Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber страница 20

Автор:
Серия:
Издательство:
Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

Скачать книгу

zurück, hier sei nur folgendes dazu bemerkt: Die Kategorie der »Deutung« zeigt ein doppeltes Gesicht: sie kann 1. eine Anregung zu einer bestimmten gefühlsmäßigen Stellungnahme sein wollen – so die »Suggestion« eines Kunstwerks oder einer »Naturschönheit«: dann bedeutet sie die Zumutung zum Vollzug einer Wertung bestimmter Qualität. Oder sie kann 2. Zumutung eines Urteils im Sinn der Bejahung eines realen Zusammenhanges als eines gültig »verstandenen« sein: dann ist sie das, was wir hier allein behandeln: kausal erkennende »Deutung«139. Sie ist bei der »Naturschönheit« in Ermangelung metaphysischer Aufstellungen ausgeschlossen, beim Kunstwerk auf die historische »Deutung« der »Intentionen« und der »Eigenart« des Künstlers in ihrer Bedingtheit durch die zahllosen in Betracht kommenden Determinanten seines Schaffens beschränkt. Wenn in den »Genuß« des Kunstwerks beides ungeschieden einzugehen pflegt und in den Darstellungen der Kunsthistoriker nur zu oft beides nicht geschieden wird, wenn ferner die faktische Scheidung ungemein schwer fällt und die Fähigkeit dazu erarbeitet werden will, und wenn endlich und vor allem die wertende Deutung in gewissem Umfang der unentbehrliche Schrittmacher für die kausale Deutung ist, – so ist die prinzipielle Scheidung beider von der Logik doch selbstverständlich unbedingt zu postulieren. Sonst wird »Erkenntniszweck« und »praktischer Zweck« ähnlich ineinander geschoben, wie dies so oft zwischen Erkenntnisgrund und Realgrund geschieht. Es steht jedermann frei, sich auch in Form einer historischen Darstellung als »stellungnehmendes Subjekt« zur Geltung zu bringen, politische oder Kulturideale oder andere »Werturteile« zu propagieren und zur Illustration der praktischen Bedeutung dieser und anderer, bekämpfter, Ideale das ganze Material der Geschichte zu verwenden, ganz ebenso wie Biologen oder Anthropologen gewisse »Fortschritts«-Ideale sehr subjektiver Art oder philosophische Ueberzeugungen in ihre Untersuchungen hineintragen und damit natürlich nichts anderes tun, als jemand, der das ganze Rüstzeug naturwissenschaftlicher Erkenntnis zur erbaulichen Illustration etwa der »Güte Gottes« verwertet. In jedem Fall redet aber dann nicht der Forscher, sondern der wertende Mensch, und wendet sich die Darlegung an wertende, nicht nur an theoretisch erkennende Subjekte. Die Logik ist durchaus außerstande zu hindern, daß eben aus diesem Grunde der Markt des stürmisch wollenden und ethisch oder ästhetisch wertenden Lebens gerade diese Bestandteile als das eigentliche »Wertvolle« einer »historischen Leistung« ansieht, – was sie allein feststellen kann und, will sie sich treu bleiben, muß, ist: daß in diesem Fall nicht der Erkenntniszweck es ist, an welchem gemessen wird, sondern andere Zwecke und Gefühlswerte der Lebenswirklichkeit. Auch die Geschichte behandelt »objektivierte Selbststellungen«, wie dies Münsterberg140 für die Psychologie in dem Anfangsstadium ihrer Begriffsbildung statuiert. Der Unterschied beider ist, daß die Geschichte zwar generelle Begriffe und »Gesetze« verwendet, wo sie ihrer kausalen Zurechnung des Individuellen dienlich sind, aber nicht selbst auf die Bildung solcher Gesetze ausgeht, daher zur Entfernung von der Wirklichkeit in der Richtung, welche die Psychologie einschlägt, von sich aus keinen Grund hat.

      Daß wir bei der »deutenden« Synthese eines individuellen historischen Vorganges oder einer historischen »Persönlichkeit« Wertbegriffe verwenden, deren »Sinn« wir selbst als stellungnehmende Subjekte handelnd und fühlend fortwährend »erleben«, ist ganz richtig. Dies ist jedoch zwar auf dem Gebiet der »Kulturwissenschaften« infolge der Eigenart ihres durch den Erkenntniszweck geformten und begrenzten Objekts am umfassendsten der Fall, aber durchaus nicht nur ihnen eigentümlich. »Deutungen« bilden z.B. den unvermeidlichen Durchgangspunkt auch der »Tierpsychologie«141, und »Deutungen« enthalten ihrem ursprünglichen Gehalt nach auch die »teleologischen« Bestandteile biologischer Begriffe. Aber wie hier an Stelle der metaphysischen Hineindeutung eines »Sinnes« die bloße Faktizität der mit Bezug auf die Daseinserhaltung »zweckmäßigen« Funktionen tritt, so an Stelle der »Wertung« die theoretische Wertbeziehung, an Stelle der »Stellungnahme« des erlebenden Subjekts das kausale »Verstehen« des deutenden Historikers. In all diesen Fällen tritt die Verwendung von Kategorien der »erlebten« und »nacherlebten« Wirklichkeit eben in den Dienst »objektivierender« Erkenntnis. Das hat methodisch wichtige und interessante Folgen, aber nicht die, welche Münsterberg voraussetzt. Welche? – könnte nur eine, soweit ersichtlich, heute kaum angebahnte Theorie der »Deutung« ergeben142. Hier kann nur im Anschluß an das vorstehend Gesagte noch einiges zur Feststellung der Lage und der möglichen Tragweite dieses Problems für uns bemerkt werden. –

      Die logisch weitaus entwickeltsten Ansätze einer Theorie des »Verstehens« finden sich in der zweiten Auflage von Simmels »Probleme der Geschichtsphilosophie« (S. 27-62)143. Die umfassendste methodologische Verwertung der Kategorie hat, und zwar teilweise unter dem Einfluß der Ausführungen Münsterbergs, für die Geschichte und die Nationalökonomie Gottl versucht144, während für die Aesthetik bekanntlich Lipps und B. Croce sich eingehender mit ihr beschäftigt haben.

      Simmel145 hat zunächst das Verdienst, innerhalb des weitesten Umkreises, den der Begriff des »Verstehens« – wenn man ihn in Gegensatz stellt zu dem »Begreifen«146 der nicht der »inneren« Erfahrung gegebenen Wirklichkeit – umfassen kann, das objektive »Verstehen« des Sinnes einer Aeußerung von der subjektiven »Deutung« der Motive eines (sprechenden oder handelnden) Menschen klar geschieden zu haben147. Im ersteren Fall »verstehen« wir das Gesprochene, im letzteren den Sprechenden (oder Handelnden). Simmel ist der Meinung, daß die erstere Form des »Verstehens« nur vorkomme, wo es sich um theoretische Erkenntnis, um ein Darbieten von sachlichem Inhalt in logischer Form handele, die – weil Erkenntnis – einfach in genau identischem Sinn erkennend nachgebildet werden könne. Das ist so nicht zutreffend. Um ein Verstehen nur des Gesprochenen handelt es sich z.B. auch bei dem Aufnehmen und Befolgen eines Kommandos, eines Appells an das Gewissen, an Wertgefühle und Werturteile des Hörers überhaupt, welches den Zweck hat, nicht ein theoretisches Deuten, sondern ein unmittelbar »praktisch« werdendes Fühlen und Handeln zu erzeugen. Gerade das Münsterbergsche »stellungnehmende«, d.h. wollende und wertende, Subjekt des wirklichen Lebens begnügt sich normalerweise mit dem Verstehen des Gesprochenen (korrekter ausgedrückt: des »Geäußerten«) und ist zu einer »Deutung« in dem Sinn, wie sie die »subjektivierenden« Wissenschaften Münsterbergs betreiben sollen, weder geneigt noch – in den meisten Fällen – fähig: die »Deutung« ist eine durchaus sekundäre, in der künstlichen Welt der Wissenschaft heimische Kategorie. Auf dem Boden des »stellungnehmenden« wirklichen Lebens hält sich dagegen auch das »Verstehen des Gesprochenen« in jenem Sinn, den Simmel im Auge hat. Hier handelt es sich bei dem »Verstehen« um ein Stellungnehmen zu dem »objektiven« Sinn eines Urteils. Die »verstandene« Aeußerung kann jede mögliche logische Form, auch natürlich die einer Frage haben, – stets ist das, worum es sich handelt, ihre Beziehung zur Geltung von Urteilen, eventuell eines einfachen Existenzurteils, zu dem der »Verstehende« bejahend, verneinend, zweifelnd, urteilsfällend »Stellung« nimmt. Simmel drückt das in seiner psychologistischen Formulierungsweise so aus, daß »durch das gesprochene Wort die Seelenvorgänge des Sprechenden ... auch im Hörer erregt werden«, der erstere als dabei »ausgeschaltet« und nur der Inhalt des Gesprochenen in dem Denken des letzteren, parallel zu demjenigen des ersteren, fortbestehen bliebe. Ich zweifle, ob durch diese psychologische Beschreibung der logische Charakter dieser Art des »Verstehens« hinlänglich scharf zutage tritt: irrig wäre m. E. – wie schon gezeigt – jedenfalls, daß der Vorgang dieses »Verstehens« nur bei »objektiver Erkenntnis« stattfände. Das Entscheidende ist, daß es sich in diesen Fällen von »Verstehen«: – eines Kommandos, einer Frage, einer Behauptung, eines Appells an Mitgefühl, Vaterlandsliebe oder dergleichen, – um einen Vorgang innerhalb der Sphäre der »stellungnehmenden Aktualität« handelt, um in der hier durchaus brauchbaren Münsterbergschen Terminologie zu reden. Mit diesem »aktuellen« Verstehen haben wir es bei unserer »Deutung« nicht zu tun. Diese letztere würde in solchen Fällen erst in Funktion treten, wenn z.B. der »Sinn« einer Aeußerung, einerlei welchen Inhalts, nicht unmittelbar »verstanden« ist, und eine aktuelle »Verständigung« darüber mit dem Urheber nicht möglich, ein »Verstehen« aber unbedingt praktisch nötig

Скачать книгу