelischen Trieb des Eigennutzes und der Selbstsucht in dem menschlichen Subjekte unterschieden.« Man sieht, es liegt hier die Erkenntnis ungemein nahe, daß die ökonomischen »Gesetze« Schemata rationalen Handelns sind, die nicht durch psychologische Analyse der Individuen, sondern durch idealtypische Wiedergabe des Preiskampf-Mechanismus aus der so in der Theorie hergestellten objektiven Situation deduziert werden, welche da, wo sie »rein« zum Ausdruck kommt, dem in den Markt verflochtenen Individuum nur die Wahl läßt zwischen der Alternative: »teleologische« Anpassung an den »Markt« oder ökonomischer Untergang. Indessen hat Knies aus dieser vereinzelt auftauchenden Erkenntnis keine methodologischen Konsequenzen gezogen: wie schon die früher zitierten Stellen zeigen, und wir immer wieder sehen werden, bleibt bei ihm in letzter Instanz der Glaube unerschüttert, man bedürfe, um zu begreifen, daß Fabrikanten generell ihre Rohstoffe billig zu kaufen und ihre Produkte teuer zu verkaufen beabsichtigen, eigentlich nicht viel weniger als einer Analyse des gesamten empirischen menschlichen Handelns und seiner psychologischen Triebfedern überhaupt. – Vielmehr hat die Ablehnung der »Zerlegung« des »Individuums« bei ihm einen andern Sinn: »Weil ... die Eigentümlichkeit des einzelnen Menschen wie die eines ganzen Volkes sich aus einem einheitlichen Springquell erschließt, alle Erscheinungskreise der menschlichen Tätigkeit sich auf eine Totalität zurückbeziehen und eben deshalb untereinander in Wechselwirkung stehen, so können weder die Triebfedern der wirtschaftlichen Tätigkeit, noch auch die ökonomischen Tatsachen und Erscheinungen ihren eigentlichen Charakter, ihr ganzes Wesen offenbaren, wenn sie nur isoliert ins Auge gefaßt werden« (S. 244). Der Satz zeigt zunächst, daß Knies – in diesem Punkt durchaus wie Roscher denkend – seine »organische« Theorie vom Wesen des Individuums im Prinzip auch auf das »Volk« anwendet. Was unter einem »Volk« im Sinn seiner Theorie zu verstehen ist, hält er dabei nicht nötig zu bestimmen: er hält es augenscheinlich für ein in der gemeinen Erfahrung eindeutig gegebenes Objekt199) und identifiziert es gelegentlich ausdrücklich (2. Aufl. S. 490) mit der staatlich organisierten Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft nun ist ihm nicht nur, selbstverständlich, etwas anderes als die »Summe der Individuen«, sondern dieser letztere Umstand ist ihm nur eine Folge des viel allgemeineren Prinzips, daß überall und notwendig – wie er (S. 109) es ausdrückt – »ein ähnlicher Zusammenklang« (nämlich wie zwischen den Lebensäußerungen einer »Persönlichkeit«) »auch aus den Lebensäußerungen eines ganzen Volkes heraustönt«. Denn: »Wie von einem einheitlichen Kern aus umfaßt das geschichtliche Dasein eines Volkes die verschiedenen Lebenskreise.« Daß unter dieser »Einheitlichkeit« mehr als die nur rechtliche

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