Ardistan und Dschinnistan. Karl May

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Ardistan und Dschinnistan - Karl May

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      »Er hat Dich in sein Herz geschlossen,« sagte der Scheik. »Nimm es ihm nicht übel!«

      Dabei schlug er ihm den Spieß an den Kopf, daß beide krachten, nämlich der Spieß und auch der Kopf; aber Smihk, der Dicke, ließ sich dadurch nicht stören, sondern orgelte weiter, bis er glaubte, seine Gefühle genügend ausgesprochen zu haben, so daß nichts mehr zu sagen war. Dann legte er sich hinter mir nieder und schloß die Augen, um in dem beseligenden Gedanken zu entschlafen, daß ich nun wisse, wie teuer ich ihm sei.

      Als endlich auch für die Menschen die Zeit kam, sich schlafen zu legen, wurden auf meine Veranlassung hin Wachen ausgestellt, die während der Nacht dreimal abzulösen waren. Dann wurde, natürlich nur zum Scheine, eine kurze Beratung abgehalten, wie wir uns während des Schlafes unserer Gefangenen am besten versichern konnten. Der Scheik machte den Vorschlag, sie nach der Insel zu schaffen und dort festzubinden, weil da kein besonderer Wächter für sie nötig sei. Wir andern stimmten bei, und Halef bot sich an, sie hinüberzuschaffen, falls man ihm zwei Ruderer mitgebe, ihm zu helfen. Das wurde in völlig unbefangener und unauffälliger Weise gesagt und vorgeschlagen. Keiner der drei Tschoban kam auf den Gedanken, daß es abgekartete Sache sei. Man band sie von den Bäumen los und führte sie fort, dem Wasser zu, wo hinter einem Ufergebüsch, durch welches sie nicht zurückschauen konnten, der große Einbaum zu ihrer Aufnahme bereit lag. Dann eilte ich mit dem Scheik nach der andern Stelle, an der das Kanoe auf uns wartete. Das leichte, kleine Fahrzeug brachte uns im Uferschatten sehr schnell so weit, daß die Insel zwischen uns und dem Einbaum lag und wir, von diesem aus ungesehen, nun gerade und direkt auf sie lossteuern konnten. Das taten wir und erreichten die kleine, schmale Bucht noch rechtzeitig genug, um es uns unter den dichten Zweigen, die eine Decke über uns bildeten, bequem zu machen. Der Baumstamm, an den der Panther festgebunden werden sollte, stand uns so nahe, daß auf dieser Seite seine Wurzeln unmittelbar aus dem Wasser tranken.

      Nun nahte das große Boot. Wir vernahmen die Ruderschläge, noch viel eher aber die Stimme des Hadschi, der absichtlich laut sprach, damit wir sein Kommen hören sollten. Er landete drüben an der andern Seite, dennoch unterschieden wir jedes Wort, welches er sagte, denn er sprach sehr langsam und deutlich, und die Breite der Insel war nicht beträchtlich genug, seine Worte zu verschlingen. Er hatte nicht erst jetzt begonnen, mit den Gefangenen zu sprechen, sondern dies schon während der ganzen Fahrt getan. Er besaß so eine pfiffige Art, die Leute auszufragen, und fing es nicht weniger pfiffig an, mich jetzt schon von weitem hören zu lassen, was er von ihnen erfahren hatte.

      »Also Ihr beide seid die Erzieher des Prinzen der Tschoban, den man Palang, den Panther, nennt. Von dem einen lernt er das Regieren und von dem andern das Kriegführen. Der eine ist die Kalam el Berinz und der andere das Sef el Berinz. Beide werden angebunden, und dann er selber auch. Zuerst die Kalam el Berinz! Komm! Steig aus!«

      Er führte die >Feder des Prinzen< aus dem Boote nach dem betreffenden Baume und band ihn dort mit Riemen fest, die er zu diesem Zwecke mitgebracht hatte. Diese Festigkeit war aber nur eine scheinbare. Dabei sagte er:

      »Nun ich von Euch gehört habe, was für ein vornehmer Herr Du bist, tut es meiner Seele vom Kopf bis herunter zu den Füßen weh, daß ich gezwungen bin, Dich hier an diesen Stamm zu fesseln, der nichts von Deinem hohen Stande weiß. Doch wenn ich mich nachher entferne, lasse ich Dir den süßen Trost zurück, daß ich morgen früh wieder kommen werde, um mich zu erkundigen, ob Du gut geschlafen hast.«

      Hierauf holte er das >Schwert des Prinzen<, um ihn nach dem andern Baum zu führen und dort anzubinden. Auch dieser bekam einige ironische Bemerkungen zu hören. Dann mußten die beiden Ruderer den >Panther< nach dem dritten Baum tragen, eben dem, in dessen unmittelbarer Nähe ich mit dem Scheik verborgen war. Die beiden andern waren aufrecht stehend angekoppelt worden; dieser aber durfte sich seines verletzten Fußes wegen niedersetzen und wurde nur mit dem Rücken an den Stamm gebunden. Indem Halef dies tat, sprach er:

      »Ich liebe Dich, o Prinz. Du hast mein Herz gewonnen. Zwar hast Du es nur heimlich gewonnen, als Du vorhin leise zu mir sagtest, daß Du mir eine ganze Satteltasche voll Goldstücke geben würdest, wenn ich bereit sei, Euch zu Euern Pferden zu bringen und mit Euch zu fliehen; dafür aber sage ich es nun laut, um Deine Güte zu rühmen. Deine Goldstücke gehören nicht mir, sondern meinen Freunden, den Ussul. Wenn ich jetzt hinüberkomme, werde ich ihnen und ihrem Scheik sagen, wie gern Du zahlen wirst. Schlaf wohl! Ich gehe! Allah sende Dir ein ganzes Dutzend glücklicher Träume aus dem Vorrat seines siebenten Paradieses!«

      Er entfernte sich und stieg mit seinen beiden Ussul in den Einbaum. Man hörte die Ruder in das Wasser schlagen, und man hörte die Stimme Halefs, der sich absichtlich laut mit seinen Begleitern unterhielt, noch lange, bis sie wegen des zu großen Abstandes verscholl. Das ging alles so ungesucht und selbstverständlich, daß die drei Tschoban gar nicht auf den Gedanken gerieten, sie seien nicht allein hier, oder Halef werde heimlich zurückkehren, um sie zu belauschen. Selbst falls er diese Absicht gehabt hätte, wäre es ihm wegen der Größe des Bootes wohl schwerlich gelungen, die Insel unbemerkt wieder zu erreichen.

      Nun warteten wir. Der Scheik war in hohem Grade gespannt, ob die Richtigkeit meiner Voraussetzung sich bestätigen werde; bei mir aber gab es nicht den geringsten Zweifel daran, daß die Gefangenen die Gelegenheit schleunigst benutzen würden, miteinander zu sprechen. Und richtig! Kaum hörte man Halefs Stimme nicht mehr, so rief die >Feder des Prinzen< den beiden andern zu:

      »Gebt Achtung! Hört Ihr mich?«

      »Ja, ja!« lautete die Antwort von hüben und von drüben.

      »Wir sind allein!«

      »Weißt Du das genau?« fragte der Prinz.

      »Ja. Ich konnte dem Boote von hier aus nachschauen, bis es nicht mehr zu sehen war. Sie sind fort, und kein Mensch ist hier, der uns hört. Wie dumm diese Leute sind!«

      »Bist Du fest angebunden?«

      »Es scheint so; aber ich will doch einmal versuchen.«

      »Ich auch!« stimmte das >Schwert des Prinzen< bei. »Mir scheint, ich kann vielleicht los.«

      Es wurde für kurze Zeit still; dann hörten wir gleich hintereinander zwei Freudenrufe. Beiden war es gelungen, sich von den Riemen zu befreien, doch lag es ihnen völlig fern, hier eine Hinterlist zu vermuten. Sie jubelten laut auf und eilten herbei, um auch den >Panther< loszumachen und mit ihm zu besprechen, wie sie sich nun wohl befreien könnten. Hier zeigte es sich, welchen Einfluß Geburt und Erziehung auf Menschen haben, die sonst ziemlich gleichgestellt sind. Er war edler geboren als sie, und er zeigte sich trotz ihres höheren Alters und ihrer größeren Erfahrung als der Bedachtsamste und Vorsichtigste von ihnen.

      »Halt! Mich nicht losbinden!« befahl er. »Wir wissen nicht, ob wir uns vielleicht nicht wieder anbinden müssen. Wäre dies der Fall, so könnten wir die Schleifen und Knoten nicht genau so wiederherstellen, wie sie waren, und das würde uns verraten, daß wir frei gewesen sind.«

      »Uns wieder anbinden müssen? Das fällt uns doch wohl nicht ein!«

      »So? Könnt Ihr schwimmen?«

      »Nein. Wir sind keine Fische oder Frösche! Hätte Allah uns Flossen oder Schwimmhäute gegeben, so läge es in seinem Ratschlusse, daß wir schwimmen sollen. Du hast es trotzdem gelernt, aber Dein Fuß ist verletzt - - -«

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