Ardistan und Dschinnistan. Karl May
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Читать онлайн книгу Ardistan und Dschinnistan - Karl May страница 44
Vorerst mußten sie sich an den einfachen Gedanken gewöhnen, daß sie ihn überhaupt besaßen. Ein solches Glück war ihnen während aller bisherigen Kämpfe mit den Tschoban noch nie widerfahren. Sie hielten diesen jungen Mann für einen Ausbund von Grausamkeit, List und Tapferkeit, während ich wenigstens von den beiden letzteren Eigenschaften nicht den geringsten Beweis erhalten hatte. Im Gegenteile war mir sein Verhalten gradezu als dumm und feig erschienen.
»Es ist ein großes, großes Wunder, daß Ihr noch lebt!« sagte Amihn, während wir nebeneinander hinritten. »Sie sind zwar nicht so groß und stark wie wir, Ihr aber seid noch kleiner als sie. Auch seid Ihr nur zwei, sie aber sind drei!«
»So hast Du Dir eben zu merken, daß es weder auf die Länge und Breite des Körpers noch auf die Zahl der Personen ankommt,« antwortete ich. »Das ganze Menschenleben beweist, daß es nicht auf diesen Körper, sondern auf die Seele, auf den Geist ankommt. Du selbst sagst, daß die Tschoban kleiner sind als Ihr, und trotzdem seid Ihr ihnen meist unterlegen. Ich sage Dir, daß der Kleinste unter uns allen, nämlich mein wackerer Hadschi Halef Omar, es mit einer ganzen Menge dieser Leute aufnimmt, ohne sich zu fürchten. Hingegen können Eure Körper noch so stark und riesig sein, wenn Euch aber der Geist fehlt, den großen Vorteil, den Euch der Besitz des >Erstgeborenen< bietet, auszunützen, so wird Euer Leib Euch nur von Schaden sein. Glaubt Ihr, daß er in friedlicher Absicht gekommen ist?«
»Nein,« antwortete Taldscha. »Das ist er auf keinen Fall. Dennoch müssen wir, sobald Du ihn uns schenkst, auf Verhandlungen mit ihm eingehen, bis seine feindlichen Absichten offen erwiesen sind. Glaubst Du wirklich, dies noch heut tun zu können?«
»Ich bin überzeugt davon.«
»Wer soll uns Auskunft geben?«
»Er selbst oder seine Begleiter, je nachdem.«
»Die werden sich hüten!«
»Die werden sich nicht hüten, sondern es sogar als eine Wohltat empfinden, ihre Geheimnisse ausplaudern zu können. Man muß sie scheinbar zum Schweigen zwingen und ihnen dann heimlich Gelegenheit geben, sich auszusprechen. Laßt mich nur machen! Wenn Ihr mir helft, wird alles wohlgelingen. Wo kann ich meinen Gefangenen während der Nacht unterbringen, so daß er leicht zu bewachen ist?«
»Auf der Insel, oder auch im Lager. Wir binden die drei Männer einfach an drei Bäume, wie Du es mit mir getan hast. Ein einziger Mann genügt, sie zu bewachen. Die andern können schlafen.«
»Wie einfach und wie leicht das klingt! Wenn Ihr in dieser Weise zu verfahren pflegt, so ist es kein Wunder, daß die Tschoban Euch stets überlistet haben. Im Lager wird während der Nacht kein Mensch bleiben.«
»Warum?«
»Glaubt Ihr vielleicht, daß der Scheik der Tschoban den unverzeihlichen Fehler macht, seinen Erstgeborenen und Nachfolger mitten in Euer Gebiet zu schicken, nur von zwei Männern begleitet?«
»Dieser Gedanke ist richtig, sehr richtig!« stimmte der Scheik schnell bei. »Ich würde es auch nicht tun.«
»Trägt man bei den Tschoban Säbel?« fragte ich.
»Fast jedermann!«
»Diese drei haben keine. Warum? Weil sie ihnen im Wege sein würden. Sie wollen schleichen, forschen, spüren, suchen, leise, ungehört und ungesehen. Da ist der Säbel hinderlich. Und wenn Euer Gebiet durchsucht werden soll, und wenn man erfahren will, was Ihr tut, wo Ihr Euch befindet, genügen hierzu armselige drei Männer?«
»Nein! Herr, Du machst mir angst!«
»Das will ich nicht. Aber selbst wenn es Dir wirklich bange würde, so ist das jedenfalls besser als ein Überfall, dem Ihr unterliegt, weil er Euch völlig unvorbereitet trifft. Also, ich glaube nicht, daß diese drei Tschoban die einzigen sind, die sich jetzt bei Euch herumschleichen. Darum werde ich mich hüten, unsere Gefangenen so wohlfeil hinzustellen, daß sie leicht befreit werden können. Und darum rate ich auch ab, heut im Lager zu übernachten, das vielleicht schon längst ausgekundschaftet worden ist. Die Art und Weise, wie der Ilkewlad sich näherte, läßt vermuten, daß er die Richtung kennt, in der es liegt. Vorher dachte ich anders, jetzt aber nicht mehr.«
»Es hat schon seit undenklichen Zeiten dagelegen!«
»Um so schlimmer! Und um so gefährlicher ist es, es zu einer Zeit zu beziehen, wo Feinde in der Nähe sind.«
»Welche andere Stelle schlägst Du vor?«
»Jetzt noch keine. Ich kenne die Gegend nicht, werde mich aber, bevor es dunkelt, umsehen. Mag aber kommen, was da will, so könnt Ihr überzeugt sein, daß Euch heut ein großes Glück widerfahren ist. Der >Erstgeborene< ist ein Schatz, den Euch die Vorsehung sendet, damit Ihr - - -«
»Die Vorsehung?« unterbrach mich der Zauberer. »Da hört man, daß Ihr Christen Heiden seid! Gott hat ihn gesandt, nur Gott! Das Wort Vorsehung gilt nur für Leute, welche zweierlei falsche Scham besitzen. Sie schämen sich, nicht an Gott zu glauben, und sie schämen sich doch, ihn offen und ehrlich zu bekennen. Da sprachen sie von Vorsehung, Fügung und ähnlichen Dingen, die wie voll klingen und doch keinen Inhalt haben. Wir Ussul besitzen nur Gott allein. Weiter brauchen wir nichts!«
Diese Worte wurden schon in der Nähe des Lagers gesprochen. Als wir dort ankamen, erneuerte sich das Erstaunen über die drei Tschoban. Die hier zurückgebliebenen Ussul brachen in lauten Jubel aus. Mit den Begleitern des >Panthers< wurde wenig Federlesens gemacht. Wir banden sie einfach an zwei Bäume, doch so, daß sie nicht miteinander sprechen konnten. Ihn selbst aber mußten wir legen, denn er konnte nicht stehen. Der gutmütige Zauberpriester untersuchte ihn und fand, daß sein Fuß gebrochen war und schneller Hilfe bedurfte, wenn er nicht vollständig lahm bleiben sollte. Da bekam der Tschoban Angst. Er bat, sogleich verbunden zu werden, und der Sahahr, der zugleich der Arzt seines Volkes war, machte sich, unterstützt von zwei Ussul daran, zum Rechten zu sehen. Wie dies geschah, das kümmerte mich nicht. Ich hatte Wichtigeres zu tun. Die Hauptsache für mich war, einen andern, bequemeren Lagerort zu suchen und dann nach der Insel zu rudern, um zu forschen, ob sie für meine Zwecke geeignet sei. Es galt nämlich, die Gefangenen unter sich zu einer Unterredung zu bringen, die wir zu belauschen hatten und also scheinbar verhüten mußten. Der Scheik begleitete mich. Halef wollte auch mit, mußte aber zurückbleiben, um die Gefangenen zu beaufsichtigen und dafür zu sorgen, daß sie weder unter sich noch mit andern sprechen konnten. Es sollte dadurch in ihnen die Sehnsucht, sich mitteilen zu können, gesteigert werden.
Ein Platz, der sich zum Lagern während der Nacht gut eignete, war bald gefunden. Dann ging es hinüber nach der Insel. Ich hatte angenommen, daß nur das große, schwere Boot, das ich kennen gelernt hatte, vorhanden sei; es gab aber, sorgfältig im Gebüsch des Ufers versteckt, noch ein kleines, leichtes Kanoe aus Holzstützen und Lederbezug und zum Zerlegen eingerichtet, um überall mitgenommen werden zu können. In diesem ruderten wir hinüber. Vorher hatte der Scheik einen seiner Leute nach der >Residenz< geschickt, um den Bewohnern derselben die Freudenbotschaft zu überbringen, daß der >Erstgeborene< ihres Hauptfeindes gefangen worden sei, weshalb man sich für morgen auf einen feierlichen Empfang einzurichten habe. Er sprach da, jedenfalls in bedeutend beschönigender Weise, von seiner >Hauptstadt<