Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

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die Mutter aller »exakten« Wissenschaften: die Philologie, restlos den objektivierenden Wissenschaften zuweist, obwohl der Philologe ohne allen Zweifel (nicht nur, aber auch und in hervorragendem Maße) deutend verfährt und nicht nur bei Konjekturen – die Münsterberg vielleicht als »Teilarbeit« der Literatur-, also Kulturgeschichte ansprechen würde –, sondern ebenso bei jeder nicht rein klassifizierenden Arbeit der Grammatik ausschließlich, und – obwohl dies den »Grenzfall« darstellt – sogar bei der Lautwandellehre doch auch132 sich an das »nacherlebende Verstehen« wenden muß. Es scheint daher, als ob es auch »deutendes« wissenschaftliches Arbeiten gebe, welches dennoch »objektivierenden« Disziplinen angehört, weil es nicht »wertet«. Es spielen aber bei Münsterberg überhaupt heterogene Gesichtspunkte in das Problem hinein. Entscheidend tritt dies darin zutage, daß er das »Verstehen«, das »Einleben«, »Würdigen« und »Einfühlen« der »subjektivierenden Wissenschaften« mit »teleologischem Denken« identifiziert133.

      Nun kann man ja unter »teleologischem Denken« sehr Verschiedenes verstehen. Nehmen wir zunächst an, es handle sich um die Deutung von Vorgängen aus ihrem Zweck. Dann ist sicher – und wir werden es noch näher erörtern –, daß das »teleologische Denken« einen engeren Umkreis deckt als unsere Fähigkeit des »subjektivierenden Einlebens« und »Verstehens«. Anderseits erstreckt sich teleologisches »Denken« in diesem Sinn keineswegs nur auf »Geistesleben« oder menschliches Handeln, sondern ist in allen Wissenschaften, welche mit »Organismen« – z.B. Pflanzen – zu tun haben, zum mindesten als eine höchst wichtige »Durchgangsstufe« anzutreffen. Endlich schließen die Kategorien »Zweck« und »Mittel«, ohne welche es teleologisches »Denken« überhaupt nicht gibt, sobald mit ihrer Hilfe wissenschaftlich operiert wird, gedanklich geformtes nomologisches Wissen, d.h. also: Begriffe und Regeln, an der Hand der Kausalitätskategorie entwickelt, ein. Denn es gibt zwar kausale Verknüpfung ohne Teleologie, aber keine teleologischen Begriffe ohne Kausalregeln134. – Würde unter »teleologischem Denken« dagegen lediglich die Gliederung des Stoffs durch Wertbeziehungen, also die »teleologische Begriffsbildung« oder das Prinzip der »teleologischen Dependenz« gemeint sein, in dem Sinne, in welchem Rickert und nach ihm andere diese Begriffe verwenden135, so hätte dies natürlich weder mit einem »Ersatz« der Kausalität durch irgendwelche »Teleologie«, noch mit einem Gegensatz zur »objektivierenden« Methode irgend etwas zu tun, da es sich hier lediglich um ein Prinzip der Auswahl des für die Begriffsbildung Wesentlichen durch Beziehung auf Werte handelt, die »Objektivierung« und Analysis der Wirklichkeit also dabei gerade vorausgesetzt wird. –

      Man könnte nun aber die Verwendung »teleologischen Denkens« in den historischen Disziplinen etwa darin finden wollen, daß sie Begriffe »normativer« Disziplinen, z.B. namentlich solche der Jurisprudenz, übernehmen und verwenden. – Nun ist selbstverständlich die juristische Begriffsbildung keine »kausale«. Sie erfolgt, soweit sie begriffliche Abstraktion ist, unter der Fragestellung: wie muß der zu definierende Begriff X gedacht werden, damit alle diejenigen positiven Normen, welche jenen Begriff verwenden oder voraussetzen, widerspruchslos und sinnvoll, neben-und miteinander bestehen können? Es steht nichts im Wege, diese Art der Begriffsbildung, welche die eigenartige »subjektive Welt« der juristischen Dogmatik konstituiert, »teleologisch« zu nennen136. Allein so selbstverständlich die Bedeutung der so gewonnenen juristischen Begriffsgebilde gegenüber den Begriffsbildungen aller kausal erklärenden Disziplinen gänzlich autonom ist, mit kausaler Interpretation der Wirklichkeit gar nichts zu schaffen hat, – so unzweifelhaft ist es, daß die Geschichte und alle Spielarten der nicht normativen »Gesellschaftswissenschaften« diese Begriffsbildungen in ganz anderem Sinne verwerten als die juristische Dogmatik. Für letztere steht der begriffliche Geltungsbereich gewisser Rechtsnormen, für jede empirisch-geschichtliche Betrachtung dagegen das faktische »Bestehen« einer »Rechtsordnung«, eines konkreten »Rechtsinstituts« oder »Rechtsverhältnisses« nach Ursachen und Wirkungen in Frage. Sie finden als diesen »faktischen Bestand« in der historischen Wirklichkeit die »Rechtsnormen« einschließlich der Produkte der dogmatisch-juristischen Begriffsbildung lediglich als in den Köpfen der Menschen vorhandene Vorstellungen vor, als einen der Bestimmungsgründe ihres Wollens und Handelns neben anderen, und sie behandeln diese Bestandteile der objektiven Wirklichkeit wie alle anderen: kausal zurechnend. Das »Gelten« eines bestimmten »Rechtssatzes« kann z.B. für die abstrakte ökonomische Theorie unter Umständen begrifflich sich auf den Inhalt reduzieren: daß bestimmte ökonomische Zukunftserwartungen eine an Sicherheit grenzende faktische Chance der Realisierung haben. Und wenn die politische oder soziale Geschichte juristische Begriffe verwenden – wie sie dies fortwährend tun –, so wird das ideale Gelten wollen des Rechtssatzes hier nicht erörtert, sondern die juristischen Normen sind nur der für die Geschichte allein in Betracht kommenden faktischen Realisierung gewisser äußerer Handlungen von Mensch zu Mensch terminologisch soweit substituiert, als dies nach Lage der Sache möglich ist. Das Wort ist dasselbe, – was gemeint ist, etwas im logischen Sinn toto coelo Verschiedenes. Der juristische Terminus ist hier teils Bezeichnung einer oder vieler faktischer Beziehungen, teils ein »idealtypischer« Kollektivbegriff geworden. Daß dies leicht übersehen wird, ist die Folge der Bedeutung rechtlicher Termini in der Praxis unseres Alltagslebens; – und im übrigen ist der Sehfehler nicht häufiger und nicht schwerwiegender als der umgekehrte: daß Gebilde juristischen Denkens mit Naturobjekten identifiziert werden. Der wirkliche Tatbestand ist, wie gesagt: daß der juristische Terminus zur Erfassung eines rein kausal zu analysierenden realen Sachverhaltes verwendet wird und normalerweise auch verwendet werden kann, weil wir alsbald dem Geltenwollen juristischer Begriffsgebilde das faktisch existente soziale Kollektivum unterschieben137. –

      Würde man endlich – wie dies sicherlich Münsterbergs eigentlicher, wennschon durch seine eigenen Ausführungen verdunkelter Ansicht entspricht –, unter »subjektivierendem« und deshalb »teleologischem« Denken ein solches verstehen, welches, unbekümmert um die Abstraktionen psychologischer Theorien, das »Wollen« in seiner empirischen, ungebrochenen Gegebenheit nimmt, und seinen Ablauf, seine Konflikte und Verbindungen mit fremdem Wollen und – was aber bei Münsterbergs Ausdrucksweise immer wieder unter den Tisch fällt – mit den Widerständen und »Bedingungen« der »Natur«, denkend zu erfassen sucht, so würde die Tatsache, daß es andere Disziplinen gibt, welche für ihre Erkenntniszwecke das »Wollen« als einen »Empfindungskomplex« behandeln, doch keine prinzipielle, wie Münsterberg sagt: »ontologische«, Kluft zwischen beiden Betrachtungsweisen begründen. Sie würde auch einer Gewinnung von kausalen Regeln durch eine Disziplin, für welche das »Wollen« ein- für allemal die letzte, nicht weiter zu zerlegende »Einheit« bildet, nach dem früher Ausgeführten natürlich durchaus nicht im Wege stehen.

      Immer wieder bleibt also als spezifisches Merkmal der »subjektivierenden« Wissenschaften, soweit sie historische Wissenschaften und nicht normative Disziplinen sind, das Ziel des »Einfühlens«, »Nacherlebens«, kurz des »deutenden Verstehens«. Der Objektivierung entrinnt aber bei den auf dieses Verstehen abzielenden Disziplinen der konkrete psychische Vorgang, z.B. das »unmittelbar« verständliche »Wollen« und ebenso auch das »Ich« in seiner »unmittelbar« verständlichen »Einheit« niemals, wo immer es sich um eine wissenschaftliche Darstellung von Tatsachen handelt, zu deren Wesen es eben gehört, daß sie überindividuell als »objektive Wahrheit« gelten will. Diese Objektivierung wird sich, wo es sich um die Ausnutzung unserer Fähigkeit des »deutenden« Verstehens handelt, teilweise, namentlich in der Art und Weise ihrer begrifflichen Bestimmtheit, anders gestalteter Demonstrationsmittel bedienen, als da, wo das Zurückgehen auf »unverstandene«, aber eindeutig bestimmte »Formeln« das Ziel sein soll, und allein sein kann, aber »Objektivierung« ist sie eben auch. Münsterberg138 ist der Ansicht, daß das subjektivierende »Nachfühlen«, welches, im Gegensatz zu der ebenfalls von dem »Anerkennen« fremder Subjekte ausgehenden, dann aber im Interesse der Beschreibung, Erklärung und Mitteilung den Weg der »Introjektion« einschlagenden Psychologie, der Historiker

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