Ardistan und Dschinnistan. Karl May
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Читать онлайн книгу Ardistan und Dschinnistan - Karl May страница 42
Halef sprang auf, zog seine geliebte Kurbatsch aus dem Gürtel, schwippte sie hin und her und fuhr fort:
»Seht Euch zunächst Eure armen Pferde an! Die Sporenlöcher zu beiden Seiten! Voller Blut und Eiter! Seid Ihr Menschen? Auch das Pferd ist Allahs Geschöpf, tausendmal schöner, vornehmer und edler als Ihr! Bildet Euch ja nicht ein, daß wir Euch gefühlvoll, zart und sanft behandeln werden? Das beste Wort für Euch ist nur die Peitsche!«
»Hund!« schrie der junge Fremdling. »Du wagst es, mir mit der Peitsche zu drohen? Dafür verlange ich Dein Blut und Leben! Ich werde - - -«
Er sprach nicht weiter. Er hatte versucht, aufzuspringen, sank aber mit einem Schmerzensruf wieder zurück.
»Mein Blut und Leben?« lachte Halef. »Kamelmilchknabe, der Du bist! Betrachtet Euch doch, wie jammervoll wir Euch hier vor uns haben! Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich die dreifache Dummheit so nahe bei mir gesehen wie jetzt! Wie dumm kamt Ihr zur Stelle geritten, an der wir Euch überraschten! Wie dumm war Eure Flucht! Wie unendlich dumm war es von Euch, beisammen zu bleiben! Wie beispiellos dumm fingt Ihr es an, diesem einen von Euch zur Flucht zu verhelfen! Wie entsetzlich dumm seid Ihr uns in die Hände gelaufen! Und wie ganz unsagbar dumm ist es von Euch, Euch trotz alledem stolz aufzublasen und uns, die wir doch Herren Eures Schicksals sind, zu beleidigen! Wir werden Euch - - -!«
»Nichts werdet Ihr!« unterbrach ihn der Ilkewlad mit brüllender Stimme. »Schweig!«
»Ja, schweig!« forderte auch ich jetzt Halef auf. »Diese Männer kehren jetzt mit uns zurück.«
»Wohin?« fragte der Erstgeborene, indem er mich mit blitzenden Augen maß.
»Wohin es uns beliebt,« antwortete ich ruhig.
Ich war bis jetzt still gewesen und hatte zwischen ihnen und ihren Waffen gestanden, damit es den beiden, die gehen konnten, nicht einfallen möge, unvermutet aufzuspringen und sich zu bewaffnen. Dem Dritten war dies unmöglich, weil er sich verletzt hatte. Ich trat jetzt zu ihm und fragte:
»Wo hast Du Schmerzen? Ich will nachschauen, ob etwas gebrochen ist. Wir müssen es verbinden.«
Da herrschte er mich wütend an:
»Fort von hier, Schakal, räudiger! Weißt Du, wer wir sind?«
»Nein,« antwortete ich, ganz ohne Zorn.
»Bei uns ist es das größte Verbrechen, sich an dem Scheik oder seinen Söhnen zu vergreifen. Das habt Ihr getan, Ihr seid dem Tode verfallen. Ließe ich mich von Euch berühren, so brächte Euch das nach unsern Gesetzen das Recht, begnadigt zu werden.«
»Ich danke Dir für diese Warnung, denn nach Gnade trachte ich allerdings nicht. Aber ich sage Dir eins: Wenn Du Dich so vor der Berührung durch unsere Hände scheust, so scheue Dich auch vor der Berührung durch unsere Peitsche!«
Er sah mich an, ich ihn auch. Es kochte in ihm. Er wollte losbrechen, doch gab mein Blick dies nicht zu. Er bezwang sich und fragte:
»Auch Du wagst es, von der Peitsche zu sprechen?«
»Wagen? Pah! Wenn ich Dich peitschen will, so peitsche ich Dich; gewagt ist nichts dabei. Und nun paß auf, was Du hörst! Ihr werdet jetzt unbedingt tun, was ich befehle, augenblicklich, ohne Weigerung. Zögert Ihr, zu gehorchen, so bekommt Ihr allerdings die Peitsche, und zwar alle drei. Und wer von Euch es jetzt noch wagt, zu sprechen, ohne daß ich ihn dazu auffordere, der bekommt für jedes Wort einen Hieb. Merkt Euch das! Ich scherze nicht!«
»Allah verfluche Euch!« rief einer der beiden andern, indem er Miene machte, sich zu erheben. Da aber sauste schon die Peitsche Halefs auf ihn nieder. Ich zog meine beiden Revolver, hielt sie ihnen hin, ließ, um ihnen die Ladung zu zeigen, die Walzen spielen und sagte:
»Seht diese Pistolen! Wie Ihr Euch überzeugen könnt, ist jede sechsmal geladen. Ich kann Euch also zwölf Kugeln geben, ohne daß ich zu laden brauche. Nehmt Euch in acht! Erst die Peitsche und, wenn diese nicht hilft, dann die Kugel!«
Das wirkte. Sie verstanden die Mechanik der Revolver nicht, aber sie sahen die Kugellöcher und fühlten sich von dem Geheimnisse, welches dabei waltete, gebannt. Keiner sagte mehr ein Wort, doch in ihren Gesichtern stand mit größter Deutlichkeit zu lesen, was wir zu erwarten hätten, falls sie einmal das Glück haben würden, uns in ihre Hände zu bekommen. Ich blieb mit gespannten Pistolen bei ihnen stehen, während Halef ihre Pferde zusammenbinden mußte, und zwar eines hinter das andere. Dann mußten die beiden Älteren ihren jüngeren Gefährten, der nicht von uns berührt werden durfte, nach dem vorderen Gaul schaffen, in dessen Sattel sie ihm emporhalfen. Hierauf wurden ihnen selbst die Hände nach hinten gebunden und wir halfen ihnen auf ihre Pferde. Und nun setzten wir uns in Bewegung, Halef voran und ich hinterdrein. Ihre Waffen wurden selbstverständlich mitgenommen.
Es war ein ganz eigentümliches Erlebnis. Ich hatte das Gefühl, als ob durch die Gefangennahme dieser drei Männer dem Stamme der Ussul ein großer Dienst erwiesen sei, wir aber für uns beide damit auch den Grund zu späteren Verdrießlichkeiten oder gar Gefahren gelegt hätten. Mochte dies nun sein, wie es wollte - wir trugen an der Entwicklung der Dinge keine Schuld. Hätten sich die drei Fremden anders verhalten, wären sie nicht so ohne allen sichtbaren Grund geflohen, ja, wären sie wenigstens später nicht so schroff und feindselig gewesen, so hätte sich diese Begegnung gewiß ganz anders gestaltet. Und selbst im schlimmsten Falle, daß sie nämlich zu den Todfeinden der Ussul, zu den Tschoban, gehörten, hätte sich gewiß ein Weg finden lassen, um wenigsten Feindseligkeiten zu vermeiden. Ich war gespannt darauf, ob man bei den Ussul einen von ihnen oder vielleicht gar alle drei kennen werde.
Auf demselben Wege, auf dem wir gekommen waren, kehrten wir zurück. Wir kamen da ein sehr gutes Stück über die Stelle hinaus, wo Halef mit Ben Rih gestürzt war. Noch aber hatten wir das Gefängnis Amihns nicht erreicht, so sahen wir ein halbes Dutzend Reiter uns entgegenkommen, lauter hohe, breitschulterige Gestalten auf massigen, urpferdartigen Rossen. Als sie sich genügend genähert hatten, erkannten wir sie. Es war Amihn, Taldscha und der Sahahr mit noch drei anderen Ussul. Sie wunderten sich, daß sie nicht zwei, sondern fünf Reiter sahen, und zwar im Gänsemarsche hintereinander. Sie erkannten Halef, den Vordersten von uns, sogleich und hielten an, um uns herankommen zu lassen. Natürlich war Halef es, der das erste Wort haben mußte. Er rief ihnen, noch lange bevor wir sie erreichten, zu:
»Heil, Heil und Heil! Den Mutigen ist es gelungen! Die Tapferen haben gesiegt! Der Kampf ist zu Ende! Triumph, Triumph, Heil, Heil!«
»Gekämpft habt Ihr?« fragte Amihn von weitem.
»Ja, gekämpft.« antwortete Halef.
»Mit wem?«
»Mit drei Fremden. Wir kennen sie nicht. Sie sind unserer Macht erlegen und vor unserer Faust in den Staub gefallen. Hier sind sie! Schaut