Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max Weber

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber страница 18

Автор:
Серия:
Издательство:
Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber

Скачать книгу

werden, daß diese Gesetze als unter Voraussetzung einer Unendlichkeit »schlechthin« gegebener Bedingungen wirkend gedacht werden. Und die »erlebte« Wirklichkeit »physischer« Vorgänge unterscheidet sich darin in absolut nichts von der »erlebten« Wirklichkeit »psychischer« Vorgänge, wie gerade Münsterberg, der nachdrücklich den sekundären, erst im Gefolge der »Objektivierung« eintretenden Charakter der Spaltung der Welt in »Physisches« und »Psychisches« betont, in keiner Weise bestreiten wird. Noch so umfassendes nomologisches Wissen – Kenntnis also von »Gesetzen«, d.h. aber: Abstraktionen – bedeutet eben hier so wenig wie sonst Kenntnis der »ontologischen« Unendlichkeit der Wirklichkeit. Daß die, zu ganz heterogenen Erkenntniszwecken gewonnene, wissenschaftlich-psychologische Kenntnis im Einzelfall einmal die »Mittel« für die Erreichung eines pädagogischen »Zweckes« nachweisen kann, ist gänzlich unbestreitbar, – ebenso sicher aber, daß dafür keinerlei Gewähr a priori bestehen kann, denn es hängt eben natürlich auch von dem Inhalt des konkreten Zweckes der pädagogischen Tätigkeit ab, inwieweit generelle »exakte« Beobachtungen der Psychologie von der Art, wie dies z.B. bei denjenigen über die Bedingungen der Ermüdung, über Aufmerksamkeit und Gedächtnis der Fall ist, auch generell und »exakt« geltende pädagogische Regeln ergeben können. Die fundamentale Eigenschaft des »einfühlenden Verständnisses« ist es nun, gerade individuelle »geistige« Wirklichkeiten in ihrem Zusammenhang derart in ein Gedankenbild fassen zu können, daß dadurch die Herstellung »geistiger Gemeinschaft« des Pädagogen mit dem oder den Schülern und damit deren geistige Beeinflussung in einer bestimmten gewollten Richtung möglich wird. Der unermeßliche Fluß stets individueller »Erlebnisse«, welcher durch unser Leben strömt, »schult« die »Phantasie« des Pädagogen – und des Schülers – und ermöglicht jenes »deutende Verständnis« des Seelenlebens, welches dem Pädagogen not tut. Inwieweit er daneben Anlaß hat, diese seine »Menschenkenntnis« durch die Besinnung auf abstrakte »Gesetze« aus dem Gebiet des »Anschaulichen« in dasjenige des »Begrifflichen« zu übertragen, und, vor allem, wieweit alsdann die logische Bearbeitung in der Richtung auf die Bildung von tunlichst »exakten« und generell geltenden Gesetzesbegriffen im Interesse der Pädagogik als wertvoll zu gelten hat, das hängt lediglich davon ab, ob für einzelne Zwecke die »exakte« Bestimmtheit einer begrifflichen Formel irgendwelche durch die »Vulgärpsychologie« nicht erreichbaren »neuen« Erkenntnisse einschließt, welche für den Pädagogen irgendwelchen praktischen Wert haben129. Bei der hochgradig »historischen« Natur der Bedingungen, mit welchen die Pädagogik zu rechnen hat, wird es sich dabei um relativ sehr kleine Enklaven innerhalb eines weiten Gebiets von »Lebenskenntnissen« handeln, welche nur eine relative, und zwar geringe, begriffliche Bestimmtheit besitzen, besitzen können und auch nur zu besitzen brauchen, um den Zwecken, um die es sich handelt, zu dienen.

      Das gleiche gilt nun aber für die historischen Disziplinen. Richtig ist an den Ausführungen Münsterbergs über ihre Stellung alles, was sich auf die lediglich negative Bedeutung des nicht »Deutbaren« für die Geschichte bezieht. Erfahrungssätze der Psychopathologie und Gesetze der Psychophysik kommen für die Geschichte nur genau in dem gleichen Sinn in Betracht, wie physikalische, meteorologische, biologische Erkenntnisse. Das heißt: Es ist ganz und gar Frage des Einzelfalls, ob die Geschichte oder die Nationalökonomie von den feststehenden Ergebnissen einer psychophysischen Gesetzeswissenschaft Notiz zu nehmen Anlaß hat. Denn die zuweilen gehörte Behauptung, daß die »Psychologie« im allgemeinen oder eine erst zu schaffende besondere Art von Psychologie um deswillen für die Geschichte oder die Nationalökonomie ganz allgemein unentbehrliche »Grundwissenschaft« sein müsse, weil alle geschichtlichen und ökonomischen Vorgänge ein »psychisches« Stadium durchlaufen, durch ein solches »hindurchgehen« müßten, ist natürlich unhaltbar. Man müßte sonst, da alles »Handeln« heutiger Staatsmänner durch die Form des gesprochenen oder geschriebenen Wortes, also durch Schallwellen und Tintentropfen usw. »hindurchgeht«, auch die Akustik und die Lehre von den tropfbaren Flüssigkeiten für unentbehrliche Grundwissenschaften der Geschichte halten. Die heute so populäre Meinung, es genüge, die »Bedeutung« bestimmter realer »Faktoren« für kausale Zusammenhänge des Kulturlebens aufzuweisen, um schleunigst eine spezielle Wissenschaft von diesen »Faktoren« zu gründen, übersieht, daß die erste Frage doch stets ist, ob in jenen »Faktoren« generell etwas Problematisches steckt, welches nur durch eine spezifische Methode gelöst werden kann. Wir wären vor vielen »... logien« bewahrt geblieben, wenn diese Frage regelmäßig auch nur aufgeworfen würde. – Es läßt sich – schon aus diesen Gründen – nicht einmal behaupten, daß die Geschichte a priori ein »näheres« Verhältnis zu irgendeiner Art von »Psychologie« haben müsse als zu anderen Disziplinen. Denn sie behandelt eben nicht den im Menschen durch gewisse »Reize« ausgelösten Innenvorgang um seiner selbst willen, sondern das Verhalten des Menschen zur »Welt«, in seinen »äußeren« Bedingungen und Wirkungen. Der »Standpunkt« ist dabei freilich stets ein in einem spezifischen Sinn »anthropozentrischer«. Wenn in der Geschichte Englands der schwarze Tod nicht in kausalem Regressus auf das Gebiet etwa der bakteriologischen Erkenntnis verfolgt, sondern als ein Ereignis gewissermaßen aus einer »außerhistorischen« Welt, als ein »Zufall« behandelt wird, so hat dies zunächst einfach seinen Grund in den »Kompositionsprinzipien«, denen auch jede wissenschaftliche Darstellung untersteht, ist also insoweit nicht erkenntnistheoretisch begründet. Denn eine »Geschichte des schwarzen Todes«, welche sorgsam die konkreten Bedingungen und den Verlauf der Epidemie auf Grund medizinischer Kenntnisse analysiert, ist natürlich sehr wohl möglich: – sie ist dann »Geschichte« im wirklichen Sinn des Wortes, wenn sie durch jene Kulturwerte, welche unsere Betrachtung einer Geschichte Englands in der betreffenden Zeit leiten, sich ebenfalls leiten läßt, wenn also ihr Erkenntniszweck nicht ist: Gesetze z.B. der Bakteriologie zu finden, sondern kulturhistorische »Tatsachen« kausal zu erklären. Das bedeutet nun, infolge des begrifflichen Wesens der »Kultur«, stets, daß sie darin gipfelt, uns zur Erkenntnis eines Zusammenhanges hinzuleiten, in welchen verständliches menschliches Handeln oder, allgemeiner, »Verhalten« eingeschaltet und als beeinflußt gedacht ist, da hieran sich das »historische« Interesse heftet.

      Eine psychologische Begriffsbildung, welche im Interesse der »Exaktheit« unter die Grenze des »Noëtischen« herunter auf irgendwelche nicht in der empirisch gegebenen Psyche verstehend »nacherlebbare« Elemente griffe, würde für die Geschichte ganz in die gleiche Stellung rücken, wie das nomologische Wissen irgendeiner anderen Naturwissenschaft oder wie – nach der anderen Seite – irgendeine Reihe nicht verständlich deutbarer statistischer Regelmäßigkeiten. Soweit psychologische Begriffe und Regeln oder statistische Zahlen der »Deutung« nicht zugänglich sind, stellen sie Wahrheiten dar, welche von der Geschichte als »gegeben« hingenommen werden, die aber zur Befriedigung des spezifisch »historischen Interesses« nichts beitragen.

      Die Verknüpfung des historischen Interesses mit der »Deutbarkeit« bleibt also als das eigentlich zu Analysierende immer wieder allein zurück.

      Münsterberg trägt in die Erörterung der Bedeutung dieses Umstandes erhebliche Unklarheiten hinein. Es verwirrt sich sein Gedankengang auf das Bedenklichste namentlich dadurch, daß, um die Kluft zwischen »objektivierender« und »subjektivierender« Betrachtungsweise möglichst weit aufzureißen, bei ihm Erkenntniskategorien und Begriffe sehr heterogener Art miteinander teils terminologisch, teils sachlich verquickt werden. Es bleibt bei seinen verschiedenen Aufstellungen über jene Erkenntniskategorie zunächst unklar, inwieweit das Wortpaar »Verstehen und Bewerten« (Münsterbergs Bezeichnung der »natürlichen Betrachtung des Geisteslebens«130) eine einheitliche, oder zwei an sich verschiedene, wenn auch bei der »subjektivierenden« Betrachtungsweise in steter Gemeinschaft miteinander auftretende Formen des »subjektivierenden« Sich-Verhaltens zum »Geistesleben« bedeuten sollen. Sicher und von Münsterberg nicht bestritten ist, daß das »Bewerten« von seiten des »stellungnehmenden Subjektes« auch an nicht »geistigen«, also nicht »verstehbaren« Dingen vollzogen wird. Die Frage bleibt also, inwieweit auch ein subjektivierendes »Verstehen« – von »geistigem« Leben – ohne »Bewerten« möglich ist. Die bejahende Beantwortung könnte

Скачать книгу